Stiftung Klima- und Umweltschutz MVScheitern mit Ansage

Seit Beginn stand Manuela Schwesigs umstrittene Klimastiftung in der Kritik. Auch das Auswärtige Amt warnte – und sah es als Projekt für Nord Stream 2. Das zeigen neue Dokumente, die wir veröffentlichen.

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eigene Bearbeitung

Die Geschichte der Stiftung Klima- und Umweltschutz MV beginnt im Herbst 2020. Als das Großprojekt der Ostseepipeline Nord Stream 2 aufgrund möglicher US-Sanktionen gegen Baufirmen und Zulieferer zu stocken drohte, ging die mecklenburg-vorpommerische Landesregierung einen umstrittenen Weg: Sie gründete eine Stiftung zur Förderung von Projekten im Bereich Klima- und Umweltschutz, die jedoch als „Nebenzweck” ebenso für die Fertigstellung der Pipeline sorgen sollte. 

Seither beschäftigte sich nicht nur ein Untersuchungsausschuss mit der Stiftung, sondern auch einige Journalist:innen-Teams – so auch wir. Wir haben im vergangenen Jahr unzählige Dokumente zu dem dubiosen Gründungsprozess der Stiftung veröffentlicht. Außerdem haben wir die Stiftung erfolgreich verklagt, weshalb sie seither Anfragen nach dem Presserecht beantworten muss. 

Und es geht weiter: Denn nach eineinhalb Jahren Bearbeitungszeit hat nun auch das Bundeswirtschaftsministerium auf unsere Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) geantwortet. Die Dokumente, die wir erhalten haben und jetzt veröffentlichen, beleuchten weitere Aspekte der Stiftungsgründung. Es handelt sich dabei vorrangig um E-Mails aus dem Winter 2020/2021 zwischen Bundes- und Landesministerien sowie von der Nord Stream 2 AG. Diese haben wir vorab mit dem NDR geteilt und analysiert. 

In den E-Mails geht es um den damaligen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und die Erstellung eines Dokuments, das es offiziell gar nicht geben sollte. Sie zeigen außerdem, wie das Auswärtige Amt der öffentlichen Argumentation Manuela Schwesigs widerspricht. Und sie zeigen einmal mehr, dass es bei der Gründung der Stiftung nicht vorrangig um die Förderung von Projekten im Bereich Klima- und Umweltschutz ging. 

Das „Nonpaper“

Schon vor der offiziellen Gründung der Klimastiftung waren Mitglieder der Bundesregierung in die Pläne eingeweiht. Der damalige Bundeswirtschaftsminister Altmaier sagte rückblickend, er habe von der Gründung der Stiftung gewusst, diese jedoch nicht gebilligt. Dass er sich nicht öffentlich zu dem Thema geäußert habe, begründete er im Nachhinein mit Respekt vor dem Schweriner Landtag. 

E-Mails, die wir jetzt veröffentlichen, zeigen: Wie das Bundeswirtschaftsministerium tatsächlich im Herbst 2020 zur Klimastiftung stand, wollte Altmaier nicht rechtskonform dokumentieren. 

Am 27. November 2020 bat der damalige Energieminister von Mecklenburg-Vorpommern Christian Pegel (SPD) um ein Gespräch mit Altmaier „zu aktuellen Entwicklungen zum Weiterbau von NORD STREAM 2 vor dem Hintergrund der Sanktionen“.

Im Zusammenhang mit solchen Terminen werden meist Vorbereitungsunterlagen von Mitarbeitenden erstellt. Diese Unterlagen müssen anschließend veraktet werden – so ist es gesetzlich vorgeschrieben. Altmaier bat seinen Mitarbeiter jedoch um ein „Nonpaper zum dem Konzept/Konstrukt der Stiftung (inklusive Bewertung)“. 

interne E-Mail des Bundeswirtschaftsministerium vom 27. November 2020

Erstellt wurde das Dokument, um „Zeit zu sparen“, womöglich nicht, wie der weitere Mailverlauf zeigt. Dennoch ist bereits die Bitte um ein solches Nonpaper problematisch. 

Nicht veraktet, nicht rechtskonform 

Ein Nonpaper ist ein Dokument, das im behördlichen Alltag erstellt wurde, jedoch keinen offiziellen Charakter hat. Es hat keinen Datumstempel, keine Unterschrift und kein Aktenzeichen. Somit taucht es später im Archiv nicht auf und sein Inhalt ist für Dritte nicht zugänglich. 

Eine Sprecherin des Bundesbeauftragen für Datenschutz und Informationsfreiheit sagt dazu, dass eine nur selektive Veraktung dem Gedanken der Transparenz nicht entsprechen dürfe. „Dokumente sollten stets unter Beachtung und entsprechend der Registraturrichtlinie veraktet werden.“

Das Gebot der vollständigen Aktenführung ergibt sich nicht nur aus der Registraturrichtlinie, sondern bereits aus dem im Grundgesetz verankerten Rechtsstaatsprinzip ergibt. Alles, was für einen Vorgang wesentlich ist, muss grundsätzlich veraktet werden. Die Beauftragung eines Nonpapers zu einem derart wichtigen Thema ist damit kaum in Einklang zu bringen.

Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt auf Nachfrage, dass es zu „Verfahrensweisen des ehemaligen Bundeswirtschaftsministers“ keine Stellung beziehen könne. Altmaier ist seit Dezember 2021 nicht mehr im Amt.

Verlagerung des Problems

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns verteidigte die Gründung der Stiftung damit, dass dadurch Firmen, die am Bau der Pipeline beteiligt sind, vor den US-Sanktionen geschützt würden. Das Auswärtige Amt hatte dazu jedoch eine andere Einschätzung. 

So schreibt ein Mitarbeiter aus dem für Wirtschaftssanktionen zuständigen Referat am Tag der Stiftungsgründung an das Bundeswirtschaftsministerium: „Im Fokus der US Sanktionen stehen nicht Gazprom oder die N2 AG, sondern deren Zulieferer und Dienstleister. Eine Stiftung, die ihrerseits auf eben diese Dienstleister und Zuliefer angewiesen wäre, bedeutet eine Verlagerung des Problems. Private Zulieferer oder Dienstleister stünden weiterhin unter erheblichen US-Sanktions-Druck.“

E-Mail vom Auswärtigen Amt an das Bundeswirtschaftsministerium am 08. Januar 2021

„N2-Stiftung MV“

Wiederholt wird von Manuela Schwesigs Landesregierung betont, dass die Klimastiftung unabhängig von der Nord Stream 2 AG gegründet wurde und das Unternehmen keinen Einfluss auf die Stiftung gehabt hätte. Ebenso wird der Hauptzweck zur Förderung von Projekten im Bereich Klima- und Umweltschutz immer wieder hervorgehoben. In den Bundesbehörden scheint diese Verbindung jedoch von Beginn an klar erkannt und benannt worden sein. 

In einer weitergeleiteten E-Mail, die vom Auswärtigen Amt Anfang Dezember 2020 an die zuständige Abteilung im Bundeswirtschaftsministerium verschickt wurde, steht im Betreff „VS-NfD: mögl. N2-Stiftung MV“. Hinter dem Kürzel verstecken sich die Begriffe „Verschlusssache – nur für den Dienstgebrauch“. „N2“ bedeutet in diesem Kontext Nord Stream 2. Unerwähnt bleiben hingegen die Begriffe Klima und Umwelt.

E-Mail vom Auswärtigen Amt an das Bundeswirtschaftsministerium am 01. Dezember 2020


Hier geht es zur Anfrage beim Bundeswirtschaftsministerium 
Hier geht es zu einer weiteren Recherche zur Stiftung
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