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Aktenzeichen
2 K 57.12
Datum
30. Mai 2013
Gericht
Verwaltungsgericht Berlin
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)
Quellcode
Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)

Informationszugang durch Akteneinsicht beim Bundeskanzleramt in Akten über die Terroranschläge der Roten Armee Fraktion (RAF) im sogenannten Deutschen Herbst; Gebührenerhebung in Verfahren nach dem IFG; erhöhter Verwaltungsaufwand

2 K 57.12

Das Bundeskanzleramt wird verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Zugang zu Informationen über die Rote Armee Fraktion (Bericht des Generalbundesanwalts / Haftbefehl) teilweise neu zu bescheiden. Die Verweigerung des Zugangs zu einem weiteren Teil der Dokumente war hingegen rechtmäßig. Das Bundesarchivgesetz verdrängt das Informationsfreiheitsgesetz nur insoweit, als es die in Archivgut des Bundes überführten Informationen betrifft. Zwar besteht im Regelfall eine Übereinstimmung zwischen Besitz und Verfügungsberechtigung über eine Information, doch ist vorliegend das vom Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes ausgenommene Bundesamt für Verfassungsschutz Urheber der in Rede stehenden Unterlagen. Eine Übertragung der Verfügungsberechtigung auf andere Behörden, die auch im Besitz des Dokuments sind und dem Anwendungsbereich unterfallen, würde dem Zweck der Ausnahmebestimmung zuwiderlaufen. Der entsprechende Passus des Informationsfreiheitsgesetzes steht einer stillschweigenden oder gesetzlichen Übertragung der Verfügungsberechtigung entgegen. Auf das formale Kriterium der "Passivlegitimation" kommt es hier mithin nicht an. (Quelle: LDA Brandenburg)

Kosten (Gesetzliche) Geheimhaltungspflichten Interessenabwägung Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Begriffsbestimmung Sicherheitsaspekte

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VG 2 K 57.12 Verkündet am 30. Mai 2013 Kelm, Justizbeschäftigte als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle VERWALTUNGSGERICHT BERLIN URTEIL Im Namen des Volkes In der Verwaltungsstreitsache Klägers, Verfahrensbevollmächtigter: gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundeskanzleramt, Willy-Brandt-Straße 1, 10557 Berlin, Beklagte, Verfahrensbevollmächtigte: hat das Verwaltungsgericht Berlin, 2. Kammer, aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2013 durch die Präsidentin des Verwaltungsgerichts Xalter, den Richter am Verwaltungsgericht Tegtmeier, den Richter am Verwaltungsgericht Schulte, die ehrenamtliche Richterin H_____ und den ehrenamtlichen Richter Dr. K_____ für Recht erkannt: -2-
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-2- Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundes- kanzleramtes vom 22. Dezember 2011 in der Fassung des Widerspruchsb e- scheides derselben Behörde vom 16. April 2012 verpflichtet, den Antrag des Klägers auf Zugang zu dem ungeschwärzten Bericht des Generalbundesan- walts vom 10. August 1994 nebst Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bu n- desgerichtshofes (Dokument Nr. 421, Seite 27 des Bescheides vom 22. De- zember 2011) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Festsetzung der Widerspruchsgebühr im Widerspruchsbescheid des Bundeskanzleramtes vom 16. April 2012 wird aufgehoben, soweit sie 30,00 Euro übersteigt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen. Tatbestand Der Kläger ist als Journalist für eine bekannte deutsche Boulevardzeitung tätig. Er begehrt in mehreren Verfahren Zugang zu Informationen über die Rote Armee Frak- tion - RAF - im Zusammenhang mit den Terroranschlägen während des sog. deut- schen Herbstes. Mit anwaltlichem Schreiben vom 31. März 2011 beantragte der Kläger beim Bundes- kanzleramt Einsicht in Kopien der dort vorhandenen Akten zu Siegfried Buback, Jür- gen Ponto und Hanns Martin Schleyer, zu der Entführung der Lufthansamaschine Landshut und zur Ausbildung von Terroristen in Camps im Jemen bzw. Auskunft da- rüber, welche Unterlagen an das Bundesarchiv übergeben worden seien. Das Bundeskanzleramt erteilte dem Kläger mit Bescheid vom 29. April 2011 (Erste Teilentscheidung) Auskunft über die an das Bundesarchiv abgegebenen Akten durch Übersendung einer Abgabeliste. Mit Bescheid vom 20. Juni 2011 (Zweite Teilent- -3-
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-3- scheidung) und Bescheid vom 3. November 2011 (Dritte Teilentscheidung) gewährte es dem Kläger Informationszugang zu insgesamt 9 bzw. 32 Unterlagen des Bundes- kanzleramtes. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2011 (Vierte Teilentscheidung) gewährte das Bun- deskanzleramt Informationszugang zu 59 weiteren Unterlagen; zum Teil stellte es die Entscheidung über den Antrag zurück. Zu insgesamt 421 Unterlagen versagte das Bundeskanzleramt den Zugang und berief sich bei den einzelnen Dokumenten im Wesentlichen auf Versagungsgründe des Bundesarchivgesetzes mit Ausnahme der Dokumente 406 – 418 und 421. Für Letztere führte es aus: Urheber der Dokumente 406 - 411 sei das Bundesamt für Verfassungsschutz. Urheber der Dokumente 412, 413, 415 - 418 (später korrigiert auf 412 – 418) sei der Bundesnachrichtendienst. Die Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes seien im Rahmen der Dienst- und Fach- aufsicht zu der zuständigen Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes gekommen. Der Geheimhaltungsschutz gegenüber den Nachrichtendiensten müsse sich auch auf diese Unterlagen erstrecken, weil anderenfalls die maßgebliche Bereichsausnahme des Informationsfreiheitsgesetzes umgangen werden könne. Im Übrigen seien die Unterlagen als Verschlusssachen eingestuft. Das Dokument 421 betreffe Inhalte aus einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren; für dieses gälten die vorrangigen Rege- lungen der §§ 474 ff. StPO. Gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2001 legte der Kläger Widerspruch ein und erhob die Klage VG 2 K 7.12, die er im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 7. Mai 2013 nach Abtrennung von Streitgegenstandsteilen zurücknahm. Mit „Schluss- und Widerspruchsbescheid“ vom 16. April 2012 gewährte das Bundes- kanzleramt dem Kläger über die Teilbescheide 1 – 4 hinaus Zugang zu weiteren In- formationen, lehnte im Übrigen den Antrag ab und wies den Widerspruch hinsichtlich der oben bezeichneten Dokumente zurück. Zur Begründung führte es im Wesentli- chen aus: Die Dokumente 406 – 411 seien vom Bundesamt für Verfassungsschutz als Verschlusssachen eingestuft. Dieses habe auf Nachfrage an seiner Bewertung der materiellen Geheimhaltungsbedürftigkeit der Unterlagen festgehalten. Hieran sei das Bundeskanzleramt gebunden. Soweit es die Dokumente des Bundesnachrich- tendienstes betreffe, müsse das Bundeskanzleramt als dessen Dienst- und Fachauf- sichtsbehörde wegen des umfassenden Schutzes des § 3 Nr. 8 IFG keine weiteren Versagungsgründe vortragen. Im Übrigen enthielten die Dokumente 412 – 417 Na- men und Funktionen von Mitarbeitern des Bundesnachrichtendienstes, das Doku- ment 418 den Klarnamen sowie identifizierende Angaben zu einem Informanten des -4-
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-4- Bundeskriminalamtes. Im Bescheid vom 16. April 2012 setzte das Bundeskanzleramt für den „Bereich, der ausschließlich nach dem IFG bearbeitet wurde“, eine Gebühr in Höhe von 231,25 Euro fest und erhob Auslagen in Höhe von 71,65 Euro. Darüber hinaus setzte es eine Widerspruchsgebühr in Höhe von 135,00 Euro fest. Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 16. April 2012 Widerspruch ein, soweit der Zugang zu drei ungeschwärzten Unterlagen, darunter die Passagierliste der ent- führten Lufthansamaschine Landshut, abgelehnt worden ist. Diesen Widerspruch wies das Bundeskanzleramt (bestandskräftig) zurück. Am 3. Mai 2012 hat der Kläger gegen den Bescheid vom 16. April 2012 (im Übrigen) Klage erhoben (VG 2 K 57.12). Soweit es die im Bescheid nach dem Bundesarchiv- gesetz beurteilten Unterlagen betrifft, hat die Kammer das Verfahren mit Beschluss vom 2. August 2012 abgetrennt, das nunmehr unter dem Aktenzeichen VG 2 K 13.13 fortgeführt wird. Die Klage gegen die Erhebung von Auslagen hat der Kläger zurück- genommen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30. Mai 2013 hat die Beklagte sich ver- pflichtet, dem Kläger folgende Teile aus den Dokumenten 415 – 417 und 421 (als Ablichtung) zugänglich zu machen: Das der Stellungnahme des Bundesnachrichten- dienstes zugrunde liegende Auskunftsersuchen des Bundesministeriums des Innern (aus Dokument 415) sowie das auf das Informationsbegehren des Klägers bezogene Weiterleitungsschreiben des Bundeskanzleramtes bzw. dessen erneute Anfrage g e- genüber dem Bundesnachrichtendienst (aus den Dokumenten 416 und 417) und den Bericht des Generalbundesanwalts gegenüber dem Bundesministerium der Justiz nebst Anlage unter Schwärzung der darin enthaltenen personenbezogenen Daten in Gestalt von Vornamen, Namen, Geburtsdaten, Aliasnamen, Berufsbezeichnung und Religionszugehörigkeit (Dokument 421). Im Umfang dieser Klaglosstellung haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt e rklärt. Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor: Es sei schon nicht klar, warum sich der Anspruch nicht insgesamt nach dem Bundesarchivgesetz beurteile. Das Bundeskanzleramt sei aber in jedem Fall über die streitigen Unterlagen verfügungs- befugt. Es habe die größere Sachnähe zum Verfahren und das Verfügungsrec ht kraft stillschweigender Vereinbarung erhalten. Dies gelte auch für das Dokument 421, das Bestandteil eines Vorgangs beim Bundeskanzleramt geworden sei. Die Bereichs- ausnahme des § 3 Nr. 8 IFG sei nicht einschlägig, da der Anspruch gerade nicht ge- genüber den Nachrichtendiensten geltend gemacht werde und Ausnahmeregelungen -5-
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-5- eng auszulegen seien. Die Vorgänge seien materiell nicht geheimhaltungsbedürftig, da sie eine fast 40 Jahre zurückliegende Situation beträfen. Die Institutionen und Personen, die damals die Baader Meinhof Gruppe unterstützt und mit Waffen und Personal ausgestattet hätten, seien aufgelöst bzw. tot oder unter Kontrolle des Staa- tes. Die Gebührenfestsetzung sei rechtswidrig, da er als freier Journalist bei seinen durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Recherchen auf Informationen angewie- sen sei. Der Prozess der öffentlichen Meinungsbildung werde gefährdet, wenn nur finanziell gut ausgestattete Medien in der Lage seien, kostenpflichtig Informationen nach dem Informationsfreiheitsgesetz zu beantragen. Anfragen von Journalisten soll- ten grundsätzlich zu einer „Gebührenreduktion auf Null“ führen. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundeskanzler- amtes vom 22. Dezember 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides (einschließlich der Widerspruchsgebühr) derselben Behörde vom 16. April 2012 sowie von Nr. 3 Satz 1 des Tenors des Schlussbescheides derselben Behörde vom 16. April 2012 zu verpflichten, ihm Einsicht zu gewähren in die im Bescheid vom 22. Dezember 2011 auf Seite 25 f. unter Nr. 406 bis 418 und Nr. 421 bezeichneten Unterlagen, soweit der Rechtsstreit in der Haupts a- che nicht übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie macht geltend: Verfügungsberechtigt über eine Information sei grundsätzlich nur deren Urheber. Dies werde durch den Umstand bestätigt, dass der Bundesnachrich- tendienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz mit Bindungswirkung gegen- über dem Bundeskanzleramt über die Einstufung der Dokumente als Verschlusssa- che bzw. deren Herabstufung zu entscheiden hätten. Dass die Einstufung der Doku- mente 412 – 414 sowie 416 und 417 durch den Bundesnachrichtendienst zwischen- zeitlich aufgehoben worden sei, ändere hieran nichts. Denn die Dokumente seien dem Bundeskanzleramt überwiegend nachrichtlich übersandt worden. Jedenfalls stehe dem Anspruch des Klägers die Bestimmung des § 3 Nr. 8 IFG entgegen. Der Geheimhaltungsbedarf der Nachrichtendienste des Bundes sei umfassend zu res- pektieren; die Versagungsgründe der § 3 Nr. 1 c) oder Nr. 4 IFG seien vom Gesetz- geber nicht als ausreichend angesehen worden. Dementsprechend könne es nicht darauf ankommen, ob die Unterlagen der Nachrichtendienste nur bei diesen selbst, sondern bestimmungsgemäß auch bei den Aufsichtsbehörden vorhanden seien. Bei Dokument 418 seien dem Schreiben des Präsidenten des Bundesnachrichtendiens- tes als Anlage u.a. Personenerkenntnisse zu zehn RAF-Mitgliedern sowie ergänzend -6-
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-6- Erkenntnisse des Bundeskriminalamtes zu zwei RAF-Mitgliedern beigefügt, die im Zeitpunkt des Schreibens noch flüchtig gewesen seien. Das Dokument erlaube auch für Außenstehende Rückschlüsse darauf, auf welche Weise der Bundesnachrichten- dienst an Informationen gelangt sei und in Zukunft gelangen werde. Soweit die strei- tigen Unterlagen noch als Verschlusssachen eingestuft seien, stehe dem Anspruch die Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflicht entgegen. Die Dokumente 408 – 411 beträfen darüber hinaus die Vorbereitung von Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums; dessen Sitzungen seien geheim, was folglich auch für die unmit- telbar vorbereitenden Unterlagen gelten müsse. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte (insbesondere die Sitzungsprotokolle vom 7. und 30. Mai 2013, Bl. 77 – 80 R und Bl. 125 – 127, zum konkreten Inhalt der Dokumente), der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Be- klagten (13-02815 Bu 010 NA 61, Bde. 1 und 2) und der beigezogenen Streitakte im Verfahren VG 2 K 7.12 Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung. Entscheidungsgründe Das Verfahren ist in unmittelbarer bzw. entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat und die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben. Im Übrigen ist die Klage auf Informationszugang zulässig, aber nur teilweise begrün- det (I.). Die Klage gegen die Gebührenfestsetzungen ist ebenfalls zulässig, aber nur hinsichtlich der Widerspruchsgebühr (teilweise) begründet, soweit diese den Betrag von 30 Euro übersteigt (II.). I. Die Klage auf Informationszugang ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Um- fang begründet. Der Kläger hat lediglich einen Anspruch auf Neubescheidung seines Begehrens auf Zugang zu dem ungeschwärzten Bericht des Generalbundesanwalts vom 10. August 1994 nebst anliegendem Haftbefehl des Ermittlung srichters des Bundesgerichtshofs. Nur insoweit wird er durch die Ablehnung des Informationszu- gangs in seinen Rechten verletzt; im Übrigen ist der den Informationszugang ableh- nende Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). -7-
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-7- Die Anwendbarkeit des Informationsfreiheitsgesetzes ist nicht durch andere Rechts- vorschriften gesperrt (1.). Die Maßgaben des § 1 Abs. 1 IFG sind erfüllt (2.). Über die Dokumente 406 – 418 ist das Bundeskanzleramt nicht verfügungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 IFG (3.). Über das Dokument 421 ist es zwar zur Verfügung berech- tigt; ob insoweit jedoch der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG vorliegt, kann vom Gericht - wegen des von der Behörde noch nicht durchgeführten Beteili- gungsverfahrens nach § 8 Abs. 1 IFG - nicht abschließend entschieden werden (4.). 1. Der Anspruch des Klägers auf Informationszugang richtet sich nach den Bestim- mungen des Informationsfreiheitsgesetzes; speziellere Regelungen für die hier noch streitigen Informationen bestehen nicht. Nach § 1 Abs. 3 IFG gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Aus- nahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten B u- ches Sozialgesetzbuch vor. Das Informationsfreiheitsgesetz wird nur durch solche Regelungen verdrängt, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG identischen sachlichen Rege- lungsgegenstand aufweisen. Sie müssen in gleicher Weise wie das Informationsfrei- heitsgesetz Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen treffen (BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4.11 - NVwZ 2012, S. 251). Das ist hier nicht der Fall. a. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt das Bundesarchivgesetz für die im vorliegenden Verfahren noch streitigen Dokumente 406 – 418 und 421 nicht zur An- wendung. Dieses Gesetz verdrängt nach Tatbestand, Rechtsfolge und Zweck seiner Regelungen das Informationsfreiheitsgesetz nur insoweit, als es die in Archivgut des Bundes überführten (amtlichen) Informationen betrifft (vgl. VG Berlin, Urteil vom 12. Oktober 2009 - VG 2 A 20.08 -, juris Rn. 53). Hieran fehlt es. Die Dokumente 406 – 418 und 421 sind dem Bundesarchiv bislang nicht als Archivgut übergeben worden (vgl. § 2 Abs. 1 BArchG). b. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die §§ 474 ff. StPO keine im Sinne des § 1 Abs. 3 IFG vorrangigen Vorschriften für das Dokument 421 (Bericht des Gene- ralbundesanwalts gegenüber dem Bundesministerium der Justiz vom 10. August 1994 mit dem als Anlage beigefügten Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bu n- desgerichtshofs aus dem Strafverfahren gegen die an der Entführung der Luftha n- samaschine Landshut beteiligte und später verurteilte Terroristin S_____). § 474 StPO regelt die für Zwecke der Rechtspflege erforderliche Akteneinsicht von Gerich- ten, Staatsanwaltschaften und anderen Justizbehörden (Abs. 1) sowie die Übermit t- lung von Informationen an öffentliche Stellen außerhalb der Justiz (Abs. 2 und 3). Die Akteneinsicht und die Erteilung von Auskünften an Private für Zwecke außerhalb -8-
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-8- dieses Verfahrens richtet sich nach § 475 StPO, an Forschungseinrichtungen nach §§ 476, 477 Abs. 2 Satz 3 StPO. Gemeinsam ist den vorgenannten Bestimmungen, dass sie die Weitergabe und Verwendung personenbezogener Daten im Bereich des eigentlichen Gerichtsverfahrens und in seinem unmittelbaren Vorfeld, zu dem das strafprozessuale Ermittlungsverfahren gehört, oder die Weitergabe der in diesem Verfahren erhobenen Daten für verfahrensexterne Zwecke betreffen (vgl. BT-Drs. 14/1484, S. 17). Es geht damit um die Akteneinsicht in bzw. Auskunft und Übermit t- lung von Daten aus den dem (Straf-)Gericht vorliegenden oder im Falle der Erhe- bung der öffentlichen Klage vorzulegenden Akten. Damit ist zugleich der Umfang des Vorrangs der hierauf bezogenen strafprozessualen Bestimmungen umschrieben (zu einem solchen Fall der Einsicht in die bei dem Revisionsgericht vorhandenen S e- natshefte vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2006 - 5 StR 589.05 -, NStZ, 2007, S. 538). Das Informationsbegehren des Klägers bezieht sich nicht auf diesen Bereich. Denn es geht hier nicht um Einsicht in Straf- oder Ermittlungsakten, sondern um den Zu- gang zu Informationen, die einer obersten Bundesbehörde vorliegen. Daran ändert der Umstand nichts, dass sich der Bericht des Generalbundesanwalts vom 10. A u- gust 1994 gegenüber dem dienstaufsichtsführenden Bundesministerium der Justiz (vgl. § 147 Nr. 1 GVG) sowie gegenüber der Abteilung 1 als sogenanntes Spiegelr e- ferat im Bundeskanzleramt auf ein laufendes Ermittlungsverfahren bezog und das Original des in Kopie anliegenden Haftbefehls darüber hinaus Bestandteil der stra f- rechtlichen Ermittlungsakten ist. Auch wenn Akten - teilweise oder vollständig - in- haltsgleich sind, handelt es sich gleichwohl um unterschiedliche Sammlungen amtli- cher Informationen und damit um gesonderte, ggf. verschiedenen Regelungsregimen unterliegende Streitgegenstände (vgl. VG Berlin, Urteil vom 8. Dezember 2011 - VG 2 K 75.10 -). 2. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes e i- nen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Der Kläger ist „jeder“ im Sin- ne des Gesetzes und damit anspruchsberechtigt. Das Bundeskanzleramt ist eine Behörde des Bundes und damit anspruchsverpflichtet. Die vom Kläger begehrten Dokumente 406 – 418 und die geschwärzten Daten in Dokument 421 sind amtliche Informationen, da sie der Aufgabenerfüllung des Bundeskanzleramtes und damit amtlichen Zwecken dienen (vgl. § 2 Nr. 1 IFG). 3. Für die vom Kläger noch begehrten Unterlagen in den Dokumenten 406 – 418 hat -9-
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-9- das Bundeskanzleramt keine Verfügungsberechtigung im Sinne des § 7 Abs. 1 IFG erhalten. Nach der als Zuständigkeitsbestimmung ausgestalteten Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 IFG entscheidet diejenige Behörde über den Informationszugang, der die Ver- fügungsberechtigung zusteht. Verfügungsberechtigt über eine Information ist grun d- sätzlich deren Urheber (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 14). Demjenigen, der die Informati- on im Rahmen der Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben erhoben oder selbst g e- schaffen hat, ist sie auch zur weiteren Verwendung zugewiesen. Das umfasst auch die Entscheidung, welchem Personenkreis sie zugänglich gemacht werden soll. Wird die Information im weiteren Verlauf anderen Behörden übermittelt und ist sie de m- nach an mehreren Stellen verfügbar, soll mit dem Merkmal der Verfügungsberecht i- gung eine sachangemessene Entscheidungszuständigkeit ermöglicht werden, die sowohl der Aufgabenverteilung auf Seiten der Behörden als auch dem Interesse des Informationsberechtigten an einer aus seiner Sicht nachvollziehbaren Bestimmung der auskunftspflichtigen Stelle Rechnung trägt. Insbesondere angesichts der um- fangreichen Abstimmungspraxis unter den Behörden, aufgrund derer diese in gro- ßem Umfang als Teil der bei ihnen geführten Akten über Informationen verfügen, die nicht von ihnen erhoben worden sind, sollen die Verfahren auf Informationszugang bei der Behörde konzentriert werden, der die größte Sachnähe zum Verfahren zu- kommt bzw. die die Verfahrensführung innehat. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs soll maßgebend sein, ob die Behörde ein Verfügungsrecht kraft G e- setzes oder - gegebenenfalls stillschweigender - Vereinbarung erhält (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. November 2011 - BVerwG 7 C 4.11 - NVwZ 2012, S. 251). Liegt eine Information bei mehreren informationspflichtigen Stellen vor, sind grundsätzlich be i- de Stellen zur Verfügung berechtigt. Denn im Regelfall besteht eine Übereinstim- mung zwischen Besitz und Verfügungsberechtigung (vgl. VG Berlin, Urteil vom 15. März 2013 - VG 2 K 108.12 -, zur Veröffentlichung in juris vorgesehen; Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2009, § 7 Rn. 29). Von diesem Regelfall ist hier ausnahmsweise nicht auszugehen. a. Urheber der Unterlagen in den Dokumenten 406 – 411 ist das Bundesamt für Ver- fassungsschutz. Es handelt sich im Einzelnen um einen Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz an das Bundesinnenministerium und das Bundeskanzleramt zur Zusammenarbeit der ehemaligen RAF mit dem früheren Ministerium für Staatss i- cherheit der DDR bzw. zur Festnahme der RAF-Terroristin S_____ in der DDR und um Sprechzettel zur Vorbereitung des in die Sitzungen des Parlamentarischen Kont- rollgremiums entsandten Mitglieds des Nachrichtendienstes. - 10 -
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- 10 - Urheber der Unterlagen in den Dokumenten 412 – 418 sind der Bundesnachrichten- dienst und das Bundeskriminalamt. Diese Unterlagen enthalten eine Stellungnahme des Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes an den damaligen Staatsminister im Bundeskanzleramt (dem als Anlagen u.a. Personenerkenntnisse des Bundes- nachrichtendienstes, Quellenberichte und verschiedene gutachterliche Stellungnah- men u.a. zum internationalen und Staatsterrorismus beigefügt sind), ein Antwort- schreiben des Bundesnachrichtendienstes an das Bundeskanzleramt in Folge eines vorangegangenen Informationsbegehrens des Klägers, Schriftwechsel zwischen dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundeskriminalamt (betreffend die kriminaltech- nische Untersuchung von in Reisepässen ehemaliger RAF-Mitglieder befindlichen Ein- und Ausreisestempeln) sowie Zielfahndungs- und Quellenberichte des Bundes- kriminalamtes aus dem Umfeld der ehemaligen RAF. b. Das Bundeskanzleramt hat die genannten Unterlagen im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben vom Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt erhalten. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über den Bundesnachrichtendienst – BNDG – ist der Bundesnachrichtendienst eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundeskanzleramts. Dementsprechend übt das Bundeskanzleramt als oberste Bu n- desbehörde, durch seine Abteilung 6, die Dienst- und Fachaufsicht über den ihm nachgeordneten Bundesnachrichtendienst aus (vgl. Nr. 1 der Bekanntmachung eines Organisationserlasses des Bundeskanzlers vom 3. Mai 1989, GMBl. Nr. 21, S. 901). Nach § 12 Satz 1 BNDG unterrichtet der Bundesnachrichtendienst das Bundeskan z- leramt über seine Tätigkeit. Teil der Abteilung 6 des Bundeskanzleramtes ist ferner der Beauftragte für die Nachrichtendienste. Zu dessen Aufgaben gehört die Koord i- nierung und Intensivierung der Zusammenarbeit des Bundesnachrichtendienstes, des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes (vgl. Nr. III des vorbezeichneten Organisationserlasses vom 3. Mai 1989). Dazu zählt unter anderem die Koordinierung und Vorbereitung von Sitzungen der Parlamentar i- schen Kontrollkommission (heute: Parlamentarisches Kontrollgremium - PKGr -), deren Mitglieder des Bundestages regelmäßig durch die Bundesregierung Einblick in die Arbeit der deutschen Geheimdienste erhalten (Nr. IIII 1 c). In diesem Kontext sind auch die Unterlagen des Bundeskriminalamtes an das Bundeskanzleramt über- mittelt worden, da das Bundeskriminalamt hier die polizeiliche Aufgabe der Strafver- folgung auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung wahrgenommen und mit den Nachrichtendiensten des Bundes zusammengearbeitet hat. - 11 -
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