Wie gefährlich ist der Atomwaffenstandort Büchel? Die Stiftung Erneuerbare Freiheit verklagt Verteidigungsministerium

Seit Jahrzehnten lagern Atombomben der US-Armee im rheinland-pfälzischen Büchel. Wie hoch die Gefahr ist, die von den strahlenden Waffen für die Bevölkerung ausgeht? Das hält die Bundesregierung geheim. Jetzt soll sie aber mit einer Klage zu mehr Transparenz gezwungen werden.

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Die Tornado-Flugzeuge im Fliegerhorst Büchel könnten Atombomben abwerfen –

Am Fliegerhorst Büchel in der Eifel lagern US-Atomwaffen. Seit Jahrzehnten protestieren Anwohner und die Friedensbewegung gegen diese Stationierung. Neuerdings erhalten sie weiteren Zulauf durch Bürger, die in US-Präsident Donald Trump nicht den kühlen Kopf sehen, der im Notfall über den Einsatz von Atomwaffen entscheiden sollte. Offiziell hält sich das Verteidigungsministerium dazu bedeckt und gibt keinerlei Informationen heraus. Das hält die Stiftung für Erneuerbare Freiheit für unverantwortlich – und bringt das Verteidigungsministerium vor Gericht, um diese Informationen für die Öffentlichkeit zu befreien.

Das Umweltinformationsgesetz (UIG) ermöglicht es allen Bürgerinnen und Bürgern, Umweltdaten von Behörden anzufragen. In Büchel lassen sich damit die Strahlungsdaten des Fliegerhorsts anfordern, um so Klarheit zu erlangen über eine Gefährdung der Anwohner oder der dort stationierten Soldatinnen und Soldaten durch Radioaktivität.

Strahlungsdaten werden geheim gehalten

„Wer hier Gefahren ausgesetzt wird, muss ein Recht auf Informationen zu diesen Gefahren haben. Denn wie sonst will eine Gesellschaft, unabhängig davon, wie sie zur Stationierung von US-Atomwaffen auf deutschem Boden steht, sinnvoll und faktenbasiert darüber debattieren und entscheiden, ob sie bereit ist, diese Gefahren zu tragen?“, meint Martin Modlinger, Vorstand der Stiftung Erneuerbare Freiheit. Die völkerrechtlich ohnehin umstrittene „nukleare Teilhabe“ Deutschlands, der diese Atomwaffen dienen, ist so vor allem eine Teilhabe an den Risiken.

Um die Risiken einschätzen zu können, hat die Stiftung Zugang zu Daten über Strahlungen verlangt. Das Verteidigungsministerium verweigert jedoch die Herausgabe von Daten und Dokumenten zu Strahlungswerten am Standort Büchel. Stattdessen wird ein neuer Zaun um das Gelände gebaut, der neugierige Blicke fernhalten soll. Internen Studien der US-Luftwaffe zufolge halten viele Atomwaffenlager aber nicht einmal die minimalen Sicherheitsstandards des amerikanischen Verteidigungsministeriums ein.

„Eine derartige Missachtung der Informationsrechte der Bürger können wir nicht akzeptieren. Daher haben wir Klage erhoben und werden diese Informationen für die Öffentlichkeit auf dem Rechtsweg befreien“, so Modlinger.

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re| Rechtsanwälte :: Neue Promenade 5 :: 10178 Berlin Neue Promenade 5 10178 Berlin Dr. Miriam Vollmer Rechtsanwältin | Fachanwältin für Verwaltungsrecht Tel: 030 403 643 62-0 Verwaltungsgericht Köln Postfach 10 37 44 50477 Köln vollmer@re-rechtsanwaelte.de www.re-rechtsanwaelte.de Unser Zeichen: 38/19 Per beA 08.08.2019 KLAGE In der Verwaltungsstreitsache des Herrn Martin Modlinger, c/o Stauffenbergstr. 2a, 85051 Ingolstadt, - Kläger - Prozessbevollmächtigte: re|Rechtsanwälte, Neue Promenade 5 :: 10178 Berlin gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Umweltschutz, Infrastruktur und Dienstleistungen der Bundeswehr, Fontainengraben 200, 53123 Bonn - Beklagte - wegen: Informationsanspruch Voraussichtlicher Streitwert: 5.000 EUR namens und in anliegender Vollmacht der Klägerin legen wir Klage gegen den Teilablehnungsbescheid vom 17.06.2019 (Az.: GS II.1 93-25-15 1 U 3/19), anbei als Anlage K 1, ein und werden beantragen, wie folgt zu erkennen: re| Rechtsanwälte :: Dr. Miriam Vollmer, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht :: Dr. Olaf Dilling, Rechtsanwalt
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1. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Teilablehnungsbescheids vom 17.06.2019 (Az.: GS II.1 93-25-15 1 U 3/19) verurteilt, dem Kläger Auskunft über sämtliche noch nicht übersandten Umweltinformationen bezüglich Luft, Wasser, Boden und insbesondere radioaktive Strahlung am Standort Büchel zuzusenden. 2. Der Teilablehnungsbescheid vom 17.06.2019 (Az.: GS II.1 93-25-15 1 U 3/19) wird aufgehoben, soweit er es dem Kläger verbietet, die bereits erteilten Umweltinformationen zu veröffentlichen. Einer Übertragung und Entscheidung des Rechtsstreits durch den Einzelrichter stehen keine Gründe entgegen. Mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter sind wir einverstanden. Der nachfolgende Sachvortrag gliedert sich bis zur dritten Ebene wie folgt: I. II. 1. 2. 3. 4. 5. Vorbemerkung ............................................................................ 2 Sachverhalt ................................................................................ 3 Die Parteien........................................................................................... 3 Die Umweltinformation ......................................................................... 3 Der Informationsantrag ......................................................................... 4 Teilstattgabe am 17.06.2019.................................................................. 4 Widerspruch vom 26.06.2019 ................................................................ 6 III. 1. 2. Rechtliche Würdigung ................................................................. 6 Zulässigkeit ........................................................................................... 6 Begründetheit ........................................................................................7 a. Voraussetzungen eines Informationsanspruches ...............................7 b. Kein Vorliegen eines Ablehnungsgrundes......................................... 8 c. Überwiegen des Informationsinteresses ........................................... 9 d. Rechtswidrigkeit des Veröffentlichungsverbots ..............................10 Begründung I. Vorbemerkung Der Kläger macht einen Anspruch auf Erteilung von Umweltinformationen geltend. Denn die Beklagte hat seinen Informationsantrag vom 19.05.2019 nur teilweise erfüllt und sich ohne weitere Begründung auf angeblich bestehende Sicherheits- und Verteidigungsbelange gestützt. Die Unterlagen, die sie ihm re| Rechtsanwälte 2
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übersandt hat, hat sie zudem Veröffentlichungsverbot versehen. mit einem nicht gerechtfertigten II. Sachverhalt 1. Die Parteien Der Kläger engagiert sich als vertretungsberechtigter Vorstand der Stiftung Erneuerbare Freiheit. Diese zielt darauf ab, individuelle und kollektive Freiheitsrechte zu schützen, insbesondere im Bereich der digitalen Gesellschaft, wie sich aus dem als Anlage K 2 beigefügten Auszug aus der Webseite des Klägers ergibt. Die Beklagte ist in Gestalt des Bundesamts für Umweltschutz, Infrastruktur und Dienstleistungen der Bundeswehr als Bundesbehörde unter anderem für die bundesweite Koordinierung der Dienstleistungen für die Streitkräfte zuständig. In dieser Funktion übernimmt sie grundsätzliche Aufgaben für Arbeits-, Strahlen-, Umwelt- und Naturschutz, Ökologie, Umweltverträglichkeit, Gefahrgutwesen, Kreislauf-/Abfallwirtschaft, Landschaftspflege und Kontaminationen für die Standorte der Bundeswehr. 2. Die Umweltinformation Der Beklagten liegen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben eine Vielzahl von Informationen über Luft, Wasser, und Boden, insbesondere aber Strahlung/Radioaktivität am Standort der Bundeswehr Büchel vor. Auf diese richtet sich der Antrag des Klägers. Hierzu im Einzelnen: • Der Standort Büchel der Luftwaffe der Bundeswehr liegt im Landkreis Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz. Dem Vernehmen nach handelt es sich um den einzigen Standort bundesweit, an dem noch Atomwaffen gelagert werden. Zwar wurde dies noch nie von der Beklagten selbst veröffentlicht. Es ist aber allgemein bekannt, wie allein die Existenz der Initiative „Büchel ist überall! Atomwaffenfrei jetzt“ belegt, an der sich eine Vielzahl von Einzelinitiativen beteiligen. Dies weisen u. a. ein Auszug aus der Homepage unter https://buechel- atombombenfrei.jimdo.com/gruppen/ und Auszüge aus der Online- re| Rechtsanwälte 3
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Enzyklopädie „Wikipedia“ aus, die wir als Nachweis der allgemeinen Bekanntheit dieses Umstandes als Anlagenkonvolut K 3 zur Akte reichen. Sofern die Beklagte die allgemeine Bekanntheit dieses Umstandes bestreitet, wird ein Sachverständigengutachten in Gestalt einer Umfrage durch ein Marktforschungsinstitut im Landkreis Cochem-Zell belegen, dass das Faktum der Stationierung von Atomwaffen in Büchel alles andere als geheim ist. • Vor dem Hintergrund dieser Waffenlagerung liegt es nahe, dass die Beklagte nicht nur über Luft, Boden und Wasser generell umfangreiche Daten hat. Sondern auch Daten über Radioaktivität. Dass diese Daten existieren, hat die Beklagte im Bescheid vom 17.06.2019 (bereits anbei als Anlage K 1) nicht bestritten. Sie meint lediglich, diese Daten nicht an den Kläger herausgeben zu müssen. 3. Der Informationsantrag Der Kläger hat am 19.05.2019 die Herausgabe aller Umweltinformationen über Luft, Boden und Wasser, insbesondere aber über Strahlung/Radioaktivität am Standort Büchel per E-Mail geltend gemacht. Das Herausgabeverlangen vom 19.05.2019 fügen wir als Anlage K 4 bei. In diesem Schreiben, für das der Kläger das Portal www.fragdenstaat.de nutzte, beantragte der Kläger ausdrücklich, ihm die Daten durch Zusendung zugänglich zu machen. 4. Teilstattgabe am 17.06.2019 Mit Bescheid vom 17.06.2019, bereits anbei als Anlage K 1, gab die Beklagte dem Antrag des Klägers nur teilweise statt: re| Rechtsanwälte 4
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• Die Beklagte übersandte insgesamt 46 einzelne Dokumente, die den Fliegerhorst Büchel betreffen, auf einem Datenträger. Die Daten fügen wir als Anlagenkonvolut K 5 bei. Wegen der Größenbegrenzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs übersenden wir die Daten mit mehreren elektronischen Nachrichten. • Auf dem dem Kläger zugesandten Datenträger stand handschriftlich die Verfügung „keine Freigabe zur Veröffentlichung“, wie eine Fotografie als Anlage K 6 belegt. • Der Bescheid vom 17.06.2019 (Anlage K 1) führt die nicht versandten Dokumente nicht auf. Da sich unter den Dokumenten keine Dokumente befinden, die sich auf Strahlen/Radioaktivität beziehen, sind mindestens Informationen über diese Umwelteinwirkungen unter den nicht versandten Dokumenten. • Die Begründung der Ablehnung des Antrags, alle Dokumente zu übersenden, ist schlicht: Die Beklagte beruft sich in Hinblick auf den Anspruch nach § 3 Abs. 1 S. UIG auf Auswirkungen auf internationale Beziehungen, die Verteidigung oder bedeutsame Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit. Sie meint, dass das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe nicht überwiege. In Hinblick auf den Informationsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG beruft sie sich darauf, dass Bekanntwerden der Informationen könne nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, militärische oder sonstige sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr haben. Darüber hinaus sei der Zugang zu Informationen abgelehnt worden, weil die notwendige Vertraulichkeit internationaler Verhandlungen beeinträchtigt würde oder weil die Informationen einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegen würden. Eine re| Rechtsanwälte 5
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genauere Begründung, wieso dies jeweils der Fall wäre, fehlt allerdings komplett. 5. Widerspruch vom 26.06.2019 Mit Datum vom 26.06.2019 legte der Kläger einen ausführlich begründeten Widerspruch, anbei als Anlage K 7, gegen die teilweise Ablehnung seines Antrags zum einen und zum anderen gegen das Verbot zur Weitergabe bezüglich der ihm übersandten Unterlagen ein. Trotz des Hinweises auf der letzten Seite des Widerspruchs, dass nach Ablauf eines Monats geklagt würde, wurde der Widerspruch bisher nicht beschieden. III. Rechtliche Würdigung Die Klage ist zulässig (Punkt 1.) und begründet (Punkt 2.). 1. Zulässigkeit Die Klage ist zulässig. Der Verwaltungsrechtsweg ist gegeben, denn der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) und nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, soweit sie die Zugänglichmachung der bisher nicht erteilten Umweltinformationen betrifft (BVerwG 7 C 13.15), und als Anfechtungsklage in Hinblick auf das Verbot, die empfangenen Informationen zu verbreiten. Die Klage ist in Gestalt der Untätigkeitsklage auch ohne abgeschlossenes Widerspruchsverfahren gem. § 75 S. 1 und S. 2a. E. Verwaltungs- Gerichtsordnung (VwGO) zulässig. Hiernach ist eine Klage auch ohne abgeschlossenes Widerspruchsverfahren zulässig, wenn über den Antrag bzw. Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. re| Rechtsanwälte 6
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Die angemessene Frist ist hier verstrichen. Denn § 3 Abs. 3 UIG bzw. des § 7 Abs. 5 S. 2 IFG enthalten Monatsfristen für die Informationserteilung ab Antragstellung. Selbst wenn der Kläger auf das Widerspruchsverfahren ganz verzichtet hätte, wäre seine Klage seit dem 19.06.2019 deswegen zulässig gewesen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 08.05.2008, OVG 12 B 24.07; VGH Mannheim, Urt. v. 27.02.2003, BauR 2003, 1345). Dieses Recht zur fristgemäßen Klageerhebung seit dem 19.06.2019 ist auch nicht durch die Widerspruchserhebung am 26.06.2019 untergegangen. Denn die Monatsfrist des UIG und des IFG liefe leer, wenn die Behörde zwar für die eigentliche Bescheidung nur einen Monat Zeit hätte, aber im Widerspruchsverfahren drei weitere Monate der Untätigkeit nach § 75 S. 2 VwGO eingeräumt bekommen würde. Dies wäre nicht nur ein Anreiz, sich durch eine schnelle, rein formelhafte Bescheidung des Antrags innerhalb der Monatsfrist Zeit für eine ausführliche insgesamt viermonatige Prüfung zu verschaffen. Sondern auch mit Art. 3 Abs. 2 der Umweltinformationsrichtlinie unvereinbar, der eine Frist von einem Monat, maximal zwei in besonders komplexen Fällen vorsieht, deren Vorliegen hier weder vorgetragen wurde noch naheliegt. Diese Erwägungen gelten auch für die Frage der Veröffentlichungsbefugnis. Denn der Informationsanspruch ist nur unzureichend erfüllt, wenn der Kläger zwar Informationen erhält, diese aber faktisch nicht nutzen kann. Wäre dem anders, liefe der Informationsanspruch leer. 2. Begründetheit Die Klage ist auch begründet. Denn der geltend gemachte Informationsanspruch nach § 3 Abs. 1 UIG bzw. § 1 Abs. 1 IFG besteht (Punkt a.), ohne dass ein Ablehnungsgrund vorliegen würde (Punkt b.). Mindestens überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit (Punkt c.). Auch das Verbot, die bereits erhaltenen Informationen zu veröffentlichen, ist rechtswidrig und deswegen aufzuheben (Punkt d.). a. Voraussetzungen eines Informationsanspruches Die Beklagte ist als Bundesbehörde eine auskunftsverpflichtete Stelle. Die begehrten und bisher vorenthaltenen Informationen sind auch Umweltinformationen im Sinne des UIG: Die Informationen über Boden, Luft und re| Rechtsanwälte 7
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Wasser am Standort Büchel sind Informationen nach § 3 Abs. 3 Nr. 1 UIG. Die Informationen über Strahlung stellen Informationen nach § 3 Abs. 3 Nr. 2 UIG dar. In jedem Fall handelt es sich auch um amtliche Informationen nach § 2 Nr. 1 IFG, denn es geht gerade um diejenigen Informationen über Luft, Boden, Wasser und Strahlung am Standort Büchel, die der Beklagten vorliegen. b. Kein Vorliegen eines Ablehnungsgrundes Ablehnungsgründe sind nicht ersichtlich: Vergeblich beruft sich die Beklagte auf den Schutz internationaler Beziehungen nach § 8 Abs. 1 UIG. Sie übersieht zunächst, dass sie darlegen muss, wie genau welche Beziehungen Schaden nehmen könnten. Dies geht aus ihrem Bescheid aber nicht im Ansatz hervor. Anders als sie meint, reicht es nicht, nur ein Schlagwort zu nennen, um sich seiner Verpflichtungen nach dem UIG zu entledigen. Tatsächlich ist nicht im Ansatz erkennbar, wie es die internationalen Beziehungen beschädigen soll, wenn der Kläger erfährt, wie die Strahlenbelastung in Büchel aussieht. Dass dort Atomwaffen lagern, ist allgemein bekannt (Punkt II.2). Dass aus dem Umgang mit solchen Waffen eine Belastung der Umwelt resultieren kann, ist gleichfalls kein Geheimnis und würde im Bestreitensfall durch Sachverständigengutachten erwiesen. Damit bleibt als Information, die überhaupt Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Beklagten haben könnte, wie es sich mit diesen Belastungen (und anderen Umweltbelastungen) genau verhält. Dass diese Informationen sich negativ auf die diplomatischen Beziehungen Deutschlands auswirken könnten, ist aber schlechthin nicht vorstellbar und entsprechend auch nicht dargelegt. Dies gilt auch für die ebenfalls erwähnten Verteidigungsbelange. Die Beklagte übersieht, dass der Ablehnungsgrund nicht schon vorliegt, wenn der Informationsanspruch sich überhaupt auf militärische Anlagen oder Einrichtungen bezieht (Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Losebl., § 8 UIG, Rdnr. 15). Sie muss präzise darlegen, was für re| Rechtsanwälte 8
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Verteidigungsbelange sie gefährdet sieht. Daran fehlt es hier nicht nur. Es ist auch nicht ersichtlich, was die Beklagte meinen könnte. Eine Ablehnung mit dieser Begründung setzt die berechtigte Befürchtung voraus, dass infolge der Bekanntgabe Nachteile für die Wirksamkeit und Effektivität militärischer Einrichtungen und potentieller Verteidigungshandlungen entstehen (so Reidt/Schiller, a. a. O., Rdnr. 14). Dies ist indes nicht vorstellbar. Dass es in Büchel Atomwaffen gibt, ist – siehe oben – bekannt. Die Informationserteilung, wie sich diese auf die Umwelt auswirken, steht in keinem Verhältnis zu den Verteidigungsbelangen der Beklagten. Dasselbe gilt für die bedeutsamen Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, auf die die Beklagte sich weiter beruft. Diese würden sie nur dann legitimieren, den Informationsantrag des Klägers abzulehnen, wenn eine „schwere tatsächliche Gefährdung von Grundinteressen der Gesellschaft“ vorliegen würde (BT-Drs. 12/7138, S. 13 zu § 7 UIG a.F.; s. auch EuGH vom 04.12.1974 – Rs. 41/74, Slg. 1974, 1337, 1350; EuGH vom 28.10.1975 – Rs. 36/75, Slg. 1975, 1219, 1231; EuGH vom 27.10.1977 – Rs. 30/77, Slg. 1977, 1999, 2013. Eine solche ist aber weder dargelegt, noch ist sie naheliegend oder gar offenkundig. Ein Anspruch auf Information nach § 3 Abs. 1 UIG ist demnach gegeben. Auf einen Ablehnungsgrund nach § 3 IFG kommt es nach alledem nicht mehr an. Selbst wenn dem so wäre, wäre die Klage indes begründet, da auch die Voraussetzungen der Ablehnung nach § 3 IFG nicht vorliegen. Sofern dies nach Ansicht des Gerichts der Fall sein sollte, bittet der Kläger ausdrücklich um rechtlichen Hinweis und Gelegenheit zur Stellungnahme. c. Überwiegen des Informationsinteresses Selbst wenn ein Ablehnungsgrund vorliegen würde, würde das Informationsinteresse nach § 8 Abs. 1 a. E. UIG überwiegen. Denn hier liegt ein besonderes Interesse der Öffentlichkeit vor. Dies ist der Fall, wenn die im 1. Erwägungsgrund nach der Umweltinformationsrichtlinie verfolgten Ziele in besonderem Maße gegeben sind (so Reidt/Schiller, a. a. O:, § 8 UIG, Rdnr. 49.). Dies ist hier der Fall. Die Richtlinie dient dem erweiterten Zugang der Öffentlichkeit zu umweltbezogenen Informationen und der Verbreitung dieser Informationen, um das Umweltbewusstsein zu schärfen, einen freien Meinungsaustausch und eine wirksame Teilnahme der Öffentlichkeit an re| Rechtsanwälte 9
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Entscheidungsprozessen zu Umweltfragen zu ermöglichen und letztendlich so den Umweltschutz zu verbessern. In diesem Fall geht es um Umweltinformationen, zu denen die Öffentlichkeit keinen Zugang hat. Der Kläger kann die verlangten Informationen nicht selbst – etwa durch Begehung, Probennahme oder Messung – erlangen. Schon dies erhöht das Interesse der Öffentlichkeit, solche Daten zumindest indirekt über die Beklagte selbst zu erlangen. Dies gilt um so mehr, als dass die verlangten Daten für die Öffentlichkeit von größtem Interesse sind. Radioaktive Substanzen, aber auch andere Rückstände von Kampfmitteln, gelten als potentiell kanzerogen. Möglicherweise wirken sich auch noch weitere, bisher nicht offengelegte Informationen auf das Grundwasser aus. Dies ist nicht nur relevant für die Bewohner von Büchel. Die Frage, wie die Öffentlichkeit sich zu Atomwaffen speziell positioniert, aber auch, wie sie die Bundeswehr und ihre Aufgabeerfüllung generell unter ökologischen Aspekten beurteilt, hängt maßgeblich von dem Status Quo ab. Diesen darf die Beklagte deswegen nicht verstecken. d. Rechtswidrigkeit des Veröffentlichungsverbots Auch das Verbot, die bereits erhaltenen Informationen zu veröffentlichen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Eine Ermächtigungsgrundlage für das Veröffentlichungsverbot ist nicht ersichtlich. Insbesondere stehen einer Veröffentlichung keine datenschutzrechtlichen Belange entgegen. Denn personenbezogene Daten sind nicht betroffen. Diese – vor allem Namen – hat die Beklagte bereits selbst geschwärzt (vgl. hierzu Anlagenkonvolut K 5). Andere, einer Veröffentlichung entgegenstehende Gründe sind gleichfalls nicht ersichtlich: Ein Urheberrecht kommt schon mangels Schöpfungshöhe nicht in Frage. Andere, einer Veröffentlichung entgegenstehende Gründe sind erst recht nicht absehbar. Dr. Miriam Vollmer Rechtsanwältin | Fachanwältin für Verwaltungsrecht re| Rechtsanwälte 10
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Neuer Antrag RWE will Grundwasser aus dem Tagebau Hambach abpumpen

RWE plant, Grundwasser im Tagebau Hambach bis ins Jahr 2030 abzupumpen. Wir veröffentlichen den Antrag an die zuständige Behörde. Noch bis zum 5. August können Einwände gegen die Maßnahme vorgebracht werden.