Warum die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung kein Geld bekommen darf
Derzeit verhandelt die Ampel-Koalition über ein Gesetz für die parteinahen Stiftungen von SPD, CDU und Co. Eine neue Studie analysiert die Bildungsarbeit der AfD-Stiftung – und zeigt, warum sie auf keinen Fall staatliche Förderung erhalten darf.

700 Millionen Euro erhalten die Stiftungen der demokratischen Parteien im Bundestag bisher jährlich, Tendenz steigend. Im Frühjahr urteilte das Bundesverfassungsgericht allerdings, dass die staatliche Förderung der Stiftungen verfassungswidrig ist, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Das will die Ampel-Koalition jetzt nachholen und verhandelt über ein Stiftungsfinanzierungsgesetz. Im Mittelpunkt der Beratungen steht auch die Frage, wie das Gesetz die Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) ausschließen kann.
Eine neue Studie von Arne Semsrott und Matthias Jakubowski für die Otto Brenner Stiftung analysiert ausführlich die Bildungsarbeit der DES. Zentraler Befund: Personal und Referent:innen der Stiftung sind tief in den Netzwerken der antidemokratischen Neuen Rechten verwurzelt. Die Finanzierung der DES durch Steuermittel kann verhindert werden, wenn die Förderung der Grund- und Menschenrechte als Entscheidungskriterium festgeschrieben wird. Dabei sollte auch bedacht werden, dass der zunehmende Extremismus in der AfD zur weiteren Radikalisierung der Stiftung beiträgt.
Bereits vor zwei Jahren hatten wir die Strukturen der DES beleuchtet und aufgezeigt, wie intransparent und informell die Finanzierung der Stiftungen bisher ablief. Ein Stiftungsfinanzierungsgesetz müsste dies ändern.
OBS-Arbeitspapier 61 Arne Semsrott, Matthias Jakubowski Desiderius-Erasmus- Stiftung Immer weiter nach rechts außen IG METALL EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER STIFTUNG Gliederungsname FRANKFURT AM MAIN 2023

OBS-Arbeitspapier 61 ISSN: 2365-1962 (nur online) Herausgeber: Otto Brenner Stiftung Jupp Legrand Wilhelm-Leuschner-Straße 79 D-60329 Frankfurt am Main Tel.: 069-6693-2810 Hinweis zu den Nutzungsbedingungen: Fax: 069-6693-2786 E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de www.otto-brenner-stiftung.de Dieses Arbeitspapier ist unter der Creative Commons Autoren: „Namensnennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter Arne Semsrott gleichen Bedingungen 4.0 International“-Lizenz (CC BY-NC- E-Mail: arne.semsrott@okfn.de SA 4.0) veröffentlicht. Twitter/X: @arnesemsrott Die Inhalte sowie Grafiken und Abbildungen dürfen, sofern Matthias Jakubowski nicht anders angegeben, in jedwedem Format oder Medium E-Mail: matthias.jakubowski@posteo.de vervielfältigt und weiterverbreitet, geremixt und verändert Twitter/X: @tiisbosbi werden, sofern keine Nutzung für kommerzielle Zwecke stattfindet. Ferner müssen angemessene Urheber- und Redaktion & Lektorat: Rechteangaben gemacht, ein Link zur Lizenz beigefügt und Robin Koss (OBS) angeben werden, ob Änderungen vorgenommen wurden. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenz Satz und Gestaltung: information auf https://creativecommons.org/licenses/ Isabel Grammes, think and act by-nc-sa/4.0/deed.de Druck: AC medienhaus GmbH, Wiesbaden In den Arbeitspapieren werden die Ergebnisse der For- schungsförderung der Otto Brenner Stiftung dokumentiert Titelbild: und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Inhalte Florian Gaertner/picture alliance/photothek sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich. Redaktionsschluss: Download und weitere Informationen: 11. September 2023 www.otto-brenner-stiftung.de

Vorwort Vorwort Mit großem Verve ist die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im späten Herbst 2021 in die Regierungsarbeit gestartet. „Mehr Fortschritt wagen“, das Motto des Koali tionsvertrages, weist die Richtung. Da die „pluralistische, freiheitliche Demokratie“ unter Druck geraten sei, stellt die „Fortschrittskoalition“ auch die Bedeutung von politischer Bildungsarbeit und Demokratieförderung heraus. Das Ziel ist unmissverständlich. Un- ter Einbeziehung aller demokratische Fraktionen sei die „Arbeit und Finanzierung der politischen Stiftungen“ abzusichern. Das Zeichen, die warnenden Stimmen aus der Zivilgesellschaft gehört zu haben, war gesetzt: Um zu verhindern, dass die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) Steuergelder in Millionenhöhe für ihre antidemokra tische Arbeit erhält, sollte ein Gesetz zur Finanzierung der parteinahen Stiftungen auf den Weg gebracht werden. Wirft man Mitte September 2023 den Blick auf diesen Anspruch aus dem Koalitions- vertrag, droht sich Resignation einzustellen: Für die politische Bildungsarbeit sieht der Entwurf für den Haushalt 2024 einschneidende Kürzungen vor. Beim Thema Stiftungs- finanzierungsgesetz herrscht Schweigen. Bis zu unserem Redaktionsschluss liegt kein öffentlicher Entwurf vor. Die Untätigkeit von Parlament und Regierung wurde im Februar dieses Jahres auch vom Bundesverfassungsgericht angemahnt: Karlsruhe hat geurteilt, dass die DES ohne klare Kriterien und ohne gesetzliche Grundlagen, die für alle gelten, nicht von der staatlichen Stiftungsfinanzierung durch Steuergelder ausgeschlossen werden kann. Mit dem Urteil ist die Strategie der Regierungskoalition gescheitert, die Gesetzesfrage auf die lange Bank zu schieben. Zudem wurde der AfD und ihrer Stiftung zumindest ein Teilerfolg ermöglicht. Die DES steht dem Ziel einer Finanzierung durch öffentliche Mittel derzeit so nah wie nie zuvor: Sollte der Bundestag bis zur Verabschiedung des Gesetzes über den Bundeshaushalt 2024 im November kein Stiftungsfinanzierungsgesetz verab- schieden, wird die DES im Haushalt berücksichtigt werden müssen – oder würde eine Finanzierung voraussichtlich problemlos vor Gericht durchsetzen können. Steuergelder für Antidemokraten: Auf diese Gefahr hat ein breites zivilgesellschaft liches Bündnis frühzeitig hingewiesen. Gemeinsam mit Arne Semsrott und Matthias Jakubowski haben wir im Herbst 2021 eine investigative Recherche zur Vorgeschichte und den Zielen der DES veröffentlicht. Gezeigt wurde u. a., dass zentrale DES-Akteur:innen fest in den Netzwerken der Neuen Rechten verankert sind. Eine intensive Auseinandersetzung 1

Desiderius-Erasmus-Stiftung mit den handelnden Personen der DES und ihren Positionen ist eine notwendige Grund lage dafür, der Stiftung die Finanzierung durch staatliche Mittel verwehren zu können. Das ist der Ausgangspunkt unseres zweiten Arbeitspapiers zur DES. In ihm beleuchten unsere OBS-Autoren die Entwicklungen der Stiftung seit 2021. Und richten die Scheinwerfer der Öffentlichkeit erstmals auf einen Bereich, den die DES besonders im Dunkeln zu halten versucht: ihre konkrete Bildungsarbeit. Rund 200 Veranstaltungen hat die DES nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung organisiert, 67 von diesen wurden für dieses Arbeitspapier recherchiert, analysiert und kontextualisiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Stiftung radikal rechten Positionen nicht nur eine Bühne bietet, vielmehr ist ihre Ausrichtung und ihr Personal extrem rechts. Sowohl das Stiftungspersonal als auch Referent:innen sind tief in den Netzwerken der Neuen Rechten verwurzelt, inhaltlich verbreiten sie deren zentralen ideologischen Ele- mente, strategisch streben sie nach Vernetzung mit konservativen Kräften. Die Zeit drängt. Die einzige tragfähige Lösung für einen finanziellen Ausschluss ist ein Gesetz, das allgemeine Kriterien für die Förderfähigkeit der Stiftungen definiert. Überzeu- gend argumentieren die Autoren, nicht auf den sicherheitsbehördlichen Begriff der frei- heitlich demokratischen Grundordnung zurückzugreifen, sondern die aktive Förderung der Grund- und Menschenrechte als zentrales Kriterium für die Stiftungsfinanzierung zu definieren. Ein Ausschluss der DES aus der staatlichen Finanzierung parteinaher Stif- tungen ist verfassungsrechtlich geboten, politisch möglich und strategisch erforderlich. Allerdings dürften die gesellschaftspolitischen Bestrebungen der DES, weiter poli- tische Radikalisierung zu betreiben und gesellschaftliche Spaltung mittels staatlicher Finanzierung auszubauen, nicht zur Ruhe kommen. Umso mehr stehen Regierung und Parlament in der Pflicht, schnell, überzeugend und nachhaltig alle gesetzgeberischen Mittel auszuschöpfen, um zu erreichen, dass die DES keine staatlichen Mittel erhält. Stiftung und Autoren hoffen, mit der Untersuchung nicht nur nachhaltige Anstöße für den Gesetzgebungsprozess zu geben, sondern auch wichtige Erkenntnisse für die weitere Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten zu liefern. Denn die DES muss in einem ge- samtgesellschaftlichen Kontext betrachtet werden, in dem immer mehr Tabus verschoben werden, rechte Gewalt weiter zunimmt und eine radikalisierte AfD in Umfragen so gut dasteht wie nie zuvor. Jupp Legrand Geschäftsführer der OBS Frankfurt am Main, im September 2023 2

Inhalt Inhalt 1 Jetzt geht’s ums Geld................................................................................................ 4 2 Die DES im Jahr 2023.................................................................................................7 2.1 Wer führt?.......................................................................................................................8 2.2 Extrem rechte Strategiekämpfe...................................................................................... 12 3 Akteur:innen der Bildungsarbeit.............................................................................. 15 3.1 Ein Wochenende im Raum Koblenz................................................................................. 16 3.2 Bildungsarbeit durch AfD-Funktionäre........................................................................... 18 3.3 Bildungsarbeit durch Vertreter:innen der Neuen Rechten................................................ 21 4 Themen der Bildungsarbeit..................................................................................... 28 4.1 Identitäre Sprachpolitik.................................................................................................28 4.2 Gender und Antifeminismus........................................................................................... 29 4.3 (Alternative) Medien.......................................................................................................31 4.4 Klima und Energie..........................................................................................................31 4.5 Demografie und Migration............................................................................................. 32 4.6 Globalisierung und Nationale Souveränität.................................................................... 34 Exkurs: Die Hochschule als Ort der Auseinandersetzung................................................ 35 5 Bewertung und Handlungsoptionen.........................................................................37 Literaturverzeichnis.............................................................................................................. 40 Tabelle: Vorträge und Veranstaltungen der DES seit November 2021....................................... 50 Hinweise zu den Autoren....................................................................................................... 55 3

Desiderius-Erasmus-Stiftung 1 Jetzt geht’s ums Geld Es war ein Paukenschlag für die politische Bil- kennen und für deren Erhaltung eintreten“ (Deut- dungsarbeit in Deutschland: Im Februar 2023 ur- scher Bundestag 2022a). teilte das Bundesverfassungsgericht, dass das Finanzierungssystem, mit dem der Staat zuletzt Ob der formelle Erfolg der AfD vor dem Verfas- 600 Millionen Euro im Jahr an die Stiftungen sungsgericht ihr allerdings am Ende auch nützt, der im Bundestag vertretenen demokratischen hängt von den kommenden Wochen ab. Denn Parteien ausschüttete, verfassungswidrig ist. nicht nur hat das Gericht mit seinem Urteil grund- Was in Fachkreisen seit Jahren unumstritten ist, sätzlich gebilligt, dass der Staat parteinahe Stif- hat Karlsruhe nun (endlich) geurteilt. Wenn der tungen finanziert, wenn er es denn auf einer Staat derart viel Geld an Organisationen vergibt, gesetzlichen Grundlage tut. Ausdrücklich zuge- die Parteien nahestehen, braucht es dafür eine lassen hat das Gericht auch die Möglichkeit, mit eigene gesetzliche Grundlage, Transparenz und einem Gesetz zu regeln, unter welchen Voraus- Rechenschaftspflichten (BVerfG 2023). Doch setzungen parteinahe Stiftungen eine Finanzie- hat das Urteil noch eine weitere Dimension: Es rung erhalten – und unter welchen Vorausset- bedeutet auch den vordergründigen Erfolg des zungen dies ausgeschlossen wird. Insbesondere dazugehörigen Organstreitverfahrens der AfD. den „Schutz der freiheitlichen demokratischen Mit der Entscheidung des Bundesverfassungs- Grundordnung“ hob das Gericht dabei hervor. gerichtes ist der bisherige Versuch, die Zuschüs- se an die parteinahen Stiftungen lediglich im Damit liegt es nun am Bundestag, einen Ge- Bundeshaushaltsgesetz zu regeln – und die setzentwurf vorzulegen, der nicht nur die Vo AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) raussetzungen für eine verfassungskonforme Fi- mittels eines Haushaltsvermerks von der Förde- nanzierung von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Hein- rung auszuschließen – gescheitert. Der Bundes- rich-Böll-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung, tag hatte im Haushaltsgesetz für 2023 vermerkt, Friedrich-Ebert-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stif- dass die Globalzuschüsse zur gesellschafts tung und Hanns-Seidel-Stiftung schafft, sondern politischen und demokratischen Bildungsarbeit gleichzeitig verhindert, dass die Desiderius- nur politischen Stiftungen gewährt würden, die Erasmus-Stiftung staatliche Mittel erhalten kann. „nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätig- Doch die Zeit ist knapp: Im späten Herbst steht keit jederzeit die Gewähr bieten würden, dass das neue Gesetz über den Bundeshaushalt 2024 sie sich zu der freiheitlichen demokratischen an, in dem auch wieder die Finanzierung der Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes be- parteinahen Stiftungen geregelt wird. Sollte der 4

Jetzt geht’s ums Geld Bundestag es versäumen, bis dahin ein Stiftungs Sowohl für den Gesetzentwurf als auch für die finanzierungsgesetz vorzulegen, wird die DES im ausstehenden gerichtlichen Entscheidungen Haushalt berücksichtigt werden müssen – oder spielt eine zentrale Rolle, wie die Stiftung der würde bei Nicht-Berücksichtigung eine Finan- AfD konkret arbeitet. Bereits in unserer OBS-Vor- zierung voraussichtlich problemlos vor Gericht gängerstudie zum Netzwerk der DES konnten wir durchsetzen können. Bis Redaktionsschluss aufzeigen, dass diese ein zentraler Baustein für dieser Studie ist nicht öffentlich bekannt, ob es Versuche der Neuen Rechten ist, in Deutschland bereits einen Entwurf für ein solches Gesetz der Hegemonie im vorpolitischen Raum zu erlan- Ampelkoalition gibt. Verhandlungen dazu laufen gen (Semsrott/Jakubowski 2021). Entscheiden- offenbar. Öffentlich sind bisher lediglich Entwür- de Akteur:innen der Stiftung sind teilweise seit fe aus der Zivilgesellschaft und Wissenschaft.1 Jahrzehnten äußerst gut vernetzt und organi- siert in der extremen Rechten. Entsprechend we- Gleichzeitig stehen weitere gerichtliche Ent- nig überraschend sind handelnde Akteur:innen scheidungen zur DES aus: Das Bundesverfas- immer wieder mit völkisch-nationalistischen, sungsgericht hat noch zu klären, ob aus seinem geschichtsrevisionistischen, rassistischen und Grundsatzurteil zur Verfassungswidrigkeit der antisemitischen Positionen aufgefallen. Mit einer Stiftungsfinanzierung folgt, dass die DES für das staatlichen Förderung in Millionenhöhe könnte Jahr 2022 nachträglich staatliche Mittel erhält. die DES dauerhafte Strukturen schaffen, um mit Die entsprechende Verfassungsbeschwerde der einer breit aufgestellten Bildungsarbeit derart AfD hatte das Gericht aus seinem Grundsatz menschenfeindliche Positionen der Neuen Rech- urteil ausgeklammert, um darüber gesondert zu ten2 in der Gesellschaft stärker zu verankern. entscheiden. Auch das OVG Münster muss sich noch in einem Berufungsverfahren zur Finanzie- Die konkrete Bildungsarbeit der DES wurde bis- rung der DES in den Jahren 2018, 2019 und 2021 her allerdings noch nicht systematisch beleuch- befassen (OVG Münster 5A 1882/22). In diesem tet. Diese Leerstelle füllen wir mit dem vorliegen- Verfahren hatte die DES auf dem normalen ver- den Arbeitspapier und belegen, dass die Stif- waltungsrechtlichen Weg geklagt, um eine För- tung verwirklicht, wovon Strategen der Neuen derung zu erhalten. Entscheidungen oder mög- Rechten seit Jahrzehnten träumen: Die DES soll liche Anhörungen für beide Verfahren sind noch mit ihren Veranstaltungen, Seminaren, Sympo- nicht terminiert. sien und Studien rechten Nachwuchs fördern, 1 Neben dem bereits in der Vorgängerstudie (Semsrott/Jakubowski 2021) besprochenen Policy Paper des Ex-Bundes- tagsabgeordneten Volker Beck legte Prof. Dr. Markus Ogorek von der Universität Köln im Auftrag von Campact einen eigenen Entwurf vor (Campact 2023). Frühere Gesetzentwürfe stammen aus den 1990er-Jahren (vgl. hierzu Meer- tens 2010: 26). 2 Die Neue Rechte ist ein Teilbereich der extremen Rechten; ausführlich zur Neuen Rechten: Semsrott/Jakubowski 2021: 26. 5

Desiderius-Erasmus-Stiftung menschenfeindliche Positionen vermitteln und der Stiftung und ihrer Veranstaltungen. Hierfür diese tief in die Mitte der Gesellschaft tragen. stützen wir uns auf öffentlich zugängliche Infor- mationen der Stiftung, Veröffentlichungen in den Im Folgenden zeigen wir zunächst, welche unmit- sozialen Medien sowie von Recherchegruppen telbaren Pläne die DES im Anschluss an das Urteil und der Presse. In einem weiteren Schritt kontex- des Bundesverfassungsgerichts verfolgt. Zudem tualisieren wir den Korpus der menschenfeind gehen wir auf die personellen Entwicklungen der lichen Positionen in der DES-Bildungsarbeit. Ab- Stiftung innerhalb der vergangenen zwei Jahre schließend diskutieren wir Handlungsoptionen ein, die für die weitere Ausrichtung der DES auf- von Bundesverfassungsgericht sowie Bundestag schlussreich sind. Im anschließenden Hauptteil im Zusammenhang mit der DES, die sich im An- analysieren wir die Bildungsarbeit der DES an- schluss an das Urteil zur Stiftungsfinanzierung hand einer Aufschlüsselung der Referent:innen eröffnet haben. Weitere OBS-Publikationen zum Thema: OBS-Arbeitspapier 59 Schroeder, Weßels – Radikalisiert und etabliert Semsrott/Jakubowski – Desiderius-Erasmus-Stiftung Arne Semsrott/Matthias Jakubowski OBS-Arbeitspapier 59 OBS-Arbeitspapier 51 apier 51 asmus-Stiftung dung von Rechtsaußen Wolfgang Schroeder, OBS-Arbeitspapier 59 Bernhard Weßels Desiderius-Erasmus-Stiftung Radikalisiert Politische Bildung und etabliert von Rechtsaußen Radikalisiert und Die AfD vor dem Superwahljahr 2024 etabliert 51 Die AfD vor dem Superwahljahr 2024 pier pa its Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung be Ar IG METALL www.otto-brenner-stiftung.de Frankfurt am Main 2021 S- EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER STIFTUNG OB Gliederungsname www.otto-brenner-stiftung.de FRANKFURT AM MAIN 2023 Kostenloser Download unter: Kostenloser Download unter: https://www.otto-brenner-stiftung.de/ https://www.otto-brenner-stiftung.de/ des afd-radikalisiert-und-etabliert/ 6

Die DES im Jahr 2023 2 Die DES im Jahr 2023 Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gleich große Stiftungen, würde sie nach ihren zur Stiftungsfinanzierung witterte die Desiderius- Aufbaujahren mit reduziertem Budget mittelfris- Erasmus-Stiftung im Frühjahr 2023 Morgen- tig ebenfalls zwischen 56 Millionen Euro (Hein- luft: Zwei Wochen nach dem Urteil stellte die rich-Böll-Stiftung 2020) und 80 Millionen Euro DES-Vorsitzende Erika Steinbach Anträge an (Rosa-Luxemburg-Stiftung 2020) Bundesförde- das Bundesverwaltungsamt, um bisher nicht rung aus den verschiedenen Budgets der Bun- gezahlte staatliche Mittel an die DES für die desministerien erhalten können.4 Alleine durch Jahre 2019, 2020 und 2021 einzufordern (Stein- die Globalzuschüsse des Bundesinnenministe- bach 2023). Zudem kündigte Steinbach an, die riums erhielten die vier kleineren Stiftungen von Argumentation des Bundesverfassungsgerichts FDP, Grünen, CSU und Linkspartei im Jahr 2022 auch in das noch laufende Gerichtsverfahren je zwischen 13,3 und 16,3 Millionen Euro (Deut- der Stiftung gegen das Bundesverwaltungsamt scher Bundestag 2022f ). vor dem Oberverwaltungsgericht Münster ein- zubringen (DES 2023). Im Verfahren vor dem Das Geld aus dem staatlichen Fördertopf will die Bundesverfassungsgericht hatten AfD und DES DES nutzen, um ihre Arbeit nach vielen Jahren wiederholt betont, dass sie ein Anrecht auf staat- der Planung professionalisieren und skalieren liche Förderung hätten. Dabei geht es pro Jahr 3 zu können – oder, in den Worten Erika Stein- um viele Millionen Euro: Für das Jahr 2022 be- bachs, „die geistigen Grundlagen für eine politi- antragte die AfD-Bundestagsfraktion im Haus- sche Erneuerung unseres Landes“ zu legen (DES haltsausschuss beispielsweise 7,854 Millionen 2022b). In einem Konzeptpapier plante die DES, Euro, für das Jahr 2023 schon 11,691 Millionen zukünftig pro Jahr bundesweit rund 500 Semina- Euro (Deutscher Bundestag 2022h). Die Anträge re anzubieten (Pittelkow/Riedel 2018). Ebenfalls wurden vom Ausschuss genauso abgelehnt wie wurde anvisiert, Stipendien zu vergeben und ein der Antrag der AfD, die Globalzuschüsse an die AfD-Parteiarchiv aufzubauen. Nach Aussagen anderen parteinahen Stiftungen um 40 Prozent Steinbachs ist dies der DES derzeit finanziell je- zu kürzen (Deutscher Bundestag 2022b). Wür- doch noch nicht möglich (DES 2022a). Gleiches de die AfD-nahe Stiftung behandelt wie andere gelte auch für das neuere Ziel, Auslandskontakte 3 Sämtliche Schriftsätze des Verfahrens sind zu finden auf https://fragdenstaat.de/dokumente/sammlung/132-des- bundesverfassungsgericht/. 4 Die Unterschiede in der Finanzierung sind teils auch über temporäre Zuschüsse für Bauvorhaben zu erklären. 7

Desiderius-Erasmus-Stiftung herzustellen. Hatte es aus der Stiftung heraus 2022 amtierender Landesgeschäftsführer der anfänglich noch geheißen, man plane aufgrund AfD Niedersachsen. Er wurde im Februar 2022 ideologischer Vorbehalte keine Büros im Aus- in den Förderkreis aufgenommen (Stober 2023). land (Pittelkow/Riedel 2018; DES 2020a), deuten Stober steht zentralen Personen in der AfD nahe, jüngere Aussagen darauf hin, dass die DES bald die zu den inzwischen offiziell aufgelösten Netz- auch ihre Fühler etwa in die Nachfolgestaaten werken Patriotische Plattform und Flügel gehör- des ehemaligen Jugoslawiens ausstrecken könn- ten. So teilte er auf Twitter Inhalte der extrem te, wohin Akteur:innen der Stiftung gute Kon- rechten Hans-Thomas Tillschneider und Andreas takte haben (Lazarević 2022). Passend zu die- Kalbitz, aber auch von Ein-Prozent-Aktivist Si- sen Plänen, trat die DES Steinbach zufolge im mon Kaupert, als dieser im September 2022 vom März 2023 der Stiftung der rechten Identity and ‚Preußenfest‘ der AfD mit Björn Höcke in Schnell- Democracy-Fraktion (ID) im Europaparlament roda berichtete. Nachdem der AfD-Landespar- bei. Und kam damit sogar der AfD-Bundespartei teitag in Niedersachsen im Mai 2022 der – nach zuvor. Diese entschied erst auf ihrem Parteitag Beobachtung durch den Verfassungsschutz und Ende Juli 2023 in Magdeburg über den Beitritt darauffolgender Selbstauflösung im Jahr 2018 – zur ID-Fraktion. neu gegründeten Jungen Alternative (JA) den Sta- tus als Jugendorganisation der Partei absprach Schenkt man den Auskünften Steinbachs Glau- (Speit 2022a), solidarisierte sich Stober mit der ben, dann werden die Aufgaben der DES derzeit JA und teilte u. a. einen Tweet mit dem Inhalt weitestgehend ehrenamtlich geleistet, darunter „Höcke! [...] JA zur Jungen Alternative“. auch die Organisation der bisher rund 200 statt- gefundenen DES-Bildungsveranstaltungen. Die- 2.1 Wer führt? se seien bis zum heutigen Tag ohne öffentliche Mittel durch die Hilfe „vieler Spender und Freun- Nicht nur die Förder:innen haben einen festen de“ durchgeführt worden, wie Erika Steinbach Stamm, auch der Stamm des Stiftungspersonals anlässlich der Feierlichkeiten zum 5-jährigen bleibt bisher relativ stabil. So haben sich in den Bestehen der Stiftung verkündete (DES 2022b). vergangenen beiden Jahren personell nur weni- Doch wie bei so gut wie allen Fragen rund um ge Veränderungen im Vorstand der DES ergeben. die DES fehlt es auch hier an Transparenz. Es Der amtierende Vorstand wurde im September gibt über diesen Förderkreis fast keine Informa- 2021 in Frankfurt am Main gewählt, im Vereins tionen, weder über einen Großteil der Mitglieder register sind die Änderungen seit Februar 2022 noch über ihre Anzahl. Vieles spricht dafür, dass eingetragen. Angelika Wöhler-Geske, ehemalige es sich um einen festen Stamm von Förder:innen AfD-Mitarbeiterin in Kiel, ersetzte im Vorstand handelt, über deren Aufnahme die Stiftung nach Jan Moldenhauer. Das Ex-CDU-Mitglied Stein- Antragstellung entscheidet. Einer, der dies öf- bach – inzwischen der AfD beigetreten – bleibt fentlich gemacht hat, ist Tobias Stober, seit April als Vorsitzende das sichtbarste Gesicht der DES 8
