Neue Studie bei der Otto Brenner StiftungWarum die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung kein Geld bekommen darf

Derzeit verhandelt die Ampel-Koalition über ein Gesetz für die parteinahen Stiftungen von SPD, CDU und Co. Eine neue Studie analysiert die Bildungsarbeit der AfD-Stiftung – und zeigt, warum sie auf keinen Fall staatliche Förderung erhalten darf.

-

700 Millionen Euro erhalten die Stiftungen der demokratischen Parteien im Bundestag bisher jährlich, Tendenz steigend. Im Frühjahr urteilte das Bundesverfassungsgericht allerdings, dass die staatliche Förderung der Stiftungen verfassungswidrig ist, weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gibt. Das will die Ampel-Koalition jetzt nachholen und verhandelt über ein Stiftungsfinanzierungsgesetz. Im Mittelpunkt der Beratungen steht auch die Frage, wie das Gesetz die Finanzierung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) ausschließen kann.

Eine neue Studie von Arne Semsrott und Matthias Jakubowski für die Otto Brenner Stiftung analysiert ausführlich die Bildungsarbeit der DES. Zentraler Befund: Personal und Referent:innen der Stiftung sind tief in den Netzwerken der antidemokratischen Neuen Rechten verwurzelt. Die Finanzierung der DES durch Steuermittel kann verhindert werden, wenn die Förderung der Grund- und Menschenrechte als Entscheidungskriterium festgeschrieben wird. Dabei sollte auch bedacht werden, dass der zunehmende Extremismus in der AfD zur weiteren Radikalisierung der Stiftung beiträgt.

Bereits vor zwei Jahren hatten wir die Strukturen der DES beleuchtet und aufgezeigt, wie intransparent und informell die Finanzierung der Stiftungen bisher ablief. Ein Stiftungsfinanzierungsgesetz müsste dies ändern.

zur Studie bei der Otto Brenner Stiftung

/ 60
PDF herunterladen
OBS-Arbeitspapier 61




Arne Semsrott,
Matthias Jakubowski


Desiderius-Erasmus-
Stiftung
Immer weiter nach rechts außen

                                                             IG METALL
                                 EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER  STIFTUNG
                                                       Gliederungsname
                                                FRANKFURT AM MAIN 2023
1

OBS-Arbeitspapier 61
ISSN: 2365-1962 (nur online)


Herausgeber:
Otto Brenner Stiftung
Jupp Legrand
Wilhelm-Leuschner-Straße 79
D-60329 Frankfurt am Main
Tel.: 069-6693-2810                           Hinweis zu den Nutzungsbedingungen:
Fax: 069-6693-2786
E-Mail: info@otto-brenner-stiftung.de
www.otto-brenner-stiftung.de
                                              Dieses Arbeitspapier ist unter der Creative Commons
Autoren:                                      „Namens­nennung – Nicht-kommerziell – Weitergabe unter
Arne Semsrott                                 gleichen Bedingungen 4.0 International“-Lizenz (CC BY-NC-
E-Mail: arne.semsrott@okfn.de                 SA 4.0) veröffentlicht.
Twitter/X: @arnesemsrott
                                              Die Inhalte sowie Grafiken und Abbildungen dürfen, sofern
Matthias Jakubowski                           nicht anders angegeben, in jedwedem Format oder Medium
E-Mail: matthias.jakubowski@posteo.de         vervielfältigt und weiterverbreitet, geremixt und verändert
Twitter/X: @tiisbosbi                         werden, sofern keine Nutzung für kommerzielle Zwecke
                                              stattfindet. Ferner müssen angemessene Urheber- und
Redaktion & Lektorat:                         Rechteangaben gemacht, ein Link zur Lizenz beigefügt und
Robin Koss (OBS)                              angeben werden, ob Änderungen vorgenommen wurden.
                                              Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenz­
Satz und Gestaltung:                          information auf https://creativecommons.org/licenses/
Isabel Grammes, think and act                 by-nc-sa/4.0/deed.de

Druck:
AC medienhaus GmbH, Wiesbaden                 In den Arbeitspapieren werden die Ergebnisse der For-
                                              schungsförderung der Otto Brenner Stiftung dokumentiert
Titelbild:                                    und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Für die Inhalte
Florian Gaertner/picture alliance/photothek   sind die Autorinnen und Autoren verantwortlich.

Redaktionsschluss:                            Download und weitere Informationen:
11. September 2023                            www.otto-brenner-stiftung.de
2

Vorwort




Vorwort



     Mit großem Verve ist die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im späten Herbst
     2021 in die Regierungsarbeit gestartet. „Mehr Fortschritt wagen“, das Motto des Koali­
     tionsvertrages, weist die Richtung. Da die „pluralistische, freiheitliche Demokratie“ unter
     Druck geraten sei, stellt die „Fortschrittskoalition“ auch die Bedeutung von politischer
     Bildungsarbeit und Demokratieförderung heraus. Das Ziel ist unmissverständlich. Un-
     ter Einbeziehung aller demokratische Fraktionen sei die „Arbeit und Finanzierung der
     poli­tischen Stiftungen“ abzusichern. Das Zeichen, die warnenden Stimmen aus der
     Zivil­gesellschaft gehört zu haben, war gesetzt: Um zu verhindern, dass die AfD-nahe
     Desiderius-­Erasmus-Stiftung (DES) Steuergelder in Millionenhöhe für ihre antidemokra­
     tische Arbeit erhält, sollte ein Gesetz zur Finanzierung der parteinahen Stiftungen auf den
     Weg gebracht werden.
          Wirft man Mitte September 2023 den Blick auf diesen Anspruch aus dem Koalitions-
     vertrag, droht sich Resignation einzustellen: Für die politische Bildungsarbeit sieht der
     Entwurf für den Haushalt 2024 einschneidende Kürzungen vor. Beim Thema Stiftungs-
     finanzierungsgesetz herrscht Schweigen. Bis zu unserem Redaktionsschluss liegt kein
     öffentlicher Entwurf vor.
          Die Untätigkeit von Parlament und Regierung wurde im Februar dieses Jahres auch vom
     Bundesverfassungsgericht angemahnt: Karlsruhe hat geurteilt, dass die DES ohne klare
     Kriterien und ohne gesetzliche Grundlagen, die für alle gelten, nicht von der staatlichen
     Stiftungsfinanzierung durch Steuergelder ausgeschlossen werden kann.
          Mit dem Urteil ist die Strategie der Regierungskoalition gescheitert, die Gesetzesfrage
     auf die lange Bank zu schieben. Zudem wurde der AfD und ihrer Stiftung zumindest ein
     Teilerfolg ermöglicht. Die DES steht dem Ziel einer Finanzierung durch öffentliche Mittel
     derzeit so nah wie nie zuvor: Sollte der Bundestag bis zur Verabschiedung des Gesetzes
     über den Bundeshaushalt 2024 im November kein Stiftungsfinanzierungsgesetz verab-
     schieden, wird die DES im Haushalt berücksichtigt werden müssen – oder würde eine
     Finanzierung voraussichtlich problemlos vor Gericht durchsetzen können.
          Steuergelder für Antidemokraten: Auf diese Gefahr hat ein breites zivilgesellschaft­
     liches Bündnis frühzeitig hingewiesen. Gemeinsam mit Arne Semsrott und Matthias
     Jakubowski haben wir im Herbst 2021 eine investigative Recherche zur Vorgeschichte und
     den Zielen der DES veröffentlicht. Gezeigt wurde u. a., dass zentrale DES-Akteur:innen fest
     in den Netzwerken der Neuen Rechten verankert sind. Eine intensive Auseinandersetzung


                                                                                                1
3

Desiderius-Erasmus-Stiftung




mit den handelnden Personen der DES und ihren Positionen ist eine notwendige Grund­
lage dafür, der Stiftung die Finanzierung durch staatliche Mittel verwehren zu können. Das
ist der Ausgangspunkt unseres zweiten Arbeitspapiers zur DES. In ihm beleuchten unsere
OBS-Autoren die Entwicklungen der Stiftung seit 2021. Und richten die Scheinwerfer der
Öffentlichkeit erstmals auf einen Bereich, den die DES besonders im Dunkeln zu halten
versucht: ihre konkrete Bildungsarbeit.
    Rund 200 Veranstaltungen hat die DES nach eigenen Angaben seit ihrer Gründung
organisiert, 67 von diesen wurden für dieses Arbeitspapier recherchiert, analysiert und
kontextualisiert. Die Ergebnisse zeigen, dass die Stiftung radikal rechten Positionen
nicht nur eine Bühne bietet, vielmehr ist ihre Ausrichtung und ihr Personal extrem rechts.
Sowohl das Stiftungspersonal als auch Referent:innen sind tief in den Netzwerken der
Neuen Rechten verwurzelt, inhaltlich verbreiten sie deren zentralen ideologischen Ele-
mente, strategisch streben sie nach Vernetzung mit konservativen Kräften.
    Die Zeit drängt. Die einzige tragfähige Lösung für einen finanziellen Ausschluss ist ein
Gesetz, das allgemeine Kriterien für die Förderfähigkeit der Stiftungen definiert. Überzeu-
gend argumentieren die Autoren, nicht auf den sicherheitsbehördlichen Begriff der frei-
heitlich demokratischen Grundordnung zurückzugreifen, sondern die aktive Förderung
der Grund- und Menschenrechte als zentrales Kriterium für die Stiftungsfinanzierung zu
definieren. Ein Ausschluss der DES aus der staatlichen Finanzierung parteinaher Stif-
tungen ist verfassungsrechtlich geboten, politisch möglich und strategisch erforderlich.
    Allerdings dürften die gesellschaftspolitischen Bestrebungen der DES, weiter poli-
tische Radikalisierung zu betreiben und gesellschaftliche Spaltung mittels staatlicher
Finanzierung auszubauen, nicht zur Ruhe kommen. Umso mehr stehen Regierung und
Parlament in der Pflicht, schnell, überzeugend und nachhaltig alle gesetzgeberischen
Mittel auszuschöpfen, um zu erreichen, dass die DES keine staatlichen Mittel erhält.
    Stiftung und Autoren hoffen, mit der Untersuchung nicht nur nachhaltige Anstöße für
den Gesetzgebungsprozess zu geben, sondern auch wichtige Erkenntnisse für die weitere
Auseinandersetzung mit der Neuen Rechten zu liefern. Denn die DES muss in einem ge-
samtgesellschaftlichen Kontext betrachtet werden, in dem immer mehr Tabus verschoben
werden, rechte Gewalt weiter zunimmt und eine radikalisierte AfD in Umfragen so gut
dasteht wie nie zuvor.




Jupp Legrand
Geschäftsführer der OBS			                         Frankfurt am Main, im September 2023



2
4

Inhalt




Inhalt



         1   Jetzt geht’s ums Geld................................................................................................ 4


         2   Die DES im Jahr 2023.................................................................................................7
             2.1 Wer führt?.......................................................................................................................8

             2.2 Extrem rechte Strategiekämpfe...................................................................................... 12


         3   Akteur:innen der Bildungsarbeit.............................................................................. 15
             3.1 Ein Wochenende im Raum Koblenz................................................................................. 16

             3.2 Bildungsarbeit durch AfD-Funktionäre........................................................................... 18

             3.3 Bildungsarbeit durch Vertreter:innen der Neuen Rechten................................................ 21


         4   Themen der Bildungsarbeit..................................................................................... 28
             4.1 Identitäre Sprachpolitik.................................................................................................28

             4.2 Gender und Antifeminismus........................................................................................... 29

             4.3 (Alternative) Medien.......................................................................................................31

             4.4 Klima und Energie..........................................................................................................31

             4.5 Demografie und Migration............................................................................................. 32

             4.6 Globalisierung und Nationale Souveränität.................................................................... 34

                  Exkurs: Die Hochschule als Ort der Auseinandersetzung................................................ 35


         5   Bewertung und Handlungsoptionen.........................................................................37


             Literaturverzeichnis.............................................................................................................. 40

             Tabelle: Vorträge und Veranstaltungen der DES seit November 2021....................................... 50

             Hinweise zu den Autoren....................................................................................................... 55




                                                                                                                                                 3
5

Desiderius-Erasmus-Stiftung




1 Jetzt geht’s ums Geld



Es war ein Paukenschlag für die politische Bil-     kennen und für deren Erhaltung eintreten“ (Deut-
dungsarbeit in Deutschland: Im Februar 2023 ur-     scher Bundestag 2022a).
teilte das Bundesverfassungsgericht, dass das
Finanzierungssystem, mit dem der Staat zuletzt      Ob der formelle Erfolg der AfD vor dem Verfas-
600 Millionen Euro im Jahr an die Stiftungen        sungsgericht ihr allerdings am Ende auch nützt,
der im Bundestag vertretenen demokratischen         hängt von den kommenden Wochen ab. Denn
Parteien ausschüttete, verfassungswidrig ist.       nicht nur hat das Gericht mit seinem Urteil grund-
Was in Fachkreisen seit Jahren unumstritten ist,    sätzlich gebilligt, dass der Staat parteinahe Stif-
hat Karlsruhe nun (endlich) geurteilt. Wenn der     tungen finanziert, wenn er es denn auf einer
Staat derart viel Geld an Organisationen vergibt,   gesetzlichen Grundlage tut. Ausdrücklich zuge-
die Parteien nahestehen, braucht es dafür eine      lassen hat das Gericht auch die Möglichkeit, mit
eigene gesetzliche Grundlage, Transparenz und       einem Gesetz zu regeln, unter welchen Voraus-
Rechenschaftspflichten (BVerfG 2023). Doch          setzungen parteinahe Stiftungen eine Finanzie-
hat das Urteil noch eine weitere Dimension: Es      rung erhalten – und unter welchen Vorausset-
bedeutet auch den vordergründigen Erfolg des        zungen dies ausgeschlossen wird. Insbesondere
dazugehörigen Organstreitverfahrens der AfD.        den „Schutz der freiheitlichen demo­kratischen
Mit der Entscheidung des Bundesverfassungs-         Grundordnung“ hob das Gericht dabei hervor.
gerichtes ist der bisherige Versuch, die Zuschüs-
se an die parteinahen Stiftungen lediglich im       Damit liegt es nun am Bundestag, einen Ge-
Bundes­haushaltsgesetz zu regeln – und die          setzentwurf vorzulegen, der nicht nur die Vo­
AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES)          raussetzungen für eine verfassungskonforme Fi-
mittels eines Haushaltsvermerks von der Förde-      nanzierung von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Hein-
rung auszuschließen – gescheitert. Der Bundes-      rich-Böll-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung,
tag hatte im Haushaltsgesetz für 2023 vermerkt,     Friedrich-Ebert-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stif-
dass die Globalzuschüsse zur gesellschafts­         tung und Hanns-Seidel-Stiftung schafft, sondern
politischen und demokratischen Bildungsarbeit       gleichzeitig verhindert, dass die Desiderius-­
nur politischen Stiftungen gewährt würden, die      Erasmus-Stiftung staatliche Mittel erhalten kann.
„nach ihrer Satzung und ihrer gesamten Tätig-       Doch die Zeit ist knapp: Im späten Herbst steht
keit jederzeit die Gewähr bieten würden, dass       das neue Gesetz über den Bundeshaushalt 2024
sie sich zu der freiheitlichen demokratischen       an, in dem auch wieder die Finanzierung der
Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes be-         parteinahen Stiftungen geregelt wird. Sollte der



4
6

Jetzt geht’s ums Geld




Bundes­tag es versäumen, bis dahin ein Stiftungs­           Sowohl für den Gesetzentwurf als auch für die
finanzierungsgesetz vorzulegen, wird die DES im             ausstehenden gerichtlichen Entscheidungen
Haushalt berücksichtigt werden müssen – oder                spielt eine zentrale Rolle, wie die Stiftung der
würde bei Nicht-Berücksichtigung eine Finan-                AfD konkret arbeitet. Bereits in unserer OBS-Vor-
zierung voraussichtlich problemlos vor Gericht              gängerstudie zum Netzwerk der DES konnten wir
durchsetzen können. Bis Redaktionsschluss                   aufzeigen, dass diese ein zentraler Baustein für
dieser Studie ist nicht öffentlich bekannt, ob es           Versuche der Neuen Rechten ist, in Deutschland
bereits einen Entwurf für ein solches Gesetz der            Hegemonie im vorpolitischen Raum zu erlan-
Ampelkoalition gibt. Verhandlungen dazu laufen              gen (Semsrott/Jakubowski 2021). Entscheiden-
offenbar. Öffentlich sind bisher lediglich Entwür-          de Akteur:innen der Stiftung sind teilweise seit
fe aus der Zivilgesellschaft und Wissenschaft.1             Jahrzehnten äußerst gut vernetzt und organi-
                                                            siert in der extremen Rechten. Entsprechend we-
Gleichzeitig stehen weitere gerichtliche Ent-               nig überraschend sind handelnde Akteur:innen
scheidungen zur DES aus: Das Bundesverfas-                  immer wieder mit völkisch-nationalistischen,
sungsgericht hat noch zu klären, ob aus seinem              geschichtsrevisionistischen, rassistischen und
Grundsatz­urteil zur Verfassungswidrigkeit der              anti­semitischen Positionen aufgefallen. Mit einer
Stiftungsfinanzierung folgt, dass die DES für das           staatlichen Förderung in Millionenhöhe könnte
Jahr 2022 nachträglich staatliche Mittel erhält.            die DES dauerhafte Strukturen schaffen, um mit
Die entsprechende Verfassungsbeschwerde der                 einer breit aufgestellten Bildungsarbeit derart
AfD hatte das Gericht aus seinem Grundsatz­                 menschenfeindliche Positionen der Neuen Rech-
urteil ausgeklammert, um darüber gesondert zu               ten2 in der Gesellschaft stärker zu verankern.
entscheiden. Auch das OVG Münster muss sich
noch in einem Berufungsverfahren zur Finanzie-              Die konkrete Bildungsarbeit der DES wurde bis-
rung der DES in den Jahren 2018, 2019 und 2021              her allerdings noch nicht systematisch beleuch-
befassen (OVG Münster 5A 1882/22). In diesem                tet. Diese Leerstelle füllen wir mit dem vorliegen-
Verfahren hatte die DES auf dem normalen ver-               den Arbeitspapier und belegen, dass die Stif-
waltungsrechtlichen Weg geklagt, um eine För-               tung verwirklicht, wovon Strategen der Neuen
derung zu erhalten. Entscheidungen oder mög-                Rechten seit Jahrzehnten träumen: Die DES soll
liche Anhörungen für beide Verfahren sind noch              mit ihren Veranstaltungen, Seminaren, Sympo-
nicht terminiert.                                           sien und Studien rechten Nachwuchs fördern,




1 Neben dem bereits in der Vorgängerstudie (Semsrott/Jakubowski 2021) besprochenen Policy Paper des Ex-Bundes-
  tagsabgeordneten Volker Beck legte Prof. Dr. Markus Ogorek von der Universität Köln im Auftrag von Campact einen
  eigenen Entwurf vor (Campact 2023). Frühere Gesetzentwürfe stammen aus den 1990er-Jahren (vgl. hierzu Meer-
  tens 2010: 26).
2 Die Neue Rechte ist ein Teilbereich der extremen Rechten; ausführlich zur Neuen Rechten: Semsrott/Jakubowski 2021:
  26.




                                                                                                                  5
7

Desiderius-Erasmus-Stiftung




                                menschenfeindliche Positionen vermitteln und                                                                                                                                           der Stiftung und ihrer Veranstaltungen. Hierfür
                                diese tief in die Mitte der Gesellschaft tragen.                                                                                                                                       stützen wir uns auf öffentlich zugängliche Infor-
                                                                                                                                                                                                                       mationen der Stiftung, Veröffentlichungen in den
                                Im Folgenden zeigen wir zunächst, welche unmit-                                                                                                                                        sozialen Medien sowie von Recherchegruppen
                                telbaren Pläne die DES im Anschluss an das Urteil                                                                                                                                      und der Presse. In einem weiteren Schritt kontex-
                                des Bundesverfassungsgerichts verfolgt. Zudem                                                                                                                                          tualisieren wir den Korpus der menschenfeind­
                                gehen wir auf die personellen Entwicklungen der                                                                                                                                        lichen Positionen in der DES-Bildungsarbeit. Ab-
                                Stiftung innerhalb der vergangenen zwei Jahre                                                                                                                                          schließend diskutieren wir Handlungsoptionen
                                ein, die für die weitere Ausrichtung der DES auf-                                                                                                                                      von Bundesverfassungsgericht sowie Bundestag
                                schlussreich sind. Im anschließenden Hauptteil                                                                                                                                         im Zusammenhang mit der DES, die sich im An-
                                analysieren wir die Bildungsarbeit der DES an-                                                                                                                                         schluss an das Urteil zur Stiftungsfinanzierung
                                hand einer Aufschlüsselung der Referent:innen                                                                                                                                          eröffnet haben.




                                    Weitere OBS-Publikationen zum Thema:


                                                                                                                                                                                                                                                          OBS-Arbeitspapier 59
                                                                                                                                                                                                       Schroeder, Weßels – Radikalisiert und etabliert
                                       Semsrott/Jakubowski – Desiderius-Erasmus-Stiftung




                                                                                             Arne Semsrott/Matthias Jakubowski
                                                                                                                                                                                                      OBS-Arbeitspapier 59
                                      OBS-Arbeitspapier 51




apier 51

asmus-Stiftung
dung von Rechtsaußen

                                                                                                                                                                                                                                                          Wolfgang Schroeder,
                                                                                                                OBS-Arbeitspapier 59                                                                                                                      Bernhard Weßels
                                                                                             Desiderius-Erasmus-Stiftung
                                                                                                            Radikalisiert
                                                                                             Politische Bildung           und etabliert
                                                                                                                von Rechtsaußen                                                                                                                           Radikalisiert und
                                                                                                                Die AfD vor dem Superwahljahr 2024
                                                                                                                                                                                                                                                          etabliert
                                                                                                                                                                       51
                                                                                                                                                                                                                                                          Die AfD vor dem Superwahljahr 2024
                                                                                                                                                                pier
                                                                                                                                                             pa
                                                                                                                                                          its
                                                                                             Ein Projekt der Otto Brenner Stiftung                     be
                                                                                                                                                     Ar
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                      IG METALL
 www.otto-brenner-stiftung.de                                                                Frankfurt am Main 2021                              S-                                                                                                                                       EIN PROJEKT DER OTTO BRENNER  STIFTUNG
                                                                                                                                              OB
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                Gliederungsname
                                                                                                                                                                       www.otto-brenner-stiftung.de                                                                                                      FRANKFURT AM MAIN 2023




                                                                                           Kostenloser Download unter:                                                                                                                                   Kostenloser Download unter:

                                                                                           https://www.otto-brenner-stiftung.de/                                                                                                                         https://www.otto-brenner-stiftung.de/
                                                                                           des                                                                                                                                                           afd-radikalisiert-und-etabliert/




                                6
8

Die DES im Jahr 2023




2 Die DES im Jahr 2023



Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts              gleich große Stiftungen, würde sie nach ihren
zur Stiftungsfinanzierung witterte die Desiderius-­       Aufbaujahren mit reduziertem Budget mittelfris-
Erasmus-Stiftung im Frühjahr 2023 Morgen-                 tig ebenfalls zwischen 56 Millionen Euro (Hein-
luft: Zwei Wochen nach dem Urteil stellte die             rich-Böll-Stiftung 2020) und 80 Millionen Euro
DES-Vorsitzende Erika Steinbach Anträge an                (Rosa-Luxemburg-Stiftung 2020) Bundesförde-
das Bundesverwaltungsamt, um bisher nicht                 rung aus den verschiedenen Budgets der Bun-
gezahlte staatliche Mittel an die DES für die             desministerien erhalten können.4 Alleine durch
Jahre 2019, 2020 und 2021 einzufordern (Stein-            die Globalzu­schüsse des Bundesinnenministe-
bach 2023). Zudem kündigte Steinbach an, die              riums erhielten die vier kleineren Stiftungen von
Argumentation des Bundesverfassungsgerichts               FDP, Grünen, CSU und Linkspartei im Jahr 2022
auch in das noch laufende Gerichtsverfahren               je zwischen 13,3 und 16,3 Millionen Euro (Deut-
der Stiftung gegen das Bundesverwaltungsamt               scher Bundestag 2022f ).
vor dem Oberverwaltungsgericht Münster ein-
zubringen (DES 2023). Im Verfahren vor dem                Das Geld aus dem staatlichen Fördertopf will die
Bundesverfassungsgericht hatten AfD und DES               DES nutzen, um ihre Arbeit nach vielen Jahren
wiederholt betont, dass sie ein Anrecht auf staat-        der Planung professionalisieren und skalieren
liche Förderung hätten. Dabei geht es pro Jahr
                          3
                                                          zu können – oder, in den Worten Erika Stein-
um viele Millionen Euro: Für das Jahr 2022 be-            bachs, „die geistigen Grundlagen für eine politi-
antragte die AfD-Bundestagsfraktion im Haus-              sche Erneuerung unseres Landes“ zu legen (DES
haltsausschuss beispielsweise 7,854 Millionen             2022b). In einem Konzeptpapier plante die DES,
Euro, für das Jahr 2023 schon 11,691 Millionen            zukünftig pro Jahr bundesweit rund 500 Semina-
Euro (Deutscher Bundestag 2022h). Die Anträge             re anzubieten (Pittelkow/Riedel 2018). Ebenfalls
wurden vom Ausschuss genauso abgelehnt wie                wurde anvisiert, Stipendien zu vergeben und ein
der Antrag der AfD, die Globalzuschüsse an die            AfD-Parteiarchiv aufzubauen. Nach Aussagen
anderen parteinahen Stiftungen um 40 Prozent              Steinbachs ist dies der DES derzeit finanziell je-
zu kürzen (Deutscher Bundestag 2022b). Wür-               doch noch nicht möglich (DES 2022a). Gleiches
de die AfD-nahe Stiftung behandelt wie andere             gelte auch für das neuere Ziel, Auslandskontakte



3 Sämtliche Schriftsätze des Verfahrens sind zu finden auf https://fragdenstaat.de/dokumente/sammlung/132-des-
  bundesverfassungsgericht/.
4 Die Unterschiede in der Finanzierung sind teils auch über temporäre Zuschüsse für Bauvorhaben zu erklären.




                                                                                                                 7
9

Desiderius-Erasmus-Stiftung




herzustellen. Hatte es aus der Stiftung heraus        2022 amtierender Landesgeschäftsführer der
anfänglich noch geheißen, man plane aufgrund          AfD Niedersachsen. Er wurde im Februar 2022
ideologischer Vorbehalte keine Büros im Aus-          in den Förderkreis aufgenommen (Stober 2023).
land (Pittelkow/Riedel 2018; DES 2020a), deuten       Stober steht zentralen Personen in der AfD nahe,
jüngere Aussagen darauf hin, dass die DES bald        die zu den inzwischen offiziell aufgelösten Netz-
auch ihre Fühler etwa in die Nachfolgestaaten         werken Patriotische Plattform und Flügel gehör-
des ehemaligen Jugoslawiens ausstrecken könn-         ten. So teilte er auf Twitter Inhalte der extrem
te, wohin Akteur:innen der Stiftung gute Kon-         rechten Hans-Thomas Tillschneider und Andreas
takte haben (Lazarević 2022). Passend zu die-         Kalbitz, aber auch von Ein-Prozent-Aktivist Si-
sen Plänen, trat die DES Steinbach zufolge im         mon Kaupert, als dieser im September 2022 vom
März 2023 der Stiftung der rechten Identity and       ‚Preußenfest‘ der AfD mit Björn Höcke in Schnell-
Democracy-Fraktion (ID) im Europaparlament            roda berichtete. Nachdem der AfD-Landespar-
bei. Und kam damit sogar der AfD-Bundespartei         teitag in Niedersachsen im Mai 2022 der – nach
zuvor. Diese entschied erst auf ihrem Parteitag       Beobachtung durch den Verfassungsschutz und
Ende Juli 2023 in Magdeburg über den Beitritt         darauffolgender Selbstauflösung im Jahr 2018 –
zur ID-Fraktion.                                      neu gegründeten Jungen Alternative (JA) den Sta-
                                                      tus als Jugendorganisation der Partei absprach
Schenkt man den Auskünften Steinbachs Glau-           (Speit 2022a), solidarisierte sich Stober mit der
ben, dann werden die Aufgaben der DES derzeit         JA und teilte u. a. einen Tweet mit dem Inhalt
weitestgehend ehrenamtlich geleistet, darunter        „Höcke! [...] JA zur Jungen Alternative“.
auch die Organisation der bisher rund 200 statt-
gefundenen DES-Bildungsveranstaltungen. Die-
                                                      2.1 Wer führt?
se seien bis zum heutigen Tag ohne öffentliche
Mittel durch die Hilfe „vieler Spender und Freun-     Nicht nur die Förder:innen haben einen festen
de“ durchgeführt worden, wie Erika Steinbach          Stamm, auch der Stamm des Stiftungspersonals
anlässlich der Feierlichkeiten zum 5-jährigen         bleibt bisher relativ stabil. So haben sich in den
Bestehen der Stiftung verkündete (DES 2022b).         vergangenen beiden Jahren personell nur weni-
Doch wie bei so gut wie allen Fragen rund um          ge Veränderungen im Vorstand der DES ergeben.
die DES fehlt es auch hier an Transparenz. Es         Der amtierende Vorstand wurde im September
gibt über diesen Förderkreis fast keine Informa-      2021 in Frankfurt am Main gewählt, im Vereins­
tionen, weder über einen Großteil der Mitglieder      register sind die Änderungen seit Februar 2022
noch über ihre Anzahl. Vieles spricht dafür, dass     eingetragen. Angelika Wöhler-Geske, ehemalige
es sich um einen festen Stamm von Förder:innen        AfD-Mitarbeiterin in Kiel, ersetzte im Vorstand
handelt, über deren Aufnahme die Stiftung nach        Jan Moldenhauer. Das Ex-CDU-Mitglied Stein-
Antragstellung entscheidet. Einer, der dies öf-       bach – inzwischen der AfD beigetreten – bleibt
fentlich gemacht hat, ist Tobias Stober, seit April   als Vorsitzende das sichtbarste Gesicht der DES



8
10

Zur nächsten Seite

Für eine informierte Zivilgesellschaft spenden

Unsere Recherchen, Klagen und Kampagnen sind essentiell, um unsere Politik und Verwaltung transparenter zu machen! So können wir unsere Demokratie stärken. Daraus schlagen wir kein Profit. Im Gegenteil: Als gemeinnütziges Projekt sind wir auf Spenden angewiesen.

Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit!

Jetzt spenden!

Lobbyismus Kanzleramt traf nur fossile Lobby zum Heizungsgesetz

Am Freitag verabschiedet der Bundestag mit dem Heizungsgesetz das umstrittenste Gesetz der Wahlperiode. Welche Lobbyisten trafen die Bundesministerien dazu? Um an die Infos zu kommen, mussten wir auch das Finanzministerium verklagen.