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Aktenzeichen
13a F 30/07
Datum
7. Januar 2008
Gericht
Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Gesetz
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)
Umweltinformationsgesetz Bund (UIG)

Beschluss: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen am 7. Januar 2008

13a F 30/07

Ein Bundesministerium hatte keine ausdrückliche Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgegeben, verweigerte aber die Vorlage der Akten im Hauptsacheverfahren. Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Weigerung der Vorlage vollständig ungeschwärzter Verwaltungsvorgänge nicht auf das Umweltinformationsgesetz gestützt werden kann und deshalb rechtswidrig ist. Die Regelungen des § 99 VwGO überlagern die des Fachgesetzes. Die gerichtliche Überprüfung der Verweigerung der Aktenvorlage hängt nicht von einer formellen Entscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ab. Auch ist die Behörde nicht gehindert, die Sperr- oder Freigabeerklärung nachzuholen. (Quelle: LDA Brandenburg)

Konkurrierende Rechtsvorschriften in-camera Verfahren

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13 a F 30/07 Beschluss In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen Auskunft nach dem Umweltinformationsgesetz hier: Zwischenverfahren wegen verweigerter Aktenvorlage hat der Fachsenat für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO des OBERVERWALTUNGSGERICHTS FÜR DAS LAND NORDRHEIN-WESTFALEN am 7. Januar 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht          Dr. L a u , den Richter am Oberverwaltungsgericht           Bretschneider, den Richter am Oberverwaltungsgericht           Pentermann beschlossen: Es wird festgestellt, dass die Verweigerung der Vor- lage ungeschwärzter Verwaltungsvorgänge im Ver- fahren 13 K 3259/06 VG Köln durch die Antragsgeg- nerin rechtswidrig ist.
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-2- Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Zwischen- verfahrens. Der Streitwert für das Zwischenverfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt. Gründe: Der Antrag ist zulässig. Der Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist nicht deshalb unzulässig, weil das zu- ständige Bundesministerium für F.          , M.         und W.            eine Ent- scheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausdrücklich nicht getroffen hat. Dieser Umstand ist für die Zulässigkeit des vorliegenden Antrags nicht von Bedeutung. Nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO stellt das Oberverwaltungsgericht fest, ob die Ver- weigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten ... rechtmäßig ist. Die Vorschrift spricht lediglich das Verhalten der Behörde an, nämlich die - objektive - Weigerung der Aktenvorlage ..., macht aber die gerichtliche Überprüfung nicht vom Vorliegen einer formellen Entscheidung und nicht von einem subjektiven Element abhängig, etwa der Vorstellung der Behörde von der richtigen Rechtsgrundlage für ihr Verhal- ten. Wollte man für die Zulässigkeit des Antrags nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO das Vorliegen einer erkennbaren Entscheidung der zuständigen Behörde nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verlangen, eröffnete das der verweigernden Behörde die Möglichkeit, durch ausdrückliches Nichtentscheiden nach dieser Vorschrift dem Gericht entschei- dungserhebliche Akten vorzuenthalten und es ggf. zu einer Entscheidung nach Be- weislastgrundsätzen zu zwingen. Ob die Weigerung der Aktenvorlage verfahrens- rechtlich beanstandungsfrei erfolgt ist, etwa auf die richtige Rechtsgrundlage gestützt ist, ist eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeitsprüfung. Diese Prüfung führt zur Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Vor- lage der Verwaltungsvorgänge, soweit sie in Teilen geschwärzt vorgelegt worden sind. Nach der verfahrensrechtlichen Spezialvorschrift des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann die oberste Aufsichtsbehörde bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen die
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-3- Vorlage von Verwaltungsvorgängen oder Akten ... , und zwar in der der Behörde tat- sächlich vorliegenden Fassung, verweigern; die sog. Sperrentscheidung steht im Ermessen der zuständigen Behörde. Diese Regelung überlagert im Streit über die Offenlegung des Inhalts von Verwaltungsvorgängen die fachgesetzlichen Regelun- gen beispielsweise des Umweltinformationsgesetzes oder des Informationsfreiheits- gesetzes. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO hat einen prozessual anderen Anwendungsbe- reich und kommt erst dann zur Anwendung, wenn die Behörde von der Möglichkeit der Versagung der beantragten Information durch Auskunftserteilung, Akteneinsicht oder dergleichen, etwa nach § 9 Abs. 1 UIG oder § 5 Abs. 1 IFG, Gebrauch gemacht hat. Insoweit können weder die fachgesetzlichen Regelungen der Informationsver- weigerung § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ersetzen noch umgekehrt. Ferner unterscheidet sich die Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO insoweit von der vorangegangenen Versagungsentscheidung nach dem je- weiligen Fachgesetz, als in erstere neben den fachgesetzlichen Schutzinteressen auch das öffentliche und zugleich partei-individuelle Interesse an der Wahrheitsfin- dung im Verwaltungsprozess sowie das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG als Grundprinzipien rechtsstaatlicher Rechtsprechung einzu- stellen sind. Die diese Gesichtspunkte berücksichtigende Abwägung kann nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zum Zurücktreten der vom jeweiligen Fachgesetz erfassten Schutzinteressen, andererseits aber auch zu einem höheren Gewicht derselben - einschließlich eventueller Verbotsnormen - gegenüber dem verwaltungsprozes- sualen Interesse an Wahrheitsfindung und Rechtsschutzeffektivität führen, so dass sich die zuständige Behörde auch im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Aufrechterhaltung der Verweigerung veranlasst sehen kann. Näheres hierzu hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem der Antragsgeg- nerin bekannten Beschluss vom 13. Juni 2006 - 20 F 5.05 -, DVBl. 2006, 1245, auf den verwiesen wird, aufgezeigt. Vorliegend hat die Antragsgegnerin eine Ermessensentscheidung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ausdrücklich nicht getroffen. Sie meint, § 9 Abs. 1 UIG sei im vorlie- genden Fall lex spezialis gegenüber § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO, so dass es einer Ent- scheidung nach dieser Vorschrift nicht bedürfe. Das ist unzutreffend und führt wegen Ermessensnichtgebrauchs zur Rechtswidrigkeit der Verweigerung der Vorlage unge- schwärzter Akten(teile) im Hauptsacheverfahren.
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-4- Die Feststellung, dass die Weigerung der Vorlage vollständig ungeschwärzter Ver- waltungsvorgänge rechtswidrig ist, hindert die Antragsgegnerin nicht, die Sperr- oder Freigabeerklärung auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung im beschriebe- nen Sinne nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nachzuholen. Vgl. hierzu OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Novem- ber 2006 – 13a D 114/06 – und vom 29. Januar 2007 - 13a D 105/05 -, gegen denselben Antrags- gegner wie vorliegend. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 52 Abs. 2 GKG. Rechtsmittelbelehrung Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten die Beschwerde an das Bundes- verwaltungsgericht zu. Die Beschwerde ist beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Ver- ordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und den Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen – ERVVO VG/FG - vom 23. November 2005 (GV. NRW. S. 926) einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung der Bun- desregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwal- tungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) bei dem Beschwerdegericht eingeht. Für das Beschwerdeverfahren besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Ein- legung der Beschwerde. Danach muss sich jeder Beteiligte durch einen Rechtsan- walt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hoch-
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-5- schulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplom- juristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Ange- stellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehö- ren, vertreten lassen. Die Streitwertfestsetzung ist unanfechtbar. Dr. Lau                           Bretschneider                    Pentermann
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