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Aktenzeichen
4 A 797/13
Datum
5. März 2015
Gericht
Oberverwaltungsgericht Sachsen
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Sachsen-Anhalt (UIG LSA)
Umweltinformationsgesetz Sachsen-Anhalt (UIG LSA)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Sachsen am 5. März 2015

4 A 797/13

Das Oberverwaltungsgericht lehnt den Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden ab. Die Anwendung einer aus dem Weingesetz hervorgehenden, speziellen Versagungsregelung für den Informationszugang verstößt nicht zwingend gegen die Umweltinformationsrichtlinie. (Quelle: LDA Brandenburg)

(Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Konkurrierende Rechtsvorschriften Prozessuales

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Ausfertigung Az.:   4 A 797/13 3 K 227/11 SÄCHSISCHES OBERVERWALTUNGSGERICHT Beschluss In der Verwaltungsrechtssache des Herrn - Kläger - - Antragsteller - prozessbevollmächtigt: gegen den Freistaat Sachsen vertreten durch das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie Pillnitzer Platz 3, 01326 Dresden - Beklagter - - Antragsgegner - wegen Akteneinsichtsrecht nach SächsUlG hier: Antrag auf Zulassung der Berufung
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2 hat der 4. Senat des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Künzler, die Richterin am Oberverwaltungsgericht Düvelshaupt und die Richterin am Oberverwaltungsgericht Döpelheuer am 5. März 2015 beschlossen: Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Oktober 2013 - 3 K 227/11 - zuzulassen, wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000,- € festgesetzt. Gründe 1 Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Oktober 2013 ist zulässig, aber unbegründet. Das angegriffene Urteil begegnet weder den geltend gemachten ernstlichen Zweifeln an seiner Richtigkeit noch hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. 2 Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Einsicht in alle Unterlagen des Beklagten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Grundstücks Flurstück Nr. F1... der Gemarkung N....... zu Zwecken des Weinanbaus stehen, abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch nach § 4 Abs. 1 SächsUIG auf Zugang zu den begehrten Informationen. Zwar handle es sich bei den im Zusammenhang mit der Weinbaukartei vorhandenen Daten um Umweltinformationen nach § 3 Abs. 2 SächsUIG. Dem Zugang des Klägers zu diesen Umweltinformationen stehe jedoch § 2 Satz 2 SächsUIG entgegen. Der Zugang zu Umweltinformationen sei durch speziellere Rechtsvorschriften ausdrücklich untersagt. Die Regelung des § 34 WeinG beschränke den Zugang zu den Daten der Weinbaukartei auf einen Behörden- oder Personenkreis, der bestimmte sachliche oder persönliche Voraussetzungen erfülle. Bei dem Kläger handle es sich weder um eine nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 1 WeinG zuständige Behörde noch um eine Person nach § 34 Abs. 3 Satz 2 WeinG, die für die Durchführung von gemeinschaftlichen Maßnahmen zum Pflanzenschutz oder zur
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3 Qualitätssicherung verantwortlich sei. Der Gesetzgeber habe in § 34 WeinG das Verwendungsverbot aus Art. 3 Abs. 1 Spiegelstrich 2 und Spiegelstrich 3 Verordnung (EWG) Nr. 2392/86 des Rates zur Einführung der gemeinschaftlichen Weinbaukartei übernommen. Die Bestimmung des § 34 Abs. 3 WeinG sei zeitlich nach dem Sächsischen Umweltinformationsgesetz in Kraft getreten und gehe als ranghöhere bundesrechtliche Vorschrift der Regelung des § 4 SächsUIG nach Art. 31 GG vor. 3 Hiergegen wendet der Kläger ein, das Verwaltungsgericht hätte die Vorschrift des § 2 Satz 2 SächsUIG nicht anwenden dürfen. Die Vereinbarkeit von § 2 Satz 2 SächsUIG mit der Umweltinformationsrichtlinie RL 2003/4/EG sei zweifelhaft, da diese selbst die Ausnahmetatbestände formuliere und darüber hinaus in jedem Fall eine Abwägungsentscheidung vorschreibe. Zudem habe das Verwaltungsgericht eine fehlerhafte Auslegung von Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2392/86 vorgenommen. Allein aus dem Umstand, dass der Zweck der Akteneinsicht nach der Umweltinformationsrichtlinie für die Öffentlichkeit dort keine Erwähnung finde, ziehe es den Schluss, dass eine solche Akteneinsicht dann von vornherein ausgeschlossen sei. Zweck des Umweltinformationsgesetzes und der Richtlinie 2003/4/EG sei aber die Schaffung des Zugangs zu Umweltinformationen und eines Akteneinsichtsrechts ohne Darlegung eines besonderen rechtlichen Interesses. Maßgeblich sei allein, dass die Informationen bei der Behörde vorhanden seien. Die Argumentation des Verwaltungsgerichts führe de facto zur Aufhebung des Anwendungsbereichs        der      Umweltinformations-Richtlinie.    Indem       das Verwaltungsgericht zumindest implizit verlange, dass in dem speziellen Gesetz ein Interesse der Öffentlichkeit an einer Akteneinsicht als Zweck des Gesetzes genannt werde, setze es entgegen § 4 Abs. 1 SächsUIG tatsächlich das Vorliegen eines besonderen Gesetzes voraus. Eine solche Auslegung stehe in deutlichem Widerspruch zu der Richtlinie 2003/4/EG, die keine Bestimmung enthalte, wonach sich Beschränkungen für den Zugang zu Umweltinformationen auch aus EU- Sekundärrecht ergeben könnten. Auch lasse sich der VO (EWG) Nr. 2392/86 kein absolutes Verbot für eine Mitteilung von umweltbezogenen Daten aus der Weinbaukartei entnehmen. Art. 3 Abs. 1 Spiegelstrich 2 VO (EWG) Nr. 2392/86 könne nur dahingehend ausgelegt werden, dass personenbezogene Daten im engeren Sinne einer Akteneinsicht nicht zugänglich seien, jedoch die sonstigen in der
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4 Weinbaukartei eingetragenen Daten - insbesondere solche, die sich unmittelbar auf das Aufrebungsrecht bezögen - durchaus mitgeteilt werden könnten. 4 Das angegriffene Urteil begegnet keinen ernstlichen Zweifeln i. S. v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. 5 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen dann, wenn          der Antragsteller des Zulassungsverfahrens tragende Rechtssätze oder erhebliche Tatsachenfeststellungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage stellt, dass der Ausgang des Berufungsverfahrens als ungewiss erscheint (SächsOVG, Beschl. v. 16. April 2008, SächsVBl. 2008, 191, 192; st.Rspr.). 6 Das Verwaltungsgericht war nicht gehalten, die Regelung des § 2 Satz 2 SächsUIG nicht anzuwenden. Danach gilt das Sächsische Umweltinformationsgesetz u. a. dann nicht,    soweit    durch     speziellere   Rechtsvorschriften   der    Zugang  zu Umweltinformationen ausdrücklich versagt wird. Entgegen der Auffassung des Klägers stellt diese Vorschrift keinen selbständigen Untersagungstatbestand dar, sondern bestimmt den Anwendungsbereich des Umweltinformationsgesetzes; durch sie wird verdeutlicht, dass Versagungsgründe aus anderen Gesetzen dem allgemeinen Zugangsanspruch aus § 4 Abs. 1 SächsUIG vorgehen. Da insoweit in § 2 Satz 2 SächsUIG nur auf andere Ausschlusstatbestände verwiesen wird, muss die Regelung nicht die Anforderungen aus Art. 4 Richtlinie 2003/4/EG erfüllen. 7 Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Vorschrift des § 34 WeinG, welche das Verwaltungsgericht als speziellere Versagungsregelung angesehen hat, gegen die Vorgaben      der    Richtlinie     2003/4/EG    verstößt.    Es   geht    aus der Umweltinformationsrichtlinie       nicht   zwingend     hervor,   dass    sich die Verwendungsverbote aus Art. 3 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 2392/86 nicht länger auf solche Angaben in der Weinbaukartei erstrecken dürfen, die für sich genommen zugleich Umweltinformationen i. S. v. Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/4/EG sind. Vielmehr handelt es sich bei den Angaben der Weinbaukartei um betriebsbezogene Angaben, die nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. d) Richtlinie 2003/4/EG Regelungen der Mitgliedstaaten    über    die    Ablehnung    eines   Antrags    auf   Zugang  zu
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5 Umweltinformationen rechtfertigen können. Es ist zu berücksichtigen, dass nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a) VO (EWG) Nr. 2392/86 in die Weinbaukartei für jeden Weinbaubetrieb Angaben über Identität und Lage des Betriebs, Hinweise auf die mit Reben bepflanzten Parzellen, allgemeine Merkmale des Betriebs und Merkmale seiner Reben und hergestellten Erzeugnisse zu erfassen sind. Derartige Angaben können - gerade weil sie immer im Zusammenhang mit einem konkreten individuellen Weinbaubetrieb stehen - Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse sein oder wegen berechtigter wirtschaftlicher Interessen der Geheimhaltung unterliegen. Ebenso kann ein öffentliches Interesse an der Wahrung der Geheimhaltung von statistischen Daten gegeben sein. Der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 2 Buchst. d) RL 2003/4/EG kann insoweit     eröffnet   sein.   Vor    diesem   Hintergrund   ist   es   nach     der Umweltinformationsrichtlinie nicht zwingend geboten, dass - wie der Kläger meint - sämtliche in die Weinbaukartei eingetragenen Daten, die nicht personenbezogen sind, ohne Vorliegen eines besonderen Interesses jedermann mitzuteilen sind. Auch ist nicht zu befürchten, dass der Anwendungsbereich der Umweltinformations-Richtlinie faktisch aufgehoben wird oder die Regelung des § 4 Abs. 1 SächsUIG ins Leere läuft. Es besteht weiterhin ein Anspruch auf Zugang zu allen Umweltinformationen, für deren Bekanntgabe keine speziellen Ausschlusstatbestände i. S. v. § 2        Satz 2 SächsUIG existieren. 8  Die Rechtssache hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). 9  Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellung bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortbildung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf (SächsOVG, Beschl. v. 16. April 2008, SächsVBl. 2008, 191, 194; st. Rspr.). 10 Die von dem Kläger aufgeworfene Frage, ob die Regelung in § 2 Satz 2 SächsUIG noch in der Weise EU-rechtskonform ausgelegt werden kann, als dass sie eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Bekanntgabe gegenüber dem Interesse
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6 an der Verweigerung der Bekanntgabe der Umweltinformationen zulässt, ist nicht entscheidungsrelevant. Wie bereits dargelegt, ist § 2 Satz 2 SächsUIG kein eigenständiger Ausschlusstatbestand; die Vorschrift verweist lediglich auf speziellere Versagungstatbestände. 11 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. 12 Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG. 13 Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 52 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). gez.: Künzler                                Düvelshaupt                          Döpelheuer
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