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Aktenzeichen
11 K 2221/10
Datum
4. November 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Hamburg
Gesetz
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)
Informationsfreiheitsgesetz (Hamburg)

Beschluss: Verwaltungsgericht Hamburg am 4. November 2010

11 K 2221/10

Für das Begehren eines Insolvenzverwalters auf Einsicht in die bei einem Finanzamt geführte Steuerakte des Insolvenzschuldners ist grundsätzlich der Finanzrechtsweg gegeben. Auch ein Streit über die Vollstreckung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ist ein Streit in Abgabeangelegenheiten. Die bundesrechtlichen Vorschriften der Finanzgerichtsordnung zum Finanzrechtsweg stellen auch für Informationsansprüche aus dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz eine abdrängende Sonderzuweisung dar. Das Verwaltungsgericht verweist die Angelegenheit an das zuständige Finanzgericht. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften Prozessuales

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11 K 2221/10 Verwaltungsgericht Hamburg Beschluss In der Verwaltungsrechtssache hat das Verwaltungsgericht Hamburg, Kammer 11, am 4. November 2010 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht den Richter am Verwaltungsgericht den Richter beschlossen: Der Verwaltungsrechtsweg ist unzulässig. Der Rechtstreit wird an das zuständige Finanzgericht Hamburg verwiesen. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten und sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu. Sie ist innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses schriftlich beim Verwaltungsgericht Hamburg, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, einzulegen. Die Beschwerdefrist wird auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist beim Hamburgischen Oberverwaltungsgericht, Lübeckertordamm 4, 20099 Hamburg, eingeht. Eine Beschwerde in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt. Der Beschwerde sowie allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die Beteiligten beigefügt werden. Vor dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte und Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Ferner sind die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ergänzend wird wegen der weiteren Einzelheiten auf § 67 Abs. 2 Satz 3, Abs. 4 und Abs. 5 VwGO verwiesen.
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-2- Gründe I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Einsicht in eine Vollstreckungsakte. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Privatperson. In dieser Eigenschaft verlangte er unter Berufung auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz von einem Finanzamt der Beklagten Einsicht in die zu dieser Person geführte Vollstreckungsakte. Die Beklagte lehnte dies ab und wies den dagegen erhobenen Einspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Abgabenordnung bewusst von einem Akteneinsichtsrecht absehe. Hinter diese speziellere Regelung müssten die allgemeineren Regelungen der Informationsfreiheitsgesetze zurück treten. In der Rechtsbehelfsbelehrung wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass er Klage beim Finanzgericht Hamburg erheben könne. Der Kläger hat jedoch Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben und verweist darauf, dass dieses für Ansprüche nach dem Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetz zuständig sei. Die Beklagte macht demgegenüber geltend, dass die Klage vor dem Verwaltungsgericht unzulässig sei, weil § 33 FGO eine abdrängende Sonderzuweisung darstelle. Bei der Streitigkeit handele es sich um eine Abgabenangelegenheit im Sinne dieser Vorschrift. II. Da die Beklagte die Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gerügt hat, ist hierüber gemäß § 17a Abs. 3 Satz 2 GVG vorab im Beschlusswege zu entscheiden. Das Verfahren ist nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Finanzgericht Hamburg zu verweisen, weil der beschrittene Verwaltungsrechtsweg unzulässig ist. Dies folgt aus § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO. Bei dem auf das Hamburgische Informationsfreiheitsgesetz gestützten Auskunftsbegehren des Klägers handelt es sich zwar um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art. Sie wird allerdings durch Bundesgesetz - den § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO - den -3-
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-3- Finanzgerichten ausdrücklich zugewiesen (anders für den Rechtsweg zu den Sozialgerichten nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG: OVG Hamburg, Beschl. v. 16.2.2009, NordÖR 2009, 258, 259). Hiernach ist der Finanzrechtsweg gegeben in öffentlich- rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden. Der Begriff der „Abgabenangelegenheiten“ umfasst gemäß § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO im Wesentlichen alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten. Seine Auslegung wird maßgeblich bestimmt durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Danach ist die Frage, ob eine Abgabenangelegenheit und damit der Finanzrechtsweg gegeben ist, nach dem Klagebegehren zu beantworten, wie es sich aus dem dem Klageantrag zugrunde liegenden Sachverhalt ergibt (ständige Rspr. des BFH seit Urt. v. 14.10.1975, VII R 40/74, BFHE 117, 23, 26, juris Rn. 15; vgl. auch: BFH, Urt. v. 29.2.2000, VII R 109/98, BFHE 191, 311, 314 = NJW 2001, 462, 463, juris Rn. 12; Urt. v. 6.2.2001, VII B 277/00, BFHE 194, 26, 31, juris Rn. 17; Urt. v. 18.11.2003, VII B 277/03, BFHE 203, 544, 547, juris Rn. 11). Ein Anspruch auf Akteneinsicht bzw. Auskunftserteilung ist eine Abgabenangelegenheit (Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand: September 2010, § 33 FGO, Rn. 336; von Beckerath in: Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand: September 2010, § 33 FGO, Rn. 156; Seer in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Stand: Juni 2010, § 33 FGO, Rn. 24; Koch in: Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 33 Rn. 30 „Auskunft“), wenn Einsicht in Unterlagen bzw. Auskunft aus Unterlagen begehrt wird, die Grundlage der Besteuerung sein können (Betriebsprüfungsbericht: BFH, Urt. v. 7.5.1985, VII R 25/82, BFHE 143, 503, 504 f. = NJW 1985, 2440, juris Rn. 6; von Beckerath in: Beermann/ Gosch, a.a.O., Rn. 146; Name eines Informanten: Urt. v. 6.5.1997, VII B 4/97, BFHE 182, 515, 518, juris Rn. 14) oder die Angaben aus einem durchgeführten Steuerverfahren stammen (Umsatzsteuerguthaben: BFH, Urt. v. 14.7.1987, VII R 116/86, BFHE 150, 396, 397 = NJW 1988, 1407, juris Rn. 14). Dies ergibt sich aus dem sachlichen Zusammenhang zwischen der Weitergabe der Daten und ihrer Erhebung aufgrund abgabenrechtlicher -4-
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-4- Vorschriften (vgl. BFH, Urt. v. 2.12.1976, IV R 2/76, BFHE 120, 571,574 = NJW 1978, 78, juris Rn. 16). Danach ist für das Begehren eines Insolvenzverwalters auf Einsicht in die bei einem Finanzamt geführten Steuerakten des Insolvenzschuldners grundsätzlich der Finanzrechtsweg gegeben (a.A: VG Hamburg, Beschl. v. 17.5.2010, 7 K 429/09). Ausnahmsweise ist der Zivilrechtsweg eröffnet für einen Auskunftsanspruch, der sich aus einem durch Anfechtung nach der Insolvenzordnung begründeten Rückgewährschuldverhältnis ergibt (so: BFH, Beschl. v. 26.4.2010, VII B 229/09, juris Rn. 11). Zu den Steuerakten gehören auch die Vollstreckungsakten, denn die in ihnen enthaltenen Informationen sind aufgrund der §§ 249 ff. AO über die Vollstreckung von Abgabenforderungen gewonnen worden (vgl. FG Hamburg, Beschl. v. 2.7.2010, 6 K 75/09, juris Rn. 15). So ist auch ein Streit über die Vollstreckung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis ein Streit in Abgabenangelegenheiten (Birkenfeld in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., Rn. 285; von Beckerath in: Beermann/Gosch, a.a.O., Rn. 147), ohne dass dies in Zweifel gezogen wird. Ob § 3 Abs. 2 Nr. 5 des Hamburgischen Informationsfreiheitsgesetzes (HmbIFG) vom 17. Februar 2009 (HmbGVBl. S. 29) zwischen den Akten der Steuererhebung, -festsetzung und - vollstreckung unterscheidet, ist aufgrund von Art. 31 GG für die Auslegung der bundesrechtlichen Bestimmung des § 33 FGO ohne Bedeutung. Die abgabenrechtlichen Vorschriften der §§ 249 ff. AO sind daher auch bei der Entscheidung anzuwenden, unter welchen Voraussetzungen die danach erhobenen Daten weitergegeben werden können. Ob bei dieser Entscheidung Vorschriften aus anderen Rechtsgebieten gleichfalls zu berücksichtigen sind, ist für die Bestimmung des Rechtswegs ohne Belang (anders VG Hamburg, Beschl. v. 17.5.2010, a.a.O.). Die Frage der Zulässigkeit des Finanzrechtswegs kann nicht davon abhängig gemacht werden, welcher Natur die Rechtsfragen sind, die den Schwerpunkt des Rechtsstreits bilden. So ist es nicht zweifelhaft, dass im Rahmen der Rechtswegzuweisung des § 33 FGO die Finanzgerichte eine Vorfragenkompetenz haben, und es kommt nicht selten vor, dass der Schwerpunkt eines Rechtsstreits bei den Vorfragen liegt (vgl. BFH, Urt. v. 14.7.1987, a.a.O., Rn. 12). Für eine derart weite Auslegung des Begriffs der „Abgabenangelegenheiten“ spricht insbesondere, dass Rechtswegregelungen in besonderem Maße von Zweckmäßigkeitserwägungen bestimmt sind. Rechtsstreitigkeiten sollen möglichst durch -5-
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-5- die Gerichte entschieden werden, die durch besondere Sachkunde und Sachnähe dazu berufen sind (vgl. BFH, Urt. v. 26.3.1985, VII B 12/85, BFHE 142, 534, 537, juris Rn. 13; Urt. v. 15.4.1986, VII R 106/85, BFHE 146, 298, 301 = BayVBl. 1987, 345, 346, juris Rn. 11). Eine sachwidrige Aufspaltung des Rechtswegs für eng miteinander verwandte, trotz unterschiedlicher Anspruchsinhalte demselben Regelungsziel dienende Ansprüche gilt es zu vermeiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.1993, BVerwGE 94, 1, 8 f.). Dem steht § 15 Abs. 7 HmbIFG, wonach die Vorschriften über den Rechtsschutz nach der Verwaltungsgerichtsordnung unberührt bleiben, nicht entgegen. Aufgrund von Art. 31 GG kann diese landesrechtliche Vorschrift nicht den Anwendungsbereich eines Bundesgesetzes einschränken. Bei einem Zusammenhang mit Daten, welche aus einem Steuerverfahren stammen, dürften daher am sachnähesten die Finanzgerichte sein, denen die Anwendung abgabenrechtlicher Vorschriften besonders vertraut ist. Hiernach stellt das Begehren des Klägers auf Akteneinsicht in die Vollstreckungsakte des Insolvenzschuldners eine Abgabenangelegenheit i.S.v. § 33 Abs. 2 Satz 1 FGO dar. Aus der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2010 ergibt sich, dass es sich bei den zu vollstreckenden Forderungen um Einkommens-, Gewerbe- und Umsatzsteuern handelt. Dies sind Abgaben, die der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch die Finanzbehörden des Bundes und der Länder verwaltet werden, so dass nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO für die vorliegende Streitigkeit der Finanzrechtsweg gegeben ist. Zugleich bedeutet dies nach § 40 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz VwGO, dass der Verwaltungsrechtweg unzulässig ist. Daher ergibt sich auch nach § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG keine Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Hamburg für eine Entscheidung in diesem Rechtsstreit als das zuerst angegangene Gericht (anders: OVG Münster, Beschl. v. 26.8.2009, 8 E 1044/09, juris Rn. 24). Über die Kosten dieses Verfahrensteils hat nach § 17b Abs. 2 GVG das Gericht zu entscheiden, an das der Rechtsstreit verwiesen wird, also das Finanzgericht Hamburg.
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