Automatischer Import aus IFG-PortalWir haben Frontex geknackt

Die EU-Grenzpolizei möchte mit einer eigenen Website für Informationsfreiheitsanfragen verhindern, dass ihre Antworten an die Öffentlichkeit kommen – und schließt dabei Menschen mit Behinderung aus. Mit unserem neuen Tool haben wir ein Loch in Frontex’ digitalen Zaun geschnitten.

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Dimitris Avramopoulos holding up a photoshopped FragDenStaat Logo, next to Fabrice Leggeri
EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos präsentiert stolz das FragDenStaat-Logo –

Wer seit Anfang 2020 über FragDenStaat eine Informationsfreiheitsanfrage an die EU-Grenzpolizei Frontex stellt, erhält immer die gleiche Antwort:

New information regarding your application is available under this link https://pad.frontex.europa.eu/PadCase...

Also übersetzt etwa

Neue Informationen zu Ihren Antrag stehen unter folgendem Link bereit https://pad.frontex.europa.eu/PadCase...

Dazu gibt es dann noch Zugangsdaten zu einem Portal von Frontex. Antworten per E-Mail verschickt Frontex in diesem Zusammenhang hingegen nicht. So weigert sich die umstrittene EU-Grenzpolizei, auf einfachem Wege öffentlich Auskünfte an Bürger:innen zu geben und versucht, Plattformen wie FragDenStaat und AskTheEU zu umgehen. Stattdessen hat Frontex eine eigene Online-Plattform namens „PAD” entwickelt – die völlig in der Hand der EU-Grenzpolizei ist. Antworten können erst nach personalisiertem Login abgerufen werden. Bereits vor ein paar Monaten hatten wir über solche Plattformen geschrieben, die Antragsteller:innen Hürden in den Weg legen.

Ein Problem für die Informationsfreiheit …

Dass Frontex nur über die eigene Plattform antwortet, ist ein massives Problem für Transparenz und Informationsfreiheit: In der Vergangenheit hat Frontex bereits Antworten nachträglich verändert. Wenn die Behörde will, kann sie den Zugang zu der Plattform jederzeit widerrufen; etwa, wenn ihr eine Antwort nicht mehr passt. Frontex kann so auch einsehen, wann genau eine Information abgerufen wird. Vor allem aber sind Informationen, die Frontex so herausgibt, nicht wie auf FragDenStaat für andere Menschen zugänglich.

Bisher bittet FragDenStaat die Nutzer:innen deshalb, die Informationen manuell aus dem Frontex-Portal herunterzuladen und bei FragDenStaat wieder hochzuladen.

… und die Barrierefreiheit

Doch nicht nur mit Blick auf Transparenz ist das Frontex-Portal ein Problem. Frontex verstößt damit auch gegen die EU-Richtline zur Barrierefreiheit. Denn um sich im PAD einzuloggen, müssen User ein „Captcha” lösen: Eine verzerrte Buchstaben- und Zahlenfolge muss korrekt erkannt werden.

Screenshot der Frontex-PAD-Website. Zu sehen ist ein CAPTCHA-Bilder mit verzerrten Buchstaben und Zahlen, darunter ein Eingabefeld “Captcha Code”

Captchas sollen verhindern, dass automatische Programme Dinge tun, die eigentlich nur Menschen tun sollen – hier zum Beispiel die Antworten von Frontex abrufen.

Doch solche Text-Captchas machen die Seite auch unzugänglich für Menschen mit Behinderungen. Daher schreiben die WCAG – das Standard-Regelwerk für barrierearme Webseiten – vor, dass es stets eine Alternative zu Text-basierten Captcha geben muss. Um eine Seite für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich zu machen, können zum Beispiel Audio-Captchas angeboten werden. Bestenfalls sollte aber gemäß WCAG ganz auf Captchas verzichtet werden.

Trotzdem setzt Frontex nicht nur auf seine eigene Plattform, sondern auch allein auf visuelle Captchas.

Neu: Automatischer Import von Frontex-Nachrichten

Gute Nachrichten: Wir haben ein neues Tool gebaut, um gegen das Frontex-Portal vorzugehen. Mit der Intransparenz und den Barrieren ist Schluss! Ab sofort könnt ihr Antworten von der Frontex-Plattform automatisch in FragDenStaat übertragen lassen. Das einzige, was ihr ab jetzt tun müsst, wenn ihr über FragDenStaat eine automatisch generierte Mail von Frontex erhaltet: den Knopf „Nachrichten von Frontex importieren” drücken, wenn er unter einer Nachricht erscheint.

Button "Nachricht von Frontex importieren"

Anschließend loggen sich unsere Server automatisch in das Frontex-Portal ein und übertragen die Nachrichten und Dokumente in FragDenStaat. Kurz danach tauchen dann alle Nachrichten und Dokumente in FragDenStaat auf und sind dort dauerhaft gespeichert – ohne dass Frontex an den Antworten noch einmal etwas ändern kann.

Mit Machine-Learning gegen Frontex

Dabei müsst Ihr auch kein Captcha mehr lösen, das machen unsere Server: Wir haben hunderte Captchas händisch gelöst, und damit ein neuronales Netz trainiert. Dieses kann jetzt Captchas lösen – ganz ohne menschliches Zutun. Wer mehr darüber wissen will, wie das genau funktioniert und den Code nachlesen will, kann hier schauen.

Ob Frontex-Portal oder Frontex – weg damit!

Damit haben wir eine Lösung für die aktuelle Taktik von Frontex geschaffen, doch das Grundproblem bleibt bestehen. Alle staatliche Stellen, auch Frontex, sollten auf Informationsfreiheitsanfragen auf dem bevorzugten Wege der Antragssteller:innen antworten und sich nicht hinter eigenen Plattformen verbarrikadieren.


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