Ölverschmierte AktienFossil Free verklagt das Bundesinnenministerium

Die Bundesregierung investiert mit ihrem angeblich nachhaltigen Pensionsfonds Millionen Euro in klimaschädliche Konzerne. Doch Unterlagen dazu will sie nicht herausgeben.

- Mathias von Gemmingen
eigene Bearbeitung –

„Klimaschutz und Nachhaltigkeit werden ab jetzt großgeschrieben“, kündigte das Bundesinnenministerium (BMI) 2021 an. Gemeint war der Pensionsfonds der Bundesregierung: Aktiengeschäfte in Höhe von 10,8 Milliarden Euro. Die Investitionen des Bundes seien sogar mit dem Ziel vereinbar, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. 

Doch kurz darauf flog auf, dass das Ministerium dabei auch Aktien von Exxon und anderen klimaschädlichen Gas- und Ölkonzernen gekauft hatte. Um herauszufinden, wie diese Geschäfte mit den angeblich nachhaltigen Plänen vereinbar sein sollen, hat die Initiative Fossil Free Berlin eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) gestellt. Sie wollen wissen, welche Fossilfirmen von den Börsengeschäften des Bundes profitieren und welche Klimaschäden der Staat mitfinanziert? Weil das BMI mauert, zieht die Initiative jetzt mit einer Transparenzklage vor Gericht.

Ein Aktienskandal brachte alles ins Rollen

2022 deckten die Süddeutsche Zeitung und der NDR auf, dass das BMI mit 573 Mio. Euro des Pensionsfonds „überraschend dreckige“ und „klimaschädliche“ Aktien der Fossilindustrie gekauft hatte. Als die Tagesschau im März 2023 kritisch berichtete, gab das Ministerium bekannt, Aktien des Gas- und Ölriesen Exxon inzwischen verkauft zu haben. Zu Investments in anderer Fossilkonzerne durch das staatliche Aktiendepot schwieg die Bundesbehörde.

Zum Zeitpunkt der Medienberichte hielt das BMI Aktien von sieben Fossilkonzernen, die für ihren klimaschädlichen Expansionskurs international kritisiert werden. Dazu zählt beispielsweise der Ölkonzern Total Energies aus Frankreich, der aktuell eine 1.443 Kilometer lange Erdölpipeline durch Ostafrika plant. Von den Aktiengeschäften des deutschen Staats profitiert auch Enbridge, der größte Pipelinebetreiber Nordamerikas. Die Umweltschutzorganisation urgewald, die die Transparenzklage unterstützt, nennt diese Projekte „CO2-Bomben“.

Sechs Monate lang wich das BMI der IFG-Anfrage von Fossil Free nach Firmennamen und Treibhausgasen aus und lehnte sie am Ende fast vollständig ab. Deshalb zieht Fossil Free jetzt vor Gericht und erklärt in einer Pressemitteilung: „Wenn das Ministerium aus seinem Aktienskandal 2022 gelernt hat, gibt es keinen Grund mehr für Heimlichtuerei.“

In allen staatlichen Geldtöpfen fehlen Klima-Mindeststandards

Für Jurist:innen ist diese Klage auch deshalb interessant, weil es weitere staatliche Geldtöpfe geht, bei denen nachvollziehbare Mindeststandards und Klimakriterien fehlen. Auch beim Atomentsorgungsfonds KENFO wurden durch IFG-Anfragen Aktiendeals mit Gas- und Ölkonzernen aufgedeckt. Gegen die VBL, die Pensionskasse der Angestellten im öffentlichen Dienst in Bund und Ländern, läuft ebenfalls eine Transparenzklage von FragDenStaat und Finanzwende.

Laut Recherchen von Fossil Free hat der Bund rund 121 Milliarden Euro am Finanzmarkt angelegt, um Zinsgewinne und Dividenden zu erzielen. Sollte die von der FDP angestrebte „Aktienrente“ doch noch verwirklicht werden, könnten die staatlichen Anlagen bis 2035 sogar auf 321 Milliarden Euro wachsen. So konstruiert sich die Bundesregierung politische Interessenkonflikte mit Klimazielen auf der einen Seite und Profitdruck auf der anderen.

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