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Aktenzeichen
26 K 3489/11
Datum
6. März 2012
Gericht
Verwaltungsgericht Düsseldorf
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)
Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG)

Urteil: Verwaltungsgericht Düsseldorf am 6. März 2012

26 K 3489/11

Das Verwaltungsgericht bejaht den Anspruch des Klägers (ein Journalist) auf Einsicht in das Gutachten des Rechtsamtes einer Stadt zu möglichen Haftungsansprüchen im Zusammenhang mit getätigten Derivatgeschäften. Ein über die Frage der Beraterhaftung (Haftung von Banken) und über die Frage von möglichen Ansprüchen der Stadt erstelltes Rechtsgutachten fällt nicht unter den Ausschlusstatbestand, der den Entwurf für eine Entscheidung oder eine Arbeit zur unmittelbaren Vorbereitung einer Entscheidung vom Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen ausnimmt. Rechtsgutachten über Vorfragen und Stellungnahmen von Fachbehörden fallen nicht unter dieser Ausnahmeregelung. Das Gutachten ist auch nicht Teil des Willensbildungsprozesses; dieser ist vielmehr bereits abgeschlossen. Bei dem Rechtsgutachten handelt es sich weder um Geschäftsgeheimnisse der Gemeinde, noch wurden Geschäftsgeheimnisse Dritter vorgetragen. Das Pressegesetz Nordrhein-Westfalen ist keine spezialgesetzliche Regelung im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen. Soweit die öffentliche Zugänglichkeit durch das Informationsfreiheitsgesetz jedem Bürger eröffnet wird, steht der Zugang unter gleichen Bedingungen auch Pressevertretern zu. (Quelle: LDA Brandenburg)

Anwendungsbereich/ Zuständigkeit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Konkurrierende Rechtsvorschriften Begriffsbestimmung Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess) Entwürfe oder Vorarbeiten

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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 1 von 8 Verwaltungsgericht Düsseldorf, 26 K 3489/11 Datum:                   06.03.2012 Gericht:                 Verwaltungsgericht Düsseldorf Spruchkörper:            26. Kammer Entscheidungsart:        Urteil Aktenzeichen:            26 K 3489/11 Schlagworte:             Informationsfreiheit Rechtsgutachten Derivatenhandel Swap Akteneinsicht Willensbildung Normen:                  IFG NRW § 2 Abs 1; IFG NRW § 4; IFG NRW § 7;§ 4 PresseG NRW Leitsätze:               1. Ein über die Frage der Beraterhaftung (Haftung der Banken) und über die Frage von möglichen Ansprüchen der Stadt erstelltes Rechtsgutachten fällt nicht unter die Vorschrift des § 7 Abs. 1 IFG NRW. 2. Das Rechtsgutachten ist auch nicht als ein Teil des Willensbildungsprozesses anzusehen, so dass auch § 7 Abs. 2 lit. a) IFG NRW dem Informationsanspruch nicht entgegensteht. Tenor:                   Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04.05.2011 verpflichtet, dem Kläger Einsicht in das Gutachten des Rechtsamtes der Beklagten aus dem Jahr 2008 zu möglichen Haftungsansprüchen der Stadt N im Zusammenhang mit getätigten Derivatgeschäften zu gewähren. Die Beklage trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklage darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizu-treibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Voll-streckung Sicherheit in derselben Höhe leistet. Die Berufung wird zugelassen. Der Kläger ist stellvertretender Redaktionsleiter der Lokalredaktion der X Zeitung (X)         1 in N. Mit Email vom 04.04.2011 beantragte der Kläger, ihm Einsicht in das Gutachten des              2 Rechtsamtes der Beklagten aus dem Jahr 2008 zu möglichen Haftungsansprüchen der Beklagten im Zusammenhang mit getätigten Derivatgeschäften zu gewähren. 3 http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 2 von 8 Mit Bescheid vom 06.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Weder § 4 PresseG noch § 4 Informationsfreiheitsgesetz NRW kämen als Anspruchsgrundlage in Betracht. Aus § 4 PresseG NRW, wonach Behörden den Vertretern der Presse zur Auskunft verpflichtet seien, lasse sich angesichts des klaren Wortlauts kein Anspruch auf Akteneinsicht oder ein Anspruch auf Herausgabe von Unterlagen herleiten. Zum Informationsanspruch aus dem IFG NRW führte sie unter Berufung auf die Vorschrift des § 7 Abs. 2 lit. a) IFG NRW aus, das erbetene Rechtsgutachten, das sich mit möglichen Ansprüchen der Stadt im Zusammenhang mit Derivatgeschäften befasse, diene dem Prozess der Willensbildung innerhalb der Behörde. Ziel der rechtlichen Beratung sei es, bei der internen Willensbildung Hilfe zu leisten. Darin werde eine Bewertung abgegeben, die nicht nur Gegenstand der verwaltungsinternen Entscheidungsbildung und der internen Entscheidungsfindung in der Sitzung des Finanzausschusses am 11.04.2011 gewesen sei, sondern auch Gegenstand der Folgesitzungen des Finanzausschusses sein werde. Durch eine Offenlegung des Gutachtens würde eine Bewertung offenbart, die eine nach außen zu treffende Entscheidung der Stadt angreifbar machen könnte. Da der Prozess der Willensbildung gemäß § 7 Abs. 3 IFG NRW auch nach Abschluss der Entscheidung geschützt sei, komme eine Herausgabe des Gutachtens auch nach der Sitzung des Finanzausschusses vom 11.04.2011 nicht in Betracht. Der Kläger hat am 07.06.2011 Klage erhoben und zugleich den Erlass einer                       4 einstweiligen Anordnung beantragt. Durch einen noch am gleichen Tage ergangenen Beschluss hat die Kammer den Antrag nach § 123 VwGO mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes abgelehnt (26 L 909/11). Der Kläger trägt im vorliegenden Hauptsacheverfahren unter Bezugnahme auf ein                  5 Urteil des Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) vom 17.05.2006 – 8 A 1642/05 – und die dortigen Entscheidungsgründe vor: Sein Anspruch folge aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Die Ablehnung des Antrags sei zu Unrecht erfolgt. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 a) IFG NRW lägen nicht vor. Der Inhalt der Information, also das Gutachten, beziehe sich gerade nicht auf den Prozess der Willensbildung innerhalb der Beklagten. Vielmehr bilde das Rechtsgutachten nur die Grundlage für die daraufhin beginnende interne Willensbildung. Der Kläger beantragt,                                                                          6 die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 04.05.2011 zu                                7 verpflichten, ihm - dem Kläger - Einsicht in das Gutachten des Rechtsamtes der Beklagten aus dem Jahr 2008 zu möglichen Haftungsansprüchen der Stadt N im Zusammenhang mit getätigten Derivatgeschäften zu gewähren. Die Beklagte beantragt,                                                                        8 die Klage abzuweisen.                                                                          9 Sie nimmt Bezug auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus: Das                   10 vom Kläger angeführte Urteil des OVG NRW sei nicht einschlägig. Es betreffe eine andere Fallgestaltung. Der Inhalt eines Rechtsgutachtens unterscheide sich in wesentlicher Hinsicht von dem Inhalt eines Prüfungsberichts des Rechnungsprüfungsamtes, welcher Gegenstand der oberverwaltungsgerichtlichen Entscheidung gewesen sei. Ein Rechnungsprüfungsbericht beinhalte einen aufbereiteten Sachverhalt und die hierzu vom Rechnungsprüfungsamt festgestellten finanztechnischen Fakten. Ein Rechtsgutachten hingegen bewerte eine bestimmte Sachlage und gebe eine Einschätzung wieder, die intern beraten werden müsse. Es http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 3 von 8 zeige verschiedene Handlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung eines etwaigen Prozessrisikos auf. Die Bewertung durch das Rechtsamt solle bei der internen Willensbildung Hilfestellung leisten und beziehe sich somit auf den Prozess der verwaltungsinternen Entscheidungsbildung und –findung. Im übrigen sei der behördliche Entscheidungsbildungsprozess noch nicht abgeschlossen. Die Frage, ob die Beklagte gegen die beratenden Banken vorgehe, sei noch nicht abschließend entschieden. Beschlossen sei vielmehr, dass ein externes Gutachten zu möglichen Ansprüchen der Beklagten eingeholt werde. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt               11 der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten ergänzend Bezug genommen. Entscheidungsgründe:                                                                          12 Die zulässige Klage ist begründet.                                                            13 Die Ablehnung der beantragten Einsichtnahme in das Rechtsgutachten durch den                  14 Bescheid des Beklagten vom 04.05.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Einsichtnahme in dieses Rechtsgutachten.                    15 Der vom Kläger begehrte Anspruch auf Zugang zu den hier in Rede stehenden                     16 Rechtsgutachten ergibt sich aus § 4 Abs. 1 IFG NRW. Danach hat jede natürliche Person nach Maßgabe des Informationsfreiheitsgesetzes gegenüber den in § 2 genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Die Regelungen des Informationsfreiheitsgesetzes sind auf den vorliegenden Fall               17 anwendbar. Gemäß § 2 Abs. 1 IFG NRW gilt dieses Gesetz für die Verwaltungstätigkeit der                  18 Behörden, Einrichtungen und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts und deren Vereinigungen (öffentliche Stellen). Behörde ist danach jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Das Rechtsgutachten ist durch eine Behörde der beklagten Gemeinde erstellt                    19 worden, mithin von einer öffentliche Stelle im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW. Die Tätigkeit der dem Beklagten angehörenden Rechtsabteilung ist auch eine                    20 Verwaltungstätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW. Der in § 2 Abs. 1 IFG NRW gewählte Begriff der Verwaltungstätigkeit beschränkt                21 den Informationszugang nicht auf solche Informationen, die ein nach "außen" gerichtetes Verwaltungshandeln betreffen. Dies ergibt sich aus dem in § 1 IFG NRW umschriebenen Zweck des Gesetzes, wonach der freie Zugang zu den bei den öffentlichen Stellen vorhandenen Informationen zu gewährleisten ist. Hinsichtlich dieser Informationen differenziert das Gesetz nicht zwischen verwaltungsinterner Tätigkeit und Handeln nach außen. Mit dem Informationsfreiheitsgesetz ist ein umfassender verfahrensunabhängiger Anspruch auf Informationszugang für jede natürliche Person bezweckt. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 4 von 8 OVG NRW, Urteil vom 17.Mai 2006 - 8 A 1642/05 – Juris.                                        22 Der Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz wird für den Kläger               23 nicht durch die Subsidiaritätsklausel des § 4 Abs. 2 Satz 1 IFG NRW ausgeschlossen. Danach treten die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes zurück, soweit besondere Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen, die Auskunftserteilung oder die Gewährung von Akteneinsicht bestehen. Darunter sind bereichsspezifische Gesetze des Bundes oder des Landes zu verstehen, die einen Informationsanspruch regeln. Vgl. Gesetzentwurf zum Informationsfreiheitsgesetz NRW, LT-Drs. 13/1311, S. 11.               24 § 4 PresseG NRW, der einen dem Kläger als Journalist grundsätzlich zustehenden                25 Auskunftsanspruch begründet, ist keine derartige spezialgesetzliche Regelung. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Februar 2012 - 5 A 166/10 – Juris.                                26 Der presserechtliche Auskunftsanspruch bezweckt eine Privilegierung der Presse                27 und des Rundfunks (§ 26 Abs. 1 PresseG NRW) gegenüber sonstigen Auskunftsuchenden. Er soll Presse und Rundfunk ermöglichen, die ihnen verfassungsrechtlich garantierte Funktion der Berichterstattung im Interesse einer politischen Willensbildung des Volkes auch über Vorgänge im staatlichen Bereich zu erfüllen. In der freiheitlich-demokratischen Grundordnung soll er die Behörden zu einem Verhalten veranlassen, das in Angelegenheiten von öffentlichem Interesse von Offenheit geprägt ist. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Februar 2012 a.a.O., m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom                  28 26. Oktober 2011 8 A 2593/10 – Juris. Diesem Regelungszweck entspricht es, Pressevertretern neben dem                               29 presserechtlichen Auskunftsanspruch auch weitere gesetzlich vorgesehene Informationsansprüche zu eröffnen, die der demokratischen Willensbildung des Volkes dienen sollen. Das ist bei dem jedermann zustehenden Informationsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz der Fall. Seine Einführung beruht darauf, dass in der Informationsgesellschaft die bloße Möglichkeit nicht mehr als ausreichend angesehen wird, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Vgl. Gesetzesbegründung, LT-Drs. 13/1311, S. 1.                                               30 Zudem wäre es mit der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Pressefreiheit               31 nicht vereinbar, einen Informationszugang, der jedem Bürger offen steht, für Journalisten zu versperren. Soweit die öffentliche Zugänglichkeit durch das Informationsfreiheitsgesetz jedem Bürger eröffnet wird, steht der Zugang unter gleichen Bedingungen auch den Vertretern der Presse zu. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Februar 2012 a.a.O.                                               32 Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist ferner nicht durch § 8 IFG NRW                   33 ausgeschlossen. Nach Satz 1 dieser Regelung ist der Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Geschäftsgeheimnisse in diesem Sinne betreffen den kaufmännischen Teil eines Gewerbebetriebes, der nur einem begrenzten http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 5 von 8 Personenkreis bekannt ist und mit Blick auf die berechtigten wirtschaftlichen Interessen nach dem Willen des Unternehmers geheim gehalten werden sollen. Hierzu zählen Preiskalkulationen, Bezugsquellen, Ertragslage, Kreditwürdigkeit, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien sowie Kundenlisten. OVG NRW, Urteil vom 17.Mai 2006, a.a.O., m.w.N.                                               34 Zwar kann nach § 8 Satz 5 IFG NRW auch eine öffentliche Stelle Betroffener sein,              35 indes handelt es sich nach den vorgenannten Grundsätzen bei dem Rechtsgutachten nicht um solche Geschäftsgeheimnisse. Es ist auch seitens des Beklagten nicht vorgetragen worden, dass in dem streitgegenständlichen Rechtsgutachten schützenswerte Geschäftsgeheimnisse von Dritten konkret enthalten sind, die dem vom Kläger geltend gemachten Informationsanspruch dem Grunde nach entgegenstehen und denen nicht ggf. durch eine Schwärzung der entsprechenden Passagen in den Unterlagen Rechnung getragen werden könnte. Der vom Kläger begehrten Einsichtnahme steht auch § 7 IFG NRW nicht entgegen.                 36 Gemäß § 7 Abs. 1 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen für                 37 Entwürfe zu Entscheidungen, für Arbeiten und Beschlüsse zu ihrer unmittelbaren Vorbereitung sowie für Protokolle vertraulicher Beratungen. Bei dem Rechtsgutachten handelt es sich nicht um einen Entwurf für eine                       38 Entscheidung oder um eine Arbeit zur unmittelbaren Vorbereitung der Entscheidung. Rechtsgutachten über Vorfragen und Stellungnahmen von Fachbehörden fallen                     39 nicht unter die Vorschrift des § 7 Abs. 1 IFG NRW, denn der Begriff der unmittelbaren Vorbereitung ist eng zu fassen, vgl. Franßen/Seidel, Praxiskommentar zum Informationsfreiheitsgesetz NRW, 1.                  40 Aufl. 2009, § 7 Anm. 819 f. unter Verweis auf § 4 Abs. 1 S. 2 IFG-Bund. Aber selbst wenn man das Rechtsgutachten unter den Begriff der unmittelbaren                  41 Vorbereitung fassen wollte, so wäre ein Informationszugang deshalb nicht ausgeschlossen. Der Willensbildungsprozess ist nämlich bereits abgeschlossen, denn die Beklagte hat seinerzeit, wie aus der Stellungnahme der Verwaltung vom 16.06.2008 zu der Anfrage der MBI-Fraktion vom 20.05.2008 hervorgeht, auf Grundlage des Rechtsgutachtens eine Klage gegen die Banken mangels nachweisbarer Falschberatung nicht für erfolgversprechend gehalten. In der Folgezeit bis heute hat die Beklagte von einer entsprechenden Klage abgesehen. Gemäß § 7 Abs. 3 S. 1 IFG NRW sind Informationen, die nach Abs. 1 vorenthalten worden sind, nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens zugänglich zu machen. Soweit die Beklagte einwendet, der Entscheidungsprozess sei noch nicht                        42 abgeschlossen, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Bei der im Jahr 2008 getroffenen Entscheidung keine Klage zu erheben, handelte es sich um eine abschließende Entscheidung. Soweit nunmehr aufgrund des Beschlusses des Finanzausschusses vom 06.06.2011 ein externes Gutachten zu den Erfolgsaussichten einer städtischen Klage gegen die Commerzbank und/oder West LB eingeholt werden soll oder eingeholt worden ist, wird bzw. wurde hiermit allenfalls ein erneuter Entscheidungsfindungsprozess in Gang gesetzt. Die im Jahr 2008 getroffene Entscheidung wird hiervon nicht berührt. Diese mag abgeändert werden aufgrund einer erneuten Willensentscheidung. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 6 von 8 Der den Informationszugang über den Verfahrensabschluss hinaus sperrende § 7                  43 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW greift im vorliegenden Fall nicht ein; er findet allein auf Protokolle vertraulichen Inhalts Anwendung. Der Begriff des Protokolls erfasst im Allgemeinen nur die förmliche Niederschrift der wesentlichen Punkte einer Sitzung des jeweils zuständige Gremiums. Ein als Beratungsgrundlage herangezogenes Rechtsgutachten ist kein Protokoll in diesem Sinne, sondern Bestandteil der Arbeitsgrundlagen, auf deren Basis die Beratung erfolgt. § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW ist auch nicht über seinen Wortlaut hinaus im Wege                  44 richterlicher Rechtsfortbildung auf Rechtsgutachten anzuwenden, die der Vorbereitung der Entscheidung zu dienen bestimmt sind. Der Zweck des § 7 IFG NRW ist darauf ausgerichtet, die Effektivität des Verwaltungshandelns zu gewährleisten. Die Regelung in Abs. 1 soll dafür Sorge tragen, dass die interne behördliche Entscheidungsfindung möglichst ungestört abläuft. Die Beratungen und der Prozess der Willensbildung sollen weitestgehend frei von äußeren Einflüssen sein. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Mai 2006 a.a.O. unter Bezugnahme auf die                         45 Gesetzesbegründung, LT-Drucks. 13/1311, S. 13. Nach Abschluss dieses Entscheidungsfindungsprozesses besteht grundsätzlich kein 46 Bedürfnis mehr an einer Geheimhaltung. Dies wird durch Abs. 3 Satz 1 klargestellt, wonach die gemäß Abs. 1 vorenthaltenen Informationen nach Abschluss des Verfahrens zugänglich zu machen sind. Die einzige Ausnahme hiervon sieht Abs. 3 Satz 2 für Protokolle vertraulicher Beratungen vor, die dauerhaft dem öffentlichen Zugriff entzogen werden. Mit dieser Regelung soll bei vertraulichen Beratungen ebenfalls der Prozess der Entscheidungsfindung geschützt werden. Hiermit soll ausgeschlossen werden, dass der Ablauf von vertraulichen Beratungen, die einzelnen von den Gremiumsmitgliedern bezogenen Positionen und Wortbeiträge sowie ihr Abstimmungsverhalten von der Öffentlichkeit nachvollzogen werden können. Dies dient letztlich dazu, dass in vertraulichen Beratungen in einer Atmosphäre der Offenheit und ohne von außen hineingetragene Interessenkollisionen ein allein an der Sache orientierter Austausch von Argumenten sowie eine unbeeinflusste Abstimmung erfolgen können und auch für die Zukunft weiterhin gewährleistet sind. Ausgehend von diesem Verständnis des § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW ist das hier in                47 Rede stehenden Gutachten nicht von dieser Regelung umfasst. Bei dem Rechtsgutachten handelt es sich nur um eine Arbeitsgrundlage für die Verwaltung, die keinerlei Rückschluss auf den Prozess der Entscheidungsfindung ermöglicht. Auf der Grundlage dieses Rechtsgutachtens kann nicht nachvollzogen werden, welcher Mitarbeiter oder welche Stelle der Beklagten im Rahmen der Entscheidungsfindung welche Position vertreten hat, so dass der Schutzzweck der Regelung des § 7 Abs. 3 Satz 2 IFG NRW nicht eingreift. Entsprechend der Bedeutung des Informationszugangsanspruchs sind die Ausnahmeklauseln "eng" zu verstehen. Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17. Mai 2006 a.a.O. unter Bezugnahme auf die                         48 Gesetzesbegründung, LT-Drucks. 13/1311, S. 9. Nach § 7 Abs. 2 lit. a) IFG NRW soll ein Antrag auf Informationszugang abgelehnt              49 werden, wenn sich der Inhalt der Information auf den Prozess der Willensbildung innerhalb von und zwischen öffentlichen Stellen bezieht. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 7 von 8 Während bei Vorliegen eines Ablehnungsgrundes nach Absatz 1 der Antrag                        50 abgelehnt werden muss, ist das bei Absatz 2 nicht zwingend der Fall. Vielmehr bedeutet die "Soll"-Anordnung, dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der Informationszugang im Regelfall abgelehnt wird, wichtige Gründe jedoch ein Abweichen hiervon erlauben. Franßen/Seidel, a.a.O., § 7 Anm. 831.                                                         51 Zweck der Bestimmung ist es, die nach außen vertretene Entscheidung einer                     52 Behörde nicht dadurch angreifbar zu machen, dass interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen zwischen mehreren beteiligten Stellen veröffentlicht werden. Das Prinzip der Einheit der Verwaltung soll dazu führen, dass staatliche Maßnahmen nicht als Entscheidung einer bestimmten Person oder einer Organisationseinheit, sondern als solche des Verwaltungsträgers wahrgenommen werden. Aufgrund dessen ist zwischen den Grundlagen und Ergebnissen der Willensbildung auf der einen Seite und dem eigentlichen Prozess der Willensbildung zu unterscheiden. Der Ausschlussgrund greift deshalb nur für Anordnungen, Äußerungen und Hinweise ein, die die Willensbildung steuern sollen. Soweit hingegen der Inhalt der Entscheidung betroffen ist, wie etwa bei der Mitteilung von Tatsachen oder Hinweisen auf die Rechtslage, ist dies nicht als ein Teil des Willensbildungsprozesses anzusehen mit der Folge, dass die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes nicht vorliegen. OVG NRW, Urteil vom 09. November 2006 – 8 A 1679/04 – Juris.                                  53 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Rechtsgutachten aus dem Jahr 2008                    54 nicht als Teil des Willensbildungsprozesses anzusehen. Dass das Rechtsgutachten eine konkrete Handlungsempfehlung ausspricht oder gar eine Handlungsvorgabe enthält, ist von der Beklagten nicht dargetan. Im Allgemeinen besteht der Sinn eines Rechtsgutachtens darin, von sachverständiger Stelle einen Sachverhalt unter Rechtsvorschriften zu subsumieren, zu ermitteln, welche Rechtsvorschriften Anwendung finden und welche Rechtsfolgen an welche Voraussetzungen geknüpft sind. Hierbei sind alle in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen auszuloten, ggfs. auch Auslegungsmöglichkeiten und Auslegungsschwierigkeiten aufzuzeigen, um den Entscheidungsträgern, die nicht notwendig das erforderliche rechtswissenschaftliche Fachwissen haben, die sachgerechte Entscheidung eines Sachverhaltes zu ermöglichen. Das Rechtsgutachten mag eine Einschätzung des Prozessrisikos enthalten. Hieraus folgt jedoch nicht seine Einordnung in den Willensbildungsprozess, denn die Entscheidung über die Führung eines Prozesses trifft entweder – sofern es als Geschäft der laufenden Verwaltung einzuordnen ist - der Bürgermeister oder anderenfalls der Rat (vgl. 41 Abs. 3 GO NRW). Durch die Veröffentlichung des Rechtsgutachtens als solches werden nicht etwa interne Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Auffassungen zwischen mehreren beteiligten Stellen veröffentlicht. Insoweit unterscheidet sich das Rechtsgutachten z. B. von Protokollen und Vermerken über etwaige Gespräche zwischen Vertretern der verschiedenen Fachämter, die auf Grundlage eines solchen Rechtsgutachtens geführt werden und unmittelbar Aufschluss über den Willensbildungsprozess geben können. Vgl. etwa VG Arnsberg, Beschluss vom 12. Juni 2006 – 12 L 502/06 – Juris                      55 (Beratungen von Behörden mit den konsultierten Rechtsanwälten zur Frage, wie in einem Amtshaftungsprozess vorgetragen werden soll). http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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Verwaltungsgericht Düsseldorf, Informationsfreiheitsrecht - Anspruch auf Einsicht i... Seite 8 von 8 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.                                           56 Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.              57 §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war gemäß §§ 124a, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil die                    58 entscheidungserhebliche Frage, ob das Informationsfreiheitsrecht auch den Anspruch auf Einsicht in ein vom Rechtsamt gefertigtes Rechtsgutachten umfasst bzw. ob einem solchen Anspruch Sperrvorschriften entgegenstehen, obergerichtlich noch nicht geklärt ist, eine Klärung dieser Rechtsfrage jedoch über den zu entscheidenden konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die Auslegung bzw. Anwendung des einschlägigen Gesetzes hat und von allgemeinem Interesse ist. http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_duesseldorf/j2012/26_K_3489_11urteil20120... 07.08.2014
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