Abmahnen, Fordern, KlagenWie der Hohenzollern-Streit weitergeht

Sollte das Land Brandenburg nicht bereit sein, die Entschädigungs-Verhandlungen mit den Hohenzollern fortzusetzen, könnten die Hohenzollern Kunstwerken aus öffentlichen Museen abziehen. Außerdem gibt es neue Klagen – und erstmals eine öffentliche Dokumentation über das Abmahnwesen der Hohenzollern.

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Der Vorfahre macht große Augen: Hohenzollern-Kurfürst Friedrich der Große, ausgestellt im Schloss Sanssouci –

Wilhelm Campenhausen (1870), CC0

Jahrelang liefen hinter verschlossenen Türen Gespräche der Hohenzollern mit Bund und Ländern über Geld, Kunstschätze und die Interpretation der deutschen Geschichte. Der Tagesspiegel berichtete vor zwei Jahren über Forderungen des Hauses Hohenzollern, nach denen es als Entschädigung für Enteignungen die Nutzung von Immobilien sowie eine Zahlung von 1,2 Millionen Euro forderte.

Wie ein Brief des Hohenzollern-Verhandlungsführers Jürgen Aretz an die brandenburgische Kulturministerin Manja Schüle zeigt, den wir nach einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz veröffentlichen, drohte der Chef-Verhandler der Hohenzollern im Januar verhohlen, Kunstwerke aus öffentlichen Einrichtungen in Berlin und Brandenburg abzuziehen, falls die Regierung nicht bereit ist, die Verhandlungen unter anderem über Entschädigungen fortzusetzen. Andere Einrichtungen hätten bereits ihre „Bereitschaft“ signalisiert, die Kunstwerke abseits von Berlin auszustellen. Nichtsdestotrotz wurden inzwischen offenbar die schon 2019 ins Stocken geratenen Verhandlungen komplett abgebrochen.

Klage zu Kunstschätzen und Datenschutz

Welche Kunstwerke die Hohenzollern allerdings an öffentliche Institutionen ausgeliehen haben, ist für die im Endeffekt möglicherweise betroffene Öffentlichkeit nicht in vollem Umfang bekannt. Daher haben wir bei der staatlichen Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, die unter anderem das Schloss Sanssoucci verwaltet, eine Übersicht der Leihgaben der Hohenzollern an die Stiftung angefragt.

Die Herausgabe der Übersicht hat die Stiftung jedoch verweigert. Der Grund: Die Leihgaben geben laut Stiftung Aufschluss über Vermögenswerte der Hohenzollern und seien damit personenbezogene Daten. Die Hohenzollern hätten sich der Zugänglichmachung ausdrücklich verweigert. Aus Datenschutzgründen müssten sie daher geheim bleiben.

Gegen die Ablehnung haben wir Klage eingereicht. Wir glauben, dass es insbesondere im Kontext der Warnung, Kunstwerke abzuziehen, ein hohes öffentliches Interesse daran gibt zu erfahren, welche Bestände öffentliche Stiftungen und Museen haben – und welche davon Leihgaben sind oder nicht. Über die Klage muss jetzt das Berliner Verwaltungsgericht entscheiden.

Abmahn- und Klage-Wiki gestartet

Der Historikerverband hat unterdessen heute eine umfangreiche Datenbank veröffentlicht, die einen Ausschnitt der zahlreichen Abmahnungen und Klagen der Hohenzollern gegen Historiker:innen und Medien dokumentiert. Wir unterstützen das Projekt und wünschen uns, dass auch andere von Abmahnungen betroffene Medien dies durch Bereitstellung von Dokumenten tun, darunter der Deutschlandfunk/Deutschlandradio Kultur sowie der NDR. 

Das Wiki soll es ermöglichen, möglichst umfassend nachzuvollziehen, in welchem Umfang die Hohenzollern gegen unliebsame Berichterstattung rechtlich vorgehen, denn darin liegt die Gefahr, dass die wissenschaftliche Erforschung und die öffentliche Diskussion über die Rolle des Hauses Hohenzollern mit juristischen Mitteln erstickt wird.

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zum Klage-Wiki

zur Klage

zum Schreiben des Hohenzollern-Verhandlungsführers

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GENERALVERWALTUNG DES VORMALS REGIERENDEN PREUßISCHEN KÖNIGSHAUSES Frau Dr. Manja Schüle Ministerin für Wissenschaft,                                          MWFK - ivlinisiei-biiro Forschung und Kultur des Landes Brandenburg                                                        3, F9: 2021 -persönlich- Dortustraße 36                                                       l-g b.-r1i. AA 4- 14467 Potsdam Potsdam, 29. Januar 2021 Sehr geehrte Frau Ministerin, in der Frage der Restitution von Georg Friedrich Prinz von Preußen und der übergeordneten Frage einer umfassenden gütlichen Einigung zwischen den beteiligten staatlichen Stellen und dem Prinzen, ist es seit Juli 2019 nicht mehr zu neuen Gesprächen gekommen. Die Notwendigkeit einer umfassenden Lösung zeigt sich nicht zuletzt vor dem Hintergrund einer Feststellung von Herrn Prof. Dr. Vogtherr, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, die er im Januar 2020 in einer öffentlichen Anhörung des Deutschen Bundestages getroffen hat. Demnach sind durch das Verfahren vor dem VG Potsdam maximal 30 % der Kunst- und Kulturgüter betroffen, die mit dem Prinzen von Preußen in Verbindung zu bringen sind und die für die Darstellung der preußischen respektive der deutschen Geschichte in den einschlägigen Museen zentrale Bedeutung haben. Die übrigen 70 %, so Prof. Vogtherr, seien dem Eigentum des Prinzen von Preußen zuzurechnen oder unter rechtlichen Aspekten streitig, die nichts mit dem EALG und damit der Frage der Würdigkeit des Kronprinzen zu tun haben. Tatsächlich, so unsere Recherchen, dürfte der Anteil bei mindestens 80 % liegen. Das gilt sowohl für die ausgestellten Stücke als auch für die weit umfangreicheren Depotbestände. Unabhängig von dieser unterschiedlichen Einschätzung wird durch die grundsätzliche Feststellung von Herrn Prof. Vogtherr, die andere Fachleute teilen, klar, dass der ganz überwiegende Teil dieser Kunst- und Kulturgüter unzweifelhaft im Eigentum des Prinzen von Preußen steht bzw. dass er allerbeste Aussichten hat, sein Eigentum gerichtlich feststellen zu lassen. Das sollte der staatlichen Seite verdeutlichen, dass nur der Abschluss einer umfassenden gütlichen Einigung den Kultureinrichtungen die notwendige Rechts- und Planungssicherheit verschaffen wird. Bertha-von-Suttner-Straße 14 14469 Potsdam +49 (0)331 • 8170 16 60 potsdam@preussen.de
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Eine solche Einigung setzt Verhandlungen in der Sache voraus. Erst kürzlich — und das sollte im Hinblick auf das anhängige Verfahren von beiden Seiten wohl bedacht sein — hatte das VG Potsdam den Hinweis gegeben, dass es solche Verhandlungen für "sinnvoll" erachte. Die Aufnahme von Verhandlungen wurde in der jüngeren Vergangenheit nicht zuletzt durch eine öffentliche Diskussion verhindert, in der wesentliche Tatsachen falsch dargestellt bzw. ignoriert wurden und die auch nicht frei war von persönlichen Angriffen auf den Prinzen von Preußen. Ein Beispiel für diese kontraproduktive Diskussion ist das Verhalten von Frau Prof. Dr. Schlotheuber, Vorsitzende des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands e. V. Eine sehr kleine, aber meinungsstarke Gruppe von Historikerinnen und Historikern hatte in der Vergangenheit in der Presse zu dem Restitutionsverfahren des Prinzen von Preußen falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt bzw. rechtlich unzulässige Eindruckserweckungen zu verantworten. Auf unsere Veranlassung sind ganz überwiegend Selbstkorrekturen der falschen bzw. unzulässigen Äußerungen erfolgt. Soweit diese Korrekturen nicht vorgenommen wurden, mussten wir die zuständigen Gerichte bemühen. Die letzten gerichtlichen Verfahren mit Bezug auf Historiker wurden 2019 eingeleitet, wohlgemerkt nicht aufgrund historischer oder wissenschaftlicher Bezüge. Die unterschiedlichen Gerichte haben im Ergebnis in allen diesen Fällen übereinstimmend dem Prinzen von Preußen Recht gegeben. Zwei Verfahren sind noch nicht abgeschlossen, da von der anderen Seite Rechtsmittel eingelegt wurden. Wir haben Frau Prof. Schlotheuber wiederholt zu einem öffentlichen Dialog eingeladen, um alle zwischen uns offenen Fragen bzw. Themen zu erörtern. Die Vorsitzende des Historikerverbandes hat das stets abgelehnt, es sei denn, wir würden die "Abmahnungen zurücknehmen". Nun ging es zum einen nicht um Abmahnungen, zum anderen ist es offensichtlich und allgemein verständlich, dass rechtskräftig abgeschlossene Gerichtsverfahren beendet sind. Hätten auch die uneinsichtigen Urheber von falschen und unzulässigen Behauptungen diese rechtzeitig zurückgenommen, wäre es überhaupt nicht zu den Verfahren gekommen. Festzuhalten ist, dass wir in nicht einem einzigen Fall gegen wissenschaftliche Einrichtungen oder Äußerungen vorgegangen sind, die auf wissenschaftlicher Arbeit beruhten. Das wäre im übrigen rechtlich gar nicht möglich gewesen. Gleichwohl ist auch das in der öffentlichen Diskussion wahrheitswidrig behauptet worden. Die Argumentation von Frau Prof. Schlotheuber, der sich andere angeschlossen haben, ist mithin sachlich unzutreffend und inkonsistent. Gleichwohl macht sie diese Argumentation zur Grundlage ihrer Dialogverweigerung. Wie wir erfahren haben, gibt es im Historikerverband sehr wohl Widerspruch gegen die Haltung der Vorsitzenden, so die Mitglieder Gelegenheit hatten, sich über den Sachverhalt kundig zu machen. In aller Deutlichkeit ist festzuhalten: Die Forderung nach "Rücknahme von Abmahnungen" verkennt den Rechtsstaat. Es ist höchste Zeit, die Forderung aufzugeben und sie nicht länger als künstliches Hindernis der Aufnahme von Verhandlungen in den Weg zu stellen. Seite 2 von 3
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Wir formulieren für die Aufnahme von Verhandlungen ebenfalls keine Vorbedingungen, auch nicht die Rücknahme der gegen uns z.B. auch von Historikern ergriffenen rechtlichen Maßnahmen. Klar ist doch: die Verhandlungen und die angesprochenen rechtlichen Auseinandersetzungen haben nichts miteinander zu tun. Georg Friedrich Prinz von Preußen ist seit Jahrzehnten einer der größten privaten Leihgeber der Museen in Brandenburg und Berlin, und er erhält dafür keinerlei Vergütung. Angesichts dieses Sachverhalts und der gegen ihn gerichteten Kampagne, die wesentlich auf Unkenntnis und Unwahrheiten beruht, sollte den beteiligten Seiten daran gelegen sein, sehr rasch zu einer umfassenden gütlichen Einigung zu gelangen. Nur so wird auch der Standort der in Rede stehenden Kunst- und Kulturgüter verbindlich geklärt werden können. Der Prinz von Preußen steht zu seinem Wort, dass die ausgestellten Stücke an ihrem Ausstellungsort verbleiben sollen, so denn die angesprochene gütliche Einigung mit den Ländern Brandenburg und Berlin unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland gelingt. Die Geschichte Preußens erstreckt sich freilich nicht nur auf die Grenzen der heutigen Länder Brandenburg und Berlin. Es ist gar keine Frage, dass die angesprochenen Kunst- und Kulturgüter ebenso außerhalb dieser Länder in angemessenem Rahmen ausgestellt werden können. Längst haben uns vor dem Hintergrund der bekannten Auseinandersetzungen auch öffentliche Einrichtungen anderer Länder von sich aus ihre entsprechende Bereitschaft signalisiert. Das wird in unsere Überlegungen Eingang finden müssen, selbst wenn ich persönlich eine Standortverlagerung bedauern würde. Es geht um einen wichtigen Teil der Kulturlandschaft von Brandenburg und Berlin. Wer ernsthaft an der Lösung der schwierigen Fragen und damit dem Erhalt dieser Kulturlandschaft interessiert ist, weiß, dass nur sachliche Gespräche zwischen den Vertretern und Vertreterinnen der staatlichen Seite und des Prinzen von Preußen weiterhelfen werden. Vorbedingungen —von wem und in welcher Weise auch immer — sind vernünftigerweise nicht möglich. Diese Gespräche können aus unserer Sicht unmittelbar nach Aufhebung der strikten Corona -Auflagen beginnen, also wohl in der zweiten Februar-Hälfte. Wir sind dazu bereit. Mit freundlichen Grüßen &t4 Dr. Jürgen Aretz Staatssekretär a.D. Verhandlungsführer des Prinzen von Preußen Seite 3 von 3
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