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Aktenzeichen
13a F 31/09
Datum
3. Mai 2010
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
§ 99 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung
§ 99 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 3. Mai 2010

13a F 31/09

Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts stellt fest, dass die Sperrerklärung des Innenministeriums zur Verweigerung der Vorlage bestimmter Unterlagen zur US-Cross-Border-Lease-Transaktion einer Stadt rechtswidrig ist. Insbesondere besteht keine Schutzwürdigkeit von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, da die Verträge bereits abgeschlossen sind, eine sehr lange Laufzeit haben und somit mögliche Konkurrenten nicht (mehr) vorhanden sind. Darüber hinaus besteht ein solcher Schutz nicht, wenn die Allgemeinheit ein - vorliegend vom Oberverwaltungsgericht bejahtes - überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur gering wäre. Alleine aus einer Vertraulichkeitsvereinbarung ergibt sich kein Geheimhaltungsgrund. Die Entscheidung enthält auch Hinweise zum Verhältnis zwischen dem fachgesetzlichen Geheimnisschutz und der Ermessensentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde im Rahmen der Abgabe der Sperrerklärung sowie zu den Anforderungen an eine Begründung derselben. Siehe auch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom selben Tag, AZ 13a F 32/09. (Quelle: LDA Brandenburg)

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Interessenabwägung Prozessuales in-camera Verfahren

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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2010/13a_F_31_09beschluss20100503.html Oberverwaltungsgericht NRW, 13a F 31/09 Datum:                   03.05.2010 Gericht:                 Oberverwaltungsgericht NRW Spruchkörper:            13a Senat Entscheidungsart:        Beschluss Aktenzeichen:            13a F 31/09 Leitsätze:               Für Cross-Border-Leasing-Verträge, die sich auf Anlagen einer Kommune be-ziehen, besteht ein Informationszugangsanspruch nach dem Informationsfrei-heitsgesetz NRW. Tenor:                   Es wird festgestellt, dass die Erklärung des Beige¬la-denen in dem Verfahren VG Gelsenkirchen 17 K 3411/05 , der Beklagte/Antragsgegner sei nicht zur Vorlage bestimmter Unterlagen zu einer US-Cross-Border-Lease-Transaktion verpflichtet, rechtswidrig ist. Der Antragsgegner trägt die Kosten dieses Zwischen¬verfahrens. Der Streitwert für das Zwischenverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt. Gründe:                                                                                                     1 I.                                                                                                          2 Die Stadt S.           hat 2003 eine Cross-Border-Lease (CBL)-Transaktion abgeschlossen. Bei einem          3 solchen Geschäft wird – vereinfacht umschrieben – von einem Leasinggeber (hier einer deutschen Kommune) ein Leasingobjekt langfristig an ein US-Unternehmen vermietet und für einen kürzeren Zeitraum zurückgemietet, verbunden mit entsprechenden Entgeltvereinbarungen und einem Barwertvorteil für die Kommune. Die CBL-Transaktion betrifft Abwasseranlagen der Stadt. Im April 2005 beantragte der Kläger/Antragsteller Akteneinsicht in den Originalvertrag der US-Cross-        4 Border-Lease-Transaktion zwischen der Stadt S.                und ihren amerikanischen Vertragspartnern und in die Transaktionsbeschreibung bzw. in die die vorgenannten Punkte betreffende Ratsvorlage. Mit Bescheiden vom 29. Juni 2005 und 16. September 2005 lehnte der Beklagte dies unter Berufung auf § 8 des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen – IFG NRW – ab. Das Begehren des Antragstellers ist Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens VG Gelsenkirchen - 17 K 3411/05 -. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 gab das Verwaltungsgericht dem Beklagten auf, die o. a. Unterlagen vorzulegen bzw. eine Entscheidung der obersten Aufsichtsbehörde gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO einzuholen. Mit Schreiben vom 13. Februar 2009 (Tagesdatum angenommen in Auswertung aller erkennbaren Umstände in diesem und einem anderen Verfahren gleicher Problematik), auf das Bezug genommen wird, gab das beigeladene Innenministerium die Erklärung ab, der Beklagte sei nicht verpflichtet, dem Antragsteller aus Anlass seiner Klage Akteneinsicht in die o. a. Unterlagen zu gewähren. Der Antragsteller hat nach Aufforderung durch das Verwaltungsgericht, das Verfahren zu betreiben,           5 Anfang November 2009 "Entscheidung durch das Gericht gemäß § 99 VwGO" beantragt. Der Antragsgegner hält den Antrag für unzulässig bzw. unbegründet. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt ihrer             6 Schriftsätze. II.                                                                                                         7 8 1 von 6
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2010/13a_F_31_09beschluss20100503.html Der als Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewertete Antrag des Antragstellers hat Erfolg. Gegen die Zulässigkeit des Antrags bestehen keine Bedenken. Der Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO          9 unterliegt keinen besonderen Frist- und Formerfordernissen. Vgl. Posser/Wolff, VwGO, § 99 Rdn. 32; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl., § 99 Rdn. 48.            10 Deshalb steht es der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen, dass er erst ca. 7 Monate nach der in         11 Frage stehenden Erklärung des beigeladenen Innenministeriums und nach gerichtlichen Erinnerungen und einer Betreibensaufforderung sowie ohne eine substantiierte Antragsbegründung geltend gemacht wurde. Ebenfalls ist es für die Zulässigkeit unschädlich, dass der Antrag nicht in Orientierung am Wortlaut des § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO formuliert wurde, weil insoweit gemäß § 88 VwGO und unter Berücksichtigung der Entscheidungsmöglichkeit nach § 99 Abs. 2 VwGO eine entsprechende Auslegung des Begehrens des Antragstellers möglich ist. Da der im Hauptsacheverfahren anhängige Informationszugangsanspruch nach § 4 IFG NRW keine                  12 weiteren Bedingungen vorsieht, sondern dieser Anspruch allgemein jeder natürlichen Person zusteht, muss dafür ein entsprechendes Interesse nicht geltend gemacht werden und ist es auch ohne Belang, dass der Antragsteller seinen Wohnsitz nicht im Gebiet der Stadt S.             hat. Die Motive des Antragstellers für den geltend gemachten Anspruch auf Informationen zu CBL-Verträgen sind für die Anspruchsberechtigung gleichfalls unerheblich. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Januar 2009 - 20 F 23.07 -, NVwZ 2009, 1114; Hess. VGH,        13 Beschluss vom 2. März 2010 - 6 A 1684/08 -, juris, zu § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Bund. Dementsprechend sind auch für den Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine entsprechenden                  14 Vorgaben zu fordern. Zwar folgt aus dem Umstand, dass es sich in der Hauptsache um eine Streitigkeit wegen eines                 15 Informationszugangsrechts (hier nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen) handelt und Streitgegenstand des Verfahrens zur Hauptsache die Pflicht zur Vorlage von Behörden-Unterlagen ist, nicht, dass es zwingend der Einsicht in die zurückgehaltenen Akten bedarf und eine Streitigkeit um Informationszugangsrechte nicht schon automatisch zur Verlagerung in das Fachsenats-Verfahren nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO führt. Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. August 2009 - 20 F 10.08 -, NVwZ 2010, 194.                    16 Eine als Voraussetzung für einen Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforder- liche förmliche              17 Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache zur Entscheidungserheblichkeit der betreffenden Akten liegt in der Form des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 13. Dezember 2007 – 17 K 4311/05 – vor. Die darin geäußerte Rechtsauffassung ist - auch angesichts der unterschiedlichen Sichtweisen der Beteiligten - nicht offensichtlich fehlerhaft, so dass der Beschluss Bindungswirkung für den entscheidenden Fachsenat entfaltet. Unabhängig davon ist die Entscheidungserheblichkeit der zurückgehaltenen Unterlagen des Beklagten auch deshalb anzunehmen, weil die Akten vom Beklagten aus Gründen eines angenommenen Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zurückgehalten werden und somit die Notwendigkeit der Einsichtnahme in die Akten zwecks Klärung, ob der geltend gemachte Geheimhaltungsgrund vorliegt, auf der Hand liegt. Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. August 2009 - 20 F 10.08 -, a. a. O., und vom 21. Februar     18 2008 - 20 F 2.07 -, NVwZ 2008, 554. Die in Frage stehende Erklärung des beigeladenen Innenministeriums vom 13. Februar 2009 im Verfahren        19 VG Gelsenkirchen - 17 K 3411/05 , der Beklagte sei zu der vom Antragsteller begehrten Akteneinsicht nicht verpflichtet, ist fehlerhaft. Zwar hat der Beigeladene die bei § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO maßgebenden unterschiedlichen Interessen der notwendigen Sachverhaltsaufklärung im gerichtlichen Verfahren und der Beschränkung der Aktenvorlageverpflichtung aus Gründen des Geheimnisschutzes im Ansatz zutreffend erkannt. In die Abwägung sind aber nicht alle relevanten Gesichtspunkte eingeflossen, so dass die Entscheidung im Ergebnis nicht tragfähig ist. Wegen der formellen Entscheidungskompetenz des Beigeladenen als zuständige oberste                          20 Aufsichtsbehörde der Stadt S.              , die bei dem CBL-Geschäft im Bereich der gemeindlichen Selbstverwaltung tätig geworden ist, wird auf die entsprechenden Ausführungen in dessen Erklärung vom 13. Februar 2009 Bezug genommen. Bei der Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO handelt es sich um eine behördliche                       21 2 von 6
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2010/13a_F_31_09beschluss20100503.html Ermessensentscheidung, bei der auch in Fällen, in denen die Vorlage der Akten selbst Gegenstand des Rechtsstreits ist, auf Grund einer auf den konkreten Einzelfall bezogenen Abwägung einerseits die für eine Geheimhaltung sprechenden öffentlichen und privaten Belange und andererseits das individuelle Interesse Prozessbeteiligter an der Wahrheitsfindung mit einer damit regelmäßig einhergehenden lückenlosen Sachverhaltsaufklärung in die Abwägung einzustellen ist. Dabei müssen alle betroffenen Interessen berücksichtigt und am Maßstab des – evtl. grundrechtlich begründeten – Schutzbereichs, einer subjektiv-rechtlichen Norm und am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bewertet werden. Das Ergebnis der nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO geforderten Abwägung kann dabei auch durch hervorgehobene Allgemeininteressen - wie ein nicht auf ein besonderes Interesse abstellender gesetzlich vorgesehener Informationsanspruch - vorgezeichnet sein. Bei einen Geheimnisschutz deklarierenden Fachgesetzen genügt es im Rahmen dieser Bestimmung aber grundsätzlich nicht, lediglich auf die die Sachentscheidung tragenden Gründe des im jeweiligen Fachgesetz im Einzelnen normierten Geheimnisschutzes zu verweisen. Auch wenn das Fachgesetz der zuständigen Fachbehörde kein Ermessen einräumt, steht bei § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Ermessensentscheidung der obersten Aufsichtsbehörde an, in die die sich im Verfahren der Hauptsache gegenüberstehenden Rechtspositionen der Beteiligten einzustellen sind, bei der in nachvollziehbarer Weise erkennbar sein muss, dass gemessen an den vorgenannten Kriterien die Folgen einer möglichen Aktenvorlageverweigerung mit Blick auf den Ausgang des gerichtlichen Verfahrens gewichtet wurden. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03, 2111/03 -, BVerfGE 115, 205;              22 BVerwG, Beschlüsse vom 31. August 2009 - 20 F 10.08 -, a. a. O., vom 15. Oktober 2008 - 20 F 2.08 - juris, und vom 21. Februar 2008 - 20 F 2.07-, a. a. O.; OVG NRW, Beschlüsse vom 27. Mai 2009 – 13a 13/09 -, NVwZ 2009, 1510, und vom 23. Oktober 2008 - 13a F 12/08 -, NVwZ 2009, 275. Diesen Kriterien wird die Erklärung des Beigeladenen vom 13. Februar 2009 im Materiellen nicht gerecht.           23 Da die Entscheidungskompetenz nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausschließlich der obersten Aufsichtsbehörde zugewiesen ist, kommt es auch nur auf diese Entscheidung des Beigeladenen und deren Inhalt an. Die Ermessenserwägungen des Beigeladenen können beispielsweise auch nicht durch den Schriftsatz des Beklagten vom 22. Dezember 2009 in diesem Zwischenverfahren, der sich ebenfalls zu der Berechtigung der Verweigerung der Aktenvorlage verhält, ergänzt oder geheilt werden. Bei den Unterlagen, deren Einsichtnahme der Antragsteller begeht, handelt es sich nicht schon deshalb             24 um ihrem Wesen nach geheim zu haltende Vorgänge (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO), weil auf Grund des Zusammenspiels von § 99 Abs. 1 VwGO und des Rechts auf Akteneinsicht nach § 100 VwGO ein Rechtsverlust der Behörde drohen würde, wenn die betreffenden Akten vorgelegt werden müssten und eine Vorlageverweigerung nicht zugestanden würde. Auch in den Fällen, in denen wie hier die Frage des Bestehens des Anspruchs auf Aktenvorlage bzw. Auskunft als solche Streitgegenstand ist, kann für die konkrete Information das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO herangezogen und eine Entscheidung des dort bezeichneten Fachsenats herbeigeführt werden. In diesem Sonderfall ist mit dem Beschluss des Fachsenats, dem insoweit eine über das Zwischenverfahren hinausweisende Entscheidungskompetenz zukommt, der Rechtsstreit faktisch vorentschieden. Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Februar 2008 - 20 F 2.07 -, a. a. O., und vom 13. Juni 2006         25 20 F 5.05 , DVBl. 2006, 1245; OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2006 – 13a D 114/06 -; Bay. VGH, Beschluss vom 22. Dezember 2009-– G 09.1 -, a. a. O.; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 99 R 4; Posser/Wolff, a. a. O.; § 99 Rdn. 36; Eyermann, VwGO, 12. Aufl., § 99 Rdn. 1a; Berger/Roth/Schee Informationsfreiheitsgesetz, Aufl. 2006, § 9 Rdn. 13; Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, Aufl. 2006, § 9 Rdn. 33. Soweit diesbezüglich auf ältere Rechtsprechung, auch des entscheidenden Oberverwaltungsgerichts,                  26 hingewiesen wird, wonach das Akteneinsichtsrecht nach § 100 Abs. 1 VwGO dazu führe, dass das eigentliche Klageziel der Vorlage bestimmter Unterlagen und der Einsicht in diese ohne Prüfung, ob überhaupt ein entsprechender Anspruch auf Zugang zu diesen Informationen bestehe, erreicht werde, ist diese Judikatur angesichts der Neufassung des § 99 VwGO und der zwischenzeitlichen Verabschiedung von Gesetzen, die ausdrücklich einen allgemeinen Informationsanspruch begründen, nicht mehr relevant. Aus der in dem CBL-Vertrag der Beklagten mit dem Vertragspartner enthaltenen                                      27 Vertraulichkeitsvereinbarung als solcher, die im Verfahren VG Gelsenkirchen - 17 K 341/05 - in englischer Sprache und in deutscher Übersetzung vorgelegt wurde, kann sich ein die Verweigerung der Aktenvorlage rechtfertigender Umstand nicht ergeben. Allein die Formulierung der Vertrauenserklärung vermag einen Schutz vor einer Informationsübermittlung an andere Personen nicht zu begründen. Eine vertragliche Vertraulichkeitsvereinbarung kann nicht losgelöst von dem eigentlichen materiellen Inhalt des Vertragswerks, in dem sie enthalten ist, betrachtet werden, so dass ihr eine eigenständige Erheblichkeit unabhängig von den sonstigen Vertragsregelungen nicht zuerkannt werden kann. 3 von 6
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2010/13a_F_31_09beschluss20100503.html Vgl. Franßen/Seidel, Das Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen, Rdn. 877; 17.       28 Datenschutz- und Informationsbericht NRW, Abschn. 23.3.4; ähnlich zu einer formalen Einstufung ein als vertraulich zu behandelnden Verschlusssache: BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 - 7 C 21.08 - NVwZ 2010, 326. Dies gilt auch angesichts der Erwägungen des Beigeladenen in der (Sperr-)Erklärung, bei Missachtung         29 der vereinbarten Vertraulichkeitserklärung begehe der Beklagte eine Vertragsverletzung, die zu Schadensersatzforderungen gegen ihn führen könne. Wenn eine vertraglich vereinbarte Vertraulichkeitserklärung für sich genommen keine Bedeutung hat in Bezug auf ein mögliches Recht zur Verweigerung einer Aktenvorlage, ändert sich dieser Charakter auch durch die Betrachtung möglicher Folgen einer diese konkrete Vereinbarung betreffenden Vertragsverletzung nicht. Dies gilt erst recht, wenn – wie in der Erklärung des Beigeladenen von Februar geschehen – nicht auf die tatsächliche Realisierbarkeit des Schadensersatzanspruchs abgestellt, sondern der Schaden bereits in dem zur Verteidigung gegen einen Schadensersatzanspruch erforderlichen Aufwand gesehen wird. Etwaige Schadensersatzforderungen des Beklagten gegen das Land Nordrhein-Westfalen als Folge einer Entscheidung, dass der Beklagte zur Vorlage der fraglichen Akten verpflichtet sei, begründen ebenfalls keine Berechtigung zur Verweigerung der Aktenvorlage. Wenn bei sachgerechter Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung deren Vorlage geboten ist, kann dies keine Schadensersatzforderungen des Beklagten begründen. Der Beigeladene beruft sich in seiner Erklärung vom 13. Februar 2009 letztlich auf Geschäftsgeheimnisse     30 der Vertragspartei der Stadt S.           in dem CBL-Vertragswerk und hält insoweit § 8 IFG NRW für relevant. Eine nähere Substantiierung unter Berücksichtigung der Begriffsdefinition ist allerdings nicht erfolgt. Zudem fehlt es in der Erklärung an einer erschöpfenden Erfassung aller Tatbestandsmerkmale des § 8 IFG NRW. Das betroffene CBL-Vertragswerk ist nicht wegen seines privatrechtlichen Charakters vom                     31 Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes NRW ausgenommen. Das Gesetz gilt nach seinem § 2 für die Verwaltungstätigkeit u. a. der Behörden und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes und der Gemeinden und Gemeindeverbände, und zwar unabhängig davon, ob diese sich bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Handlungsformen bedienen. Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19. Juni 2002 - 21 B 589/02 -, NVwZ-RR 2003, 800.                 32 Nach § 8 Satz 1 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die                  33 Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. § 8 IFG NRW konstituiert zudem gerade nicht einen absolut uneingeschränkten Schutz von Geschäftsgeheimnissen, weil die Ablehnungsberechtigung für die Information nach § 8 Satz 3 IFG NRW nicht gilt, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre. Diese tatbestandlich vorgegebene Erwägung ist in der Sperrerklärung des Beigeladenen nicht berücksichtigt und bewertet worden. Die Ermessenserwägungen des Beigeladenen sind daher unvollständig und wegen Verkennung aller einschlägigen Gesetzesregelungen nicht sachgerecht. Als schützenswerte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, für die es im Informationsfreiheitsgesetz NRW        34 an einer eigenständigen Definition fehlt, werden alle auf ein Unternehmen bezogene Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Betriebsgeheimnisse umfassen im Wesentlichen technisches Wissen im weitesten Sinne; Geschäftsgeheimnisse betreffen vornehmlich kaufmännisches Wissen. Zu derartigen Geheimnissen werden etwa Umsätze, Ertragslagen, Geschäftsbücher, Kundenlisten, Bezugsquellen, Konditionen, Geschäftsverbindungen, Marktstrategien, Unterlagen zur Kreditwürdigkeit, Kalkulationsunterlagen, Patentanmeldungen und sonstige Entwicklungs- und Forschungsprojekte gezählt, durch welche die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Betriebes maßgeblich bestimmt werden können. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 -1 BvR 2087/03, 1 BvR 2111/03 -, a. a. O.; OVG       35 NRW, Beschlüsse vom 2. Januar 2009 - 13a F 31/07 -, NuR 2009, 289, vom 27. Mai 2009 - 13a F 13/0 a. a. O., und vom 23. Oktober 2008 - 13a F 12/08 -, NVwZ 2009, 475; vgl. auch VerfGH NRW, Urteil vo 19. August 2008 - 7/07 -, NVwZ-RR 2009, 41. Der Beigeladene hat in seiner (Sperr-)Erklärung im Hinblick auf das CBL-Vertragswerk einen Schutz der       36 Stadt S.            vor der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen nicht angenommen, sondern ist insoweit von einem "Geschäftsgeheimnis der Vertragspartei der Stadt S.              " ausgegangen. Darin liegt zugleich die Aussage, dass in Bezug auf die Stadt S.             selbst eine Schutzbedürftigkeit bezüglich 4 von 6
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2010/13a_F_31_09beschluss20100503.html bestehender Geschäftsgeheimnisse nicht geltend gemacht wird. Dies rechtfertigt es, die Frage ihrer Schutzbedürftigkeit in Zusammenhang mit dem CBL-Vertragswerk außer Betracht zu lassen und insoweit (nur) den/die Vertragspartner der Stadt S.           in den Blick zu nehmen. Im Hinblick auf den/die Vertragspartner ist nach den o. a. Definitions-Kriterien für ein Geschäftsgeheimnis   37 schon zweifelhaft, ob ein solches anzunehmen ist. Dies gilt auch in Relation zu dem konkreten Antragsbegehren, das die erforderliche Abwägung im Rahmen der Entscheidung nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO mit bestimmt. Der Senat ist mit dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Beschluss vom 13. Dezember 2007 – 17 K 3411/05 –, auf den insoweit Bezug genommen wird, der Ansicht, dass das Begehren des Antragstellers auf eine umfassende Einsichtnahme in die im Klageantrag bezeichneten Unterlagen gerichtet und sein Begehren nicht, wie der Beklagte meint, auf eine Information nur der Identitäten der Vertragspartner der Stadt S.           bei Abschluss der US-Lease-Transaktion begrenzt ist. Dies hat der Antragsteller mit seinen vom Verwaltungsgericht bezeichneten Schriftsätzen eindeutig erklärt. Ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis setzt nach den o. a. Kriterien neben dem Mangel an                      38 Offenkundigkeit der zu Grunde liegenden Information ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an deren Nichtverbreitung voraus. Ein solches Interesse besteht, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen. Vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 -, a. a. O.; BVerwG, Beschlüsse        39 vom 28. Mai 2009 - 7 C 18.08 -, NVwZ 2009, 1113, und vom 19. Januar 2009 - 20 F 23.07 -, a. a. O. Diese Situation ist hier in Bezug auf den CBL-Vertrag nicht gegeben. Da das Vertragswerk bereits              40 abgeschlossen ist und dieses eine Laufzeit von ca. 25 bis 99 Jahren hat, sind mögliche Konkurrenten für diesen Vertrag nicht (mehr) vorhanden, so dass auch kein wirtschaftlicher Nutzen für Konkurrenten, dem eine Verschlechterung der Wettbewerbsposition des Vertragspartners der Stadt S. korrespondieren könnte, in Frage steht. Für etwaige künftige CBL-Verträge amerikanischer Investoren mit anderen Kommunen kann der Kenntnis der hier in Frage stehenden Vertragsregelungen mangels Konkretheit des Vertragsabschlusses ebenfalls keine Bedeutung zukommen. Soweit allgemein eine negative Öffentlichkeitsmeinung zu Cross-Border-Lease-Transaktionen von Kommunen und speziell in diesem Fall befürchtet und als Grund für die Verweigerung der begehrten Informationen genannt wird, werden derartige Einschätzungen vom Schutzzweck des Informationsfreiheitsgesetzes NRW nicht erfasst. Diese Wertung entspricht der Bewertung derartiger Verträge durch die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW (vgl. 17. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht, Abschn. 23.3.4), die sich soweit ersichtlich auch in jüngerer Zeit nicht geändert hat. Selbst wenn in Bezug auf die Vertragspartner der Stadt S.             das Vorliegen eines                     41 Geschäftsgeheimnisses angenommen würde, stünde dies dem Informationsanspruch des Antragstellers nicht entgegen. Eine grundgesetzlich geschützte Position, die für sich genommen so stark ist, dass sie von vornherein das Informationsinteresse des Antragstellers verdrängt, ist für die Vertragspartner nicht anzunehmen. Die in der Erklärung des Beigeladenen vom 13. Februar 2009 herangezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2006 - 1 BvR 2087/03 - leitet den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen aus dem die Berufsfreiheit schützenden Art. 12 Abs. 1 GG her und lässt ausdrücklich dahinstehen, ob insoweit auch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG einschlägig ist. Auf Art. 12 Abs. 1 GG können sich aber die amerikanischen Vertragspartner der Stadt S.           nicht berufen, weil dieses Grundrecht nur Deutschen zusteht. Ob Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse darüber hinaus (auch) von Art. 14 Abs. 1 GG erfasst werden, ist umstritten. Deren Qualifikation als Eigentum i. S. d. Art. 14 GG hängt davon ab, ob es die allgemeinen Kriterien des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs erfüllt, es sich etwa inhaltlich bestimmen, abgrenzen und einer Person privatnützig zuordnen lässt und einen Vermögenswert darstellt. Vgl. Epping/Hillgruber, GG, Art. 14 Rdn. 50.                                                    42 Die pauschale und nicht näher substantiierte Behauptung des Beigeladenen in der Erklärung vom 13.             43 Februar 2009, "die Geschäftsgeheimnisse der Vertragspartei der Stadt S.               seien durch Art. 14 GG geschützt", reicht insoweit jedenfalls zur Verneinung des Informationsanspruchs des Antragstellers nicht aus und erschöpft die im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 GG anstehende Problematik nicht. Dies gilt, was die Schutzposition der Vertragspartner ebenfalls mindern könnte, u. a. insbesondere angesichts des Umstands, dass das gesamte in Frage stehende CBL-Vertragswerk ausschließlich dem Recht des Staates New York unterliegt und deutsche Rechtsbestimmungen nicht relevant sind. Einer abschließenden Bewertung der Frage, ob es sich hier um ein dem Schutzbereich des Art. 14 GG             44 unterfallendes Geschäftsgeheimnis handelt, ist hingegen nicht geboten. Zum einen unterliegt das 5 von 6
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http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2010/13a_F_31_09beschluss20100503.html Eigentumsrecht gem. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG einer Inhalts- und Schrankenbestimmung durch die Gesetze, zum anderen gewährt auch § 8 IFG NRW nicht einen ausnahmslosen Schutz vor der Preisgabe von Geschäftsgeheimnissen. Nach § 8 Satz 3 IFG NRW, der vom Beigeladenen nicht in den Blick genommen wurde, gilt dieser Schutz nämlich dann nicht, wenn die Allgemeinheit ein überwiegendes Interesse an der Gewährung des Informationszugangs hat und der eintretende Schaden nur geringfügig wäre. Ein solches Allgemeininteresse ist hier zu bejahen, vor allem unter Berücksichtigung des Zwecks des Informationsfreiheitsgesetzes. Ziel und Zweck der Informationsfreiheitsgesetze des Bundes und der Länder ist es, die demokratischen            45 Beteiligungsrechte der Bürger im Interesse einer konsensorientierten Kooperation mit staatlichen Behörden, der Stärkung der Akzeptanz behördlichen Handelns, der Verbesserung der Verwaltungskontrolle im Sinne von Transparenz und der effektiven Korruptionsbekämpfung auszuweiten. Vor diesem Hintergrund wird derjenige, der den gesetzlich verbürgten Informationsanspruch geltend macht, als Sachwalter der Allgemeinheit angesehen, und entspricht sein Interesse an der Verfolgung des Anspruchs einem gleichgerichteten öffentlichem Interesse. Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. Januar 2009 - 20 F 23.07 -, a. a. O., und vom 21. Februar         46 2008 - 20 F 2.07 -, a. a. O.; Hess. VGH, Beschluss vom 2. März 2010- 6 A 1684/08 -, a. a. O.; Bay. VG Beschluss vom 22. Dezember 2009 - G 09.1 -, a. a. O. Gegenstand des hier in Frage stehenden CBL-Vertragswerks sind Abwasseranlagen der Stadt S.                      47 . Für die Beseitigung von in ihrem Gebiet anfallendem Abwasser besteht nach § 53 Landeswassergesetz - LWG - eine Beseitigungspflicht der Gemeinden; es handelt sich also um eine öffentliche Aufgabe, bei der öffentliche Gelder zum Einsatz kommen. In Zusammenhang mit diesen besteht wegen des Gemeinwohlbezugs der Angelegenheit ein erhebliches öffentliches Interesse und dementsprechend auch ein öffentliches Informationsinteresse, dass die Gelder sach- und interessengerecht und nach anerkannten finanz- und kommunalpolitischen Grundsätzen eingesetzt werden. Cross-Border-Lease- Transaktionen der hier in Frage stehenden Art können aber wegen der langen Laufzeit (zum Teil 99 Jahre), wegen der vereinbarten Entgeltregelungen und wegen des sonstigen Vertragsinhalts erhebliche Auswirkungen sowohl auf die finanzielle Situation der Kommune als auch hinsichtlich der Erfüllung im Gemeinwohlinteresse liegender Aufgaben haben. Dementsprechend kann auch ein Interesse der Allgemeinheit an der Bekanntgabe entsprechender Vertragswerke und an einer Einsichtnahme in diese nicht verneint werden. Die Annahme eines Vorrangs des Schutzes für Geschäftsgeheimnisse ist demgegenüber nicht gerechtfertigt. Vgl. 17. Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht, Abschn. 23.3.4, und 16.                   48 Datenschutzbericht, Abschn. 22.5.3, der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreihei NRW. Im Rahmen dieses Verfahrens und anhand der vorliegenden Unterlagen ist nicht eindeutig erkennbar, ob            49 dem § 8 Satz 4 IFG NRW Rechnung getragen wurde, wonach im Zweifelsfall der oder dem Betroffenen vor der Gewährung des Informationszugangs Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben ist. Das Unterlassen einer solchen Gelegenheit zur Stellungnahme würde wegen ihres formalen Charakters nicht zur Fehlerhaftigkeit der nach § 8 Satz 3 IFG NRW materiell gerechtfertigten Entscheidung führen. Ob dem Begehren des Antragstellers hinreichend dadurch Rechnung getragen werden kann, dass die                  50 vorzulegenden Akten teilweise geschwärzt werden, und ob diese Erwägung eine neuerliche Ermessensentscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO rechtfertigt, ist angesichts dessen, dass die angefochtene Erklärung des Beigeladenen Überlegungen dieser Art nicht enthält, nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.                                                             51 Die Festsetzung des Streitwerts für dieses Zwischenverfahren beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.                        52 6 von 6
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