Information

Aktenzeichen
3 K 1595/05
Datum
27. April 2010
Gericht
Verwaltungsgericht Potsdam
Gesetz
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz Brandenburg (AIG)

Urteil: Verwaltungsgericht Potsdam am 27. April 2010

3 K 1595/05

Die Ausnahme des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG für Aufsichtsakten gilt nur im laufenden Verfahren. Eine Ausnahme nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AIG (Mitteilungen öffentlicher Stellen, die nicht dem Anwendungsbereich unterliegen) kommt nur in Frage, wenn es um unmittelbare Mitteilungen dieser Stellen und nicht um bloße Anschreiben an sie handelt. Die fehlende Ermessensausübung (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 AIG - interne Willensbildung) kann nicht durch nachgeschobene Gründe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geheilt werden. Das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des § 4 Abs. 1 Nr. 5 1. Alternative AIG (Akten zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens) wird hingegen teilweise bejaht; ebenso besteht kein Einsichtsrecht in Stellungnahmen von Behörden gegenüber dem Petitionsausschuss des Landtages. Eine Akteneinsicht kann nicht auf rechtsstaatliche Gründen bzw. aus den Grundsatz von Treu und Glauben gestützt werden, ohne die Ausschlussgründe des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes zu beachten. Das Urteil enthält auch Erläuterungen zum Verhältnis des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes zur Abgabenordnung. Im Ergebnis sind teilweise Aussonderungen vorzunehmen. Der Antrag auf Informationszugang betrifft Akten der Finanzverwaltung zwecks Verfolgung von Staatshaftungsansprüchen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften Personenbezogene Daten Beratungsgeheimnis (behördlicher Entscheidungsprozess) Schutz besonderer Verfahren Aufsichtsaufgaben

/ 23
PDF herunterladen
VERWALTUNGSGERICHT POTSDAM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 K 1595/05 In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren 1. der 2. des Kläger, Prozessbevollmächtigte zu 1-2: Rechtsanwälte, gegen das Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg, Heinrich-Mann-Allee 107, 14473 Potsdam, Az.: , Beklagten, wegen Akteneinsichtsrechts hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung am 27. April 2010 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Vondenhof, die Richterin am Verwaltungsgericht Tänzer, die Richterin am Verwaltungsgericht Herrmann, die ehrenamtliche Richterin von Bieren und den ehrenamtlichen Richter Wagner
1

-2- für R e c h t erkannt: Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 8. Januar 2002 und 19. Juli 2004 verpflichtet, den Klägern Akteneinsicht in die Akten Nr. 1, 3 bis 9, 23 bis 37, 50 bis 52, 54 bis 61, 82 a/b (Nummerierung des Beklagten) zu gewähren, mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Akten Nr. 25, 55/56 und 60 nur Teile der Akten zugänglich gemacht werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklag- te darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Tatbestand: Die Kläger begehren Einsicht in Akten des Beklagten. Der Kläger zu 2. ist Hauptgesellschafter der Klägerin zu 1. Er gewährte der Klägerin zu 1. in den Jahren 1993, 1994 und 1996 Gesellschafterdarlehen in Höhe von insge- samt 8,3 Millionen DM. Im Jahre 1994 führte das Finanzamt eine Umsatzsteuerson- derprüfung bei der Klägerin zu 1. betreffend die Prüfungszeiträume März bis Dezem- ber 1992, Januar bis Dezember 1993 sowie Januar und Februar 1994 durch und ge- langte in dem Bericht vom 01.12.1994 u. a. zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zu 1. im Hinblick auf die Errichtung eines KeraGlas – Werkes und dessen Produktion keine Unternehmerin im Sinne des § 2 Umsatzsteuergesetz - UStG - sei. Gegen die aufgrund der Prüfungsfeststellungen ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1995 legte die Klägerin zu 1. Einsprüche ein mit der Begründung, ihre Un- ternehmereigenschaft müsse anerkannt werden. Diese Einsprüche wies das Finanz- amt mit Bescheid vom 03.12.1996 ab. Mit Schreiben vom 03.11.2000, gerichtet an das Finanzamt, erhob die Klägerin zu 1. Schadensersatzansprüche gegenüber dem Land Brandenburg nach den Bestim- mungen des Staatshaftungsgesetzes – StHG – mit der Begründung, dass ihre Un- ternehmereigenschaft zu Unrecht bezweifelt worden sei. Sie beantragte, zur Über- prüfung der Sach- und Rechtslage die beim Finanzamt, bei der Oberfinanzdirektion Cottbus und beim Beklagten vorhandenen Akten, die sich mit der Umsatzsteuer der -3-
2

-3- Klägerin zu 1. und mit der Frage der Unternehmereigenschaft befassten, in den Kanzleiräumen ihres Bevollmächtigten in München zur Verfügung zu stellen. Das Finanzamt übersandte daraufhin zwei Bände Steuerakten an das Zentralfinanz- amt München, bei dem im Jahre 2001 die Akteneinsicht stattfand. Die Klägerin zu 1. berief sich darauf, dass die eingesehenen Akten nicht vollständig seien. Mit Schreiben vom 02.10.2001 beantragte die Klägerin zu 1. beim Beklagten Einsicht in die bei ihm vorliegenden Akten zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprü- chen gegenüber dem Land Brandenburg. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 08.01.2002, welcher keine Rechtsmittelbelehrung enthält, ab. Zur Begründung führte er aus: Die Abgabenord- nung sehe keinen ausdrücklichen Rechtsanspruch auf Einsicht in Steuerakten vor. Über einen Akteneinsichtsantrag müsse allenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden werden. Einen entsprechenden Anspruch könne nur geltend machen, wer substantiiert darlege, dass für ihn eine aktuelle Erheblichkeit der betreffenden Akten gegeben sei. Diesem Erfordernis entspreche das Gesuch der Klägerin zu 1. weder im Hinblick auf eine substantiierte Darlegung noch im Hinblick auf eine Erheb- lichkeit gerade der bei ihm geführten Akten. Die Akten enthielten keine der Klägerin zu 1. nicht schon bekannte Tatsachen. Mit Schreiben vom 18.03.2002 stellte die Klägerin zu 1. abermals bei dem Beklagten einen Antrag auf Akteneinsicht zur Verfolgung ihrer Schadensersatzansprüche. Der Beklagte lehnte eine Akteneinsicht mit Bescheid vom 19.07.2004, welcher eben- falls keine Rechtsmittelbelehrung enthält, adressiert an den Kläger zu 2., erneut ab. Er verwies auf seine bereits dargelegte Begründung und führte ergänzend aus, dass sich auch nach dem Datenschutzrecht kein Rechtsanspruch auf Akteneinsicht erge- be. Die Abgabenordnung enthalte insoweit eine absichtsvolle Nichtregelung. Mit Bescheid vom 24.08.2004 wies der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 1. den Antrag auf Schadensersatz ab. Hiergegen haben die Kläger Klage erhoben. Mit Urteil vom 26.02.2010 (Az. 2 U 13/08) hat das OLG Brandenburg die Berufung seitens der Kläger gegen das Urteil des LG Cottbus vom 09.04.2008 (Az. 5 O 72/05) zurückge- wiesen und hat die Revision, über die bisher noch nicht entschieden ist, zugelassen. -4-
3

-4- Die Kläger haben zunächst am 17. Februar 2005 beim Finanzgericht des Landes Brandenburg Klage auf Akteneinsicht gegenüber dem Beklagten erhoben. Das Fi- nanzgericht des Landes Brandenburg hat mit rechtskräftigem Beschluss vom 20. Ap- ril 2005 (Az. 1 K 250/05) den Rechtsweg zum Finanzgericht für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Potsdam verwiesen. Die Kläger machen geltend: Zur Verteidigung im Staatshaftungsprozess aufgrund der rechtswidrigen Aberkennung der Unternehmereigenschaft durch die Finanzverwal- tung bedürften sie Akteneinsicht in sämtliche Akten betreffend u. a. auch die Steuer- verwaltung. Zwar sei ein Akteneinsichtsrecht nicht in der Abgabenordnung ausdrück- lich geregelt. Jedoch hätten sie auch nach der Rechtsprechung im Bereich der Steu- erverwaltung ein Recht auf Akteneinsicht im Rahmen einer ordnungsgemäßen Er- messensentscheidung. Da die Steuervorgänge abgeschlossen seien, besäßen sie zudem ein Akteneinsichtsrecht gemäß § 1 des Brandenburgischen Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes (im Folgenden: AIG) vom 10.3.1998 (GVBl. I S. 46). Die Klägerin zu 1. sei „jeder“ im Sinne von § 1 AIG, denn das AIG enthalte keine Vorschrift, die den Anwendungsbereich des Gesetzes auf natürliche Personen be- schränke. Es würden vorliegend keine Ablehnungsgründe i. S. d. § 4 AIG eingreifen. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Ablehnungsgrund nach § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alt. AIG nicht erfüllt, denn die Aufsichtsakten „dienten“ derzeit nicht mehr der Aufsicht über eine andere Stelle. Aufgrund des Ausnahmecharakters von § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG bedürfe diese Vorschrift einer restriktiven Auslegung, im Hinblick auf Art. 21 Abs. 4 der Verfassung des Landes Brandenburg (im Folgenden: BbgVerf). Der Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alt. AIG könne nur dann bejaht werden, wenn durch die Akteneinsicht tatsächlich überwiegende öffentliche Interessen beein- trächtigt werden würden. Hierfür spräche auch die amtliche Begründung des AIG, wonach die Regelung des § 4 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alt. AIG erforderlich sei, um die Re- gelungen in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AIG nicht dadurch leerlaufen zu lassen, dass über die Einsicht in die zur Aufsicht angelegten und geführten Akten genau diejenigen In- formationen zugänglich gemacht würden, deren Kenntnis nach § 4 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 AIG ausgeschlossen sei. Ein Fall der Umgehung liege hier nicht vor. Darüber hin- aus sei auch nicht erkennbar, dass hier Informationen offenbart würden, die Auf- -5-
4

-5- schluss über die innere Organisation und Führung der Fachaufsicht seitens des Be- klagten geben würden. Insoweit sei eine Beeinträchtigung der Fachaufsicht nicht zu befürchten. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass Weisungen des Beklagten im Hinblick auf die von der Klägerin zu 1. durchgeführten Veranlagungsverfahren nicht mehr in Betracht kämen. Dementsprechend sei der Beklagte auch nicht in der Lage, die einer Akteneinsicht entgegenstehenden öffentlichen Interessen zu benen- nen. § 3 Abs. 3 StHG greife nicht ein, da ein Ersatz des Schadens auf andere Weise nicht erlangt werden könne. Durch die Anfechtung der Aberkennung der Unterneh- mereigenschaft erhielte sie keinen Schadensersatz. Die Klägerin zu 1. habe einen aus dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden Anspruch, wonach als Nebenpflicht auch aus einem abgeschlossenen Verwaltungs- rechtsverhältnis nach Ermessen durch die Behörde Auskunft zu erteilen und Akten- einsicht zu verschaffen sei, soweit dies zur Verfolgung berechtigter Interessen des Betroffenen angezeigt sei. Auch der Kläger zu 2. habe nach der Abgabenordnung einen Anspruch auf ermes- sensfehlerfreie Entscheidung. Er könne sich zusätzlich auf das durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete Recht auf informationelle Selbstbestimmung berufen. Da die streitgegenständlichen Akten personenbezogene Daten des Klägers zu 2. enthielten, ergäbe sich sein Anspruch auf Akteneinsicht darüber hinaus aus den §§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 18 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz personenbezogener Daten im Land Brandenburg (Brandenburgisches Datenschutzgesetz – im Folgenden: BbgDSG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.5.2008 (GVBl. I S. 114), nunmehr geändert durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes und anderer Rechtsvorschriften vom 25.5.2010 (GVBl. I Nr. 21 v. 25.5.2010). Er sei „jeder“ im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BbgDSG (vgl. § 3 Abs. 1 BbgDSG). Die Akten enthielten Einzelangaben über seine persönlichen und sachlichen Verhältnisse (§ 3 Abs. 1 BbgDSG). Auch der Landesbeauftragte für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht in Brandenburg nehme in seinem Schreiben an den Beklagten vom 26. Mai 2003 einen Anspruch des Klägers zu 2. aus §§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 18 Abs. 4 BbgDSG an. Dieser habe das Verhalten des Beklagten sogar förmlich beanstandet. Ein Recht auf Akteneinsicht besäßen sie umso mehr, als der Bundesgesetzgeber dem hohen Rang des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung durch Verab- schiedung des vor kurzem in Kraft getretenen Gesetzes zur Regelung des Zugangs -6-
5

-6- zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz - IFG -) vom 5. 9. 2005 Rechnung getragen habe. Von den 87 Akten, in die sie ursprünglich Einsichtnahme begehrt hätten, seien nach gemeinsamer Durchsicht mit dem Beklagten 23 Akten zur Durchführung des zivilge- richtlichen Verfahrens (Akten 49, 62 bis 80 und 83 bis 85; Nummerierung - auch im Folgenden - des Beklagten) sowie eine Akte eines disziplinarrechtlichen Ermittlungs- verfahrens (Akte 53) und 23 Akten des Finanzamtes (Akten 10 bis 22, 39 bis 48) ausgesondert worden. Es stünden demnach nur noch folgende Akten zur Einsicht- nahme an (Akten 1 bis 9, 23 bis 38, 50 bis 52, 54 bis 61, 81 bis 82, davon Akte 2 und Akte 82 als a und b). Sie begehrten, entgegen der Auffassung des Beklagten, auch Akteneinsicht hinsichtlich der Akten Nr. 27, 60 und 81. Der Beklagte habe nicht dar- gelegt, auf welche Ablehnungsgründe des AIG er sich insoweit berufe. Bezüglich der Akte 81 sei kein Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 2 AIG gegeben. Einige Akten habe der Beklagte noch nicht vorgelegt, wie z. B. Schreiben der Treuhandanstalt (im Fol- genden: THA) an das Finanzamt sowie Schriftwechsel zwischen der THA bzw. der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (im Folgenden: BvS) und dem Beklagten einschließlich Akten- und Bearbeitungsvermerken. Auch fehle Schriftwechsel in Verbindung mit dem Antrag der Klägerin zu 1. auf Schadensersatz nach dem StHG. Die Kläger beantragen, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 8. Januar 2002 und 19. Juli 2004 zu verpflichten, ihnen Einsicht in die vom Beklagten geführten Akten Nr. 1 bis 9, 23 bis 38, 50 bis 52, 54 bis 61, 81 bis 82 a/b (Nummerierung des Beklagten) zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und führt ergänzend aus: Die Abgabenordnung beinhalte eine planvolle Nichtrege- lung, so dass eine Akteneinsicht in Steuerakten bereits aus diesem Grunde verwehrt -7-
6

-7- sei. Auch besäßen die Kläger keinen Anspruch aus anderen Rechtsvorschriften. An- sprüche aus § 18 Abs. 4 BbgDSG würden schon ausscheiden, da § 2 Abs. 3 Satz 3 BbgDSG subsidiär gegenüber spezielleren Vorschriften der Abgabenordnung sei. Nur der Kläger zu 2. als natürliche Person könne sich auf das Brandenburgische Da- tenschutzgesetz berufen. Die Abgabenordnung enthalte schon deshalb keine Rege- lungslücke hinsichtlich der Akteneinsicht, da ein Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 17.12.2008 existiere, das das Recht auf Erteilung von Aus- künften über Daten, die zu einer Person im Besteuerungsverfahren gespeichert sei- en, regele. Nach Ziffer 3 Satz 2 des Schreibens, welches eine andere bereichsspezi- fische Regelung im Sinne des § 1 AIG enthalte, sei ein berechtigtes Interesse na- mentlich nicht gegeben, wenn die Auskunft - wie hier - dazu dienen könne, zivilrecht- liche Ansprüche gegen den Bund oder ein Land durchzusetzen, und der Bund oder das Land zivilrechtlich nicht verpflichtet seien, Auskunft zu erteilen. Eine Einsicht- nahme zum Zwecke der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen sei im öffent- lichen Interesse vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen worden. Bei dem BMF- Schreiben handele es sich um eine Verwaltungsanweisung des Bundes. Aufgrund der Veröffentlichung im Bundessteuerblatt sowie der aus Artikel 3 GG folgenden Selbstbindung der Verwaltung komme ihm die gleiche Wirkung zu wie einem formell erlassenen Gesetz. Bei den Akten 7, 8, 9 (teilweise), 23, 24, 25 (teilweise), 26, 52 (teilweise) handele es sich um Akten, die seiner Aufsicht über das Finanzamt im Besteuerungsverfahren der Klägerin zu 1. dienten. Insoweit greife der Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG ein. Es bestehe insoweit keine zeitliche Grenze des Unterlagenschutzes. Die im Rahmen der Fachaufsicht erstellten Akten seien dauerhaft geschützt und fielen auch nach Abschluss des zugrundeliegenden (Steuer-)Verwaltungsverfahrens unter den Schutzbereich des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG. Der Schutz von Unterlagen, die der Aufsicht über eine andere Stelle dienten, beziehe sich nicht nur auf laufende Steuerverwal- tungsverfahren, sondern gelte nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift allgemein und ohne zeitliche Begrenzung. Es gelte, zu verhindern, dass Antragsteller mittels Akteneinsicht bei der aufsichtsführenden Stelle an Informationen gelangten, deren Offenbarung eine der Aufsicht unterstehende Behörde aus den Gründen des § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AIG verweigern könnte. Nach dem AIG solle allein die aktenfüh- rende Stelle über eine Offenbarung der ihr zuzurechnenden Informationen nach Maßgabe des Gesetzes entscheiden. -8-
7

-8- Im Hinblick auf die Akten 1 (teilweise), 37 (teilweise), und 54 greife der Ablehnungs- grund des § 4 Abs. 2 Nr. 1 1. Hs AIG ein. Nach dieser Vorschrift solle der Antrag auf Akteneinsicht abgelehnt werden, soweit sich der Inhalt der Akten auf den Prozess der Willensbildung innerhalb und zwischen Behörden beziehe, es sei denn, dass das Interesse an einer Einsichtnahme das entgegenstehende öffentliche Interesse über- wiege. Unter dem Prozess der Willensbildung sei ein Vorgang des gemeinsamen Überlegens, Besprechens bzw. Beratschlagens von Entscheidungen zu verstehen. Das öffentliche Interesse an einer Geheimhaltung des Akteninhalts überwiege das Interesse der Kläger an einer Einsichtnahme deshalb, weil diese Aktenteile im unmit- telbaren Zusammenhang mit den Akten zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG) stünden. Hinsichtlich der Akten 3 bis 6, 28 (teilweise) handele es sich um Akten, die das Verwaltungsverfahren zum Staatshaftungsverfah- ren beträfen. Auch insoweit könne keine Akteneinsicht gewährt werden. Bei den Ak- ten 29 bis 36, 37 (teilweise), 51 und 52 (teilweise) handele es sich um Akten, die das laufende Staatshaftungsverfahren beträfen. Ein Akteneinsichtsrecht in laufende Ver- fahren sei nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gegeben, § 2 Abs. 5 AIG. Ein Verfahren sei erst dann als abgeschlossen anzusehen, wenn eine bestandskräftige und nicht mehr anfechtbare Entscheidung über den dem Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalt oder Vorgang getroffen worden sei. Dies beziehe das gerichtliche Verfahren und die Entscheidung des letztinstanzlich zuständigen Gerichts mit ein. Über die von der Klägerin zu 1. eingereichte Klage auf Schadenser- satz sei in diesem Sinne noch nicht abschließend entschieden. Den Klägern stünde auch ein Akteneinsichtsrecht nach § 29 Abs. 1 VwVfGBbg nicht zu. Der Kläger zu 2. habe keinen Antrag auf Staatshaftung gegenüber dem Finanzamt gestellt. Im Übri- gen sei das eigentliche Verwaltungsverfahren mit der Ablehnung des Antrages auf Staatshaftung durch ihn am 24.08.2004 abgeschlossen worden. § 29 VwVfGBbg gewähre jedoch nur Akteneinsicht in laufenden Verwaltungsverfahren. Die Akten 28 (teilweise), 55/56 (teilweise), 57 bis 59, 60 (teilweise), 61 und 82 a/b seien Akten, die im laufenden Verfahren zum streitgegenständlichen Akteneinsichts- antrag der Kläger erstellt worden seien. Insoweit greife der Ausschlussgrund des § 2 Abs. 5 AIG ein. Bei der Akte 55/56 (teilweise) greife der Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 Nr. 5 AIG ein, da es sich um eine Akte handele, die zur Durchführung eines Gerichtsverfahrens erstellt worden sei, nämlich anlässlich des Rechtsstreites um Akteneinsicht vor dem -9-
8

-9- Verwaltungsgericht Potsdam (Az. 3 K 1595/05) und anlässlich des Rechtsstreits we- gen Staatshaftung vor dem LG Cottbus (Az. 5 O 72/05). Einsicht in die Akte 38 könne nicht gewährt werden, da es sich um eine Akte hande- le, die im Rahmen einer Petition im Zusammenhang mit dem laufenden Verfahren zum Antrag der Klägerin zu 1. auf Staatshaftung erstellt worden sei. In die Akte 25 (teilweise) könne keine Einsicht gewährt werden, da diese zur Durch- führung des Rechtsstreites vor dem Finanzgericht Berlin–Brandenburg (Az. 4 K 2585/99) erstellt worden sei. Die Akten 2 a) und 2 b) seien zur Durchführung des Rechtsstreites wegen Umsatz- steuer vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az. 4 K 2585/99) und des Rechts- streites wegen Nichtzulassung der Revision vor dem Bundesfinanzhof (Az. VB 174/02) erstellt worden. Bei der Akte 50 handele es sich um eine Akte, die Mitteilungen von nicht dem AIG unterfallenden Stellen enthielte (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 AIG). Hinsichtlich der Akten 27, 60 und 81 habe er sich mit den Klägern dahingehend ge- einigt, dass keine Einsichtnahme mehr begehrt würde. Bei der Akte 27 handele es sich um eine Akte, die ihm im Zusammenhang mit dem Prozess wegen Staatshaf- tung vor dem LG Cottbus (Az. 5 O 72/05) zugegangen sei. Die Akte 60 beträfe das laufende Verfahren zum Akteneinsichtseintrag der Kläger sowie Schriftstücke, die zur Durchführung des vorliegenden Rechtsstreites erstellt worden seien. Die Akte 81 be- träfe das Gerichtsverfahren vor dem Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az. 1 K 240/05). Im Übrigen bedeute die Aussonderung sämtlicher Akten einen unverhältnismäßig hohen Aufwand im Sinne des § 6 Abs. 2 AIG. Insoweit bestünde nur ein Recht auf Auskunftserteilung. Vom Akteneinsichtsgesuch der Kläger seien insgesamt 87 Akten betroffen. Die Unterlagen würden ca. 25.000 Einzelseiten umfassen, wobei es sich vielfach um Abschriften handele. Eine Aussonderung sei nur unter erheblichem per- sonellen Aufwand zu bewerkstelligen, der die Wahrnehmung anderer hoheitlicher Aufgaben wesentlich beeinträchtigen würde. Die Kläger hätten bereits bei anderen Stellen Einsicht in Akten nehmen können. Mit den aus den Einsichtnahmen gewon- nenen Informationen hätten sie bisher noch nicht ihren Schadensersatzanspruch er- folgreich durchsetzen können. Auch unter diesem Gesichtspunkt sei es unangemes- sen, den Klägern eine Einsicht durch Aussonderung von Aktenteilen zu gewähren. - 10 -
9

- 10 - Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den In- halt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten sowie der Verwaltungsvorgänge, wel- che vorgelegen haben und Inhalt der mündlichen Verhandlung vom 8.12.2009 gewe- sen sind, Bezug genommen. Entscheidungsgründe: Die Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie abzuweisen. Die Klage ist zulässig. Das Klagebegehren der Kläger ist nach der Erklärung in der mündlichen Verhand- lung vom 8.12.2009 und einer gemeinsamen Durchsicht der Beiakten durch die Be- teiligten auf die in dem Klageantrag benannten Akten beschränkt. Das Klagebegehren der Kläger ist dahingehend sachgerecht auszulegen (§ 88 Ver- waltungsgerichtsordnung - VwGO -), dass Einsicht nur in die seitens des Beklagten dem Gericht vorgelegten Akten beantragt wird, da ein Akteneinsichtsrecht nicht für mutmaßlich vorhandene Akten, deren Existenz vom Beklagten bestritten wird, beste- hen kann. Diesbezüglich kann schon denklogisch seitens des Gerichts eine hinrei- chend konkrete Verpflichtung nicht ausgesprochen werden. Statthafte Klageart ist hier die Verpflichtungsklage (ständige Rechtsprechung der 3. Kammer im Anschluss an OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.12.2006, Az. 7 B 9.05), da im Falle der Ablehnung über den Antrag durch Verwaltungsakt entschieden wird (§§ 6 Abs. 1 Satz 7, 8 AIG). Für den Fall der Gewährung von Akteneinsicht ist davon auszugehen, dass inzidenter vorab ein Verwaltungsakt ergeht, dessen Erfül- lung wiederum ein Realakt ist, vgl. § 7 AIG. Die Klagefrist nach § 74 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 und § 58 Abs. 2 VwGO ist ein- gehalten. Zwar ist der Bescheid vom 8.01.2002, gerichtet an die Klägerin zu 1., die- ser bereits am 10.01.2002 zugegangen, so dass die Klage gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bzw. innerhalb eines Jahres man- gels Rechtsmittelbelehrung gemäß § 58 Abs. 2 VwGO hätte erhoben werden müs- sen. Jedoch wird durch den Zweitbescheid vom 19.07.2004 der Klageweg für beide - 11 -
10

Zur nächsten Seite