UnternehmerbetriebeFür diese Firmen arbeiten Strafgefangene

Mithilfe einer Klage und weiteren Recherchen veröffentlichen wir eine aktuelle Liste an Unternehmen, die in den vergangenen Jahren von der günstigen Produktion in Gefängnissen profitiert haben. Darunter: BMW AG, Würth und Villeroy & Boch Fliesen (V&B Fliesen).

- , René Wolff

Dass sich dran bleiben lohnt, zeigt diese Recherche. Sie begann bereits im August 2020 mit der Frage: Welche Unternehmen profitieren von unterbezahlten Gefangenen und ihrer Arbeitskraft? Doch fast alle Behörden mauerten – mit gewagten Argumentationen und hohen Gebühren.

Drei Jahre Recherche, über 60 Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz bei Ministerien und Justizvollzugsanstalten und mehrere Klagen später können wir heute eine Liste mit Namen von 100 Unternehmen veröffentlichen, die in der Vergangenheit für geringere Kosten in Haftanstalten produzieren ließen. Mit dabei: BMW AG, Würth und Villeroy & Boch Fliesen (V&B Fliesen).

Ein bis drei Euro Stundenlohn

In Deutschland ist Zwangsarbeit von Strafgefangenen laut Grundgesetz erlaubt. Davon profitieren privatwirtschaftliche Firmen durch sogenannte Unternehmerbetriebe. Hinter diesem bürokratischen Begriff verbergen sich Werkhallen, in denen Gefängnisinsass:innen im Auftrag profitorientierter Firmen verpacken, sortieren und montieren – meist eine sehr eintönige Arbeit. Der Stundenlohn ist in den jeweiligen Strafvollzugsgesetzen der Bundesländer festgelegt und beträgt ein bis drei Euro. 

Auf Anfrage teilten einige Unternehmen mit, dass der Preis, den man für die Gefängnisarbeit zahle, zwar über den Produktionskosten im Ausland liege, jedoch günstiger sei, als einen privatwirtschaftlichen Zulieferer in Deutschland zu beauftragen. 

Aber nicht nur für Unternehmen, auch für die Gefängnisse ist dies ein lukratives Geschäft. Denn die Differenz zwischen dem Preis, den die Unternehmen zahlen, und dem Stundenlohn der Insass:innen, fließt in die Landeskassen. 

Im Namen der Resozialisierung

Die Arbeitspflicht für Gefangene ist in den meisten Bundesländern gesetzlich verankert und gilt als Behandlungsmaßnahme. Sie soll den späteren Wiedereinstieg in die Gesellschaft erleichtern, indem sie die Inhaftierten an einen geregelten Tagesablauf gewöhnt und den Wert von Lohnarbeit vermittelt.

Kritiker:innen bezeichnen dies als „Zwangsarbeit“, da nicht alle Gefangenen dies benötigen würden, ihnen sämtliche Arbeitnehmer:innenrechte vorenthalten werden und der niedrige Stundenlohn nicht zur Resozialisierung beitrage. Letzteres hat aktuell auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt. Viele Strafgefangene rutschen laut Vertreter:innen der Straffälligenhilfe nach der Entlassung in die Altersarmut, obwohl sie während ihrer Haftzeit gearbeitet haben.

Für die Produktion im Gefängnis, das sogenannte „Insourcing“, zahlen viele Firmen meist nur die niedrigste Stufe des Tarifvertrages pro Arbeitskraft. Dass das so ist, ist bereits bekannt. Was allerdings schwer herauszufinden war und ist, sind die Namen der Unternehmen. Es dürften deutschlandweit Hunderte sein. 

Auskunft durch Klage

Nach einer gewonnenen Klage vor dem Oberverwaltungsgericht Koblenz können wir für Rheinland-Pfalz weitere Namen veröffentlichen: So verpackten Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Trier 2020 im Auftrag des Tierfutterherstellers VET-Concept GmbH „kleine Belohnungen“ für Hund und Katze, sowie „Knusperherzen“ für Kaninchen. Der Eisenwarenhändler Suki International GmbH ließ unter anderem Schlüsselschrauben, Muttern und Beilagscheiben in der Haftanstalt verpacken. In Zweibrücken wurden für die Firma Bastian, Motorzuluftfilter und Feinstaubfilter verpackt sowie Einlegesohlen für die Firma Pepi bearbeitet.

Es wurde jedoch entschieden, dass der Strafvollzug nicht gänzlich unter die Auskunftspflicht fällt. Es kommt darauf an, ob es sich um Auskünfte zur Verwaltung oder zur Strafvollstreckung handelt. Unterlagen zu einzelnen Insass:innen wären demnach nicht auskunftspflichtig.

Hartnäckigkeit zahlt sich aus

Die gleiche Auskunft wollten wir für Baden-Württemberg, doch das Justizministerium mauerte. Wir haben geklagt, jedoch vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart verloren. In Baden-Württemberg gibt es eine spezielle Norm im Strafvollzugsgesetz, die Gefängnisse von der Informationspflicht ausnimmt.

Trotz der verlorenen Klage blieben wir in Baden-Württemberg dran und können weitere Firmennamen veröffentlichen, die in den Justizvollzugsanstalten für sich produzieren ließen: der Schraubenhersteller Würth, die Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH, der Automobilzulieferer Elring Klinger AG und der Werkzeughersteller Walter AG.

Hier geht es zu allen Anfragen, die gestellt wurden

FirmennameBundeslandJustizvollzugsanstalt
Abfallwirtschaft Rendsburg-Eckernförde GmbH Schleswig-Holstein
Alpha Sachsen Zwickau
AMC AG - Division GLOBAL NOTES Mecklenburg-Vorpommern Stralsund
Amphenol Saarland Saarbrücken
Aramark GmbH Berlin Heidering
Autotest Holding GmbH Baden-Württemberg
Bals Elektrotechnik GmbH & Co. KG Brandenburg Luckau-Duben
Becker GmbH & Co. KG Schleswig-Holstein
Binder Metallwarenfabrik Baden-Württemberg
BMW AG Bayern Straubing
Böwe Elektronik GmbH Sachsen Waldheim
Brennenstuhl GmbH & Co.KG Sachsen-Anhalt Burg, Halle, Volkstedt (bis 2020)
Briloner Leuchten GmbH Sachsen Dresden
Bruder Spielwaren GmbH + Co. KG Baden-Württemberg, Bayern
BTI Befestigungstechnik Baden-Württemberg Heilbronn
Chemnitzer Kurz- und Modewaren GmbH Sachsen Chemnitz
Cosmocolor Import GmbH & Co. KG Thüringen
CWS Sachsen Leipzig
Mercedes-Benz Group AG
Deltec electronic GmbH Sachsen Dresden
Elektronische Bauelemente Sachsen Waldheim
ElringKlinger AG Baden-Württemberg Rottenburg
emano Kunststoff GmbH Mecklenburg-Vorpommern Waldeck
Enercon GmbH Niedersachsen Oldenburg, Meppen
Enha GmbH Saarland Saarbrücken
Euro-Locks Sicherheitseinrichtungen GmbH Saarland Saarbrücken
Exertis Connect GmbH Saarland Saarbrücken
Fa. Ralf Schneider - Produktion & Montage Sachsen Bautzen
Famecha Gmbh Saarland Saarbrücken
Fashy GmbH Baden-Württemberg
Firma Bastian Rheinland-Pfalz Zweibrücken
Firma Pepi Rheinland-Pfalz Zweibrücken
Firmengruppe Binder Baden-Württemberg
FLEIGA Ostwürttemberg eG Baden-Württemberg
FLN Feuerlöschgeräte Neuruppin Vertriebs GmbH Brandenburg
FWB Kunststoffe Saarland Saarbrücken
Gerhard Geiger GmbH & Co. KG Baden-Württemberg
Globus Saarland Saarbrücken
Gothaplast Verbandpflasterfabrik GmbH Brandenburg
Hahn Media+Druck GmbH Mecklenburg-Vorpommern Stralsund
Hartmetall-Werkzeugfabrik Paul Horn GmbH Baden-Württemberg Rottenburg
Hermann Wimmer Piassavawerke e.K. Baden-Württemberg
Horn GmbH & Co. KG Schleswig-Holstein
Hugo Stiehl GmbH Sachsen Zwickau
Husqvarna Group (Gardena) Baden-Württemberg
IBF SORG GmbH Baden-Württemberg
Jokon GmbH Nordrhein-Westfalen Euskirchen
Kabeck Saarland Saarbrücken
Kleiber + Co. GmbH Baden-Württemberg
Lemoine Germany GmbH Sachsen Chemnitz, Waldheim, Zeithain
Lindner Armaturen GmbH Sachsen Waldheim
Livingdecoration GmbH Sachsen Waldheim
Lockweiler Plastic Werke GmbH Saarland Saarbrücken
MEDITECH Sachsen GmbH Sachsen Dresden
Meibes System Technik GmbH Sachsen Zeithain
Metalsa Automotive Hainichen GmbH Sachsen Dresden
Miele Niedersachsen Bielefeld-Senne, Hannover, Sehnde
Minda KTSN Plastik Solutions GmbH & Co Sachsen Dresden
Mitras Composites Systems GmbH Sachsen Bautzen
MTU Aero Engines GmbH Bayern Straubing, Landshut
Nederman Baden-Württemberg
Nedschroef Fraulautern GmbH Saarland Saarbrücken
Nedschroef Beckingen GmbH Saarland Saarbrücken
Nestler Baden-Württemberg
Nevi GmbH Mecklenburg-Vorpommern Stralsund
newcycle Kunststofftechnik GmbH Sachsen-Anhalt Halle, Volkstedt
Nordpack GmbH Sachsen-Anhalt Burg
Ostseestaal GmbH Mecklenburg-Vorpommern Stralsund
Palettenbau Sachsen-Anhalt Burg
Papr Cuts GmbH (bis Dezember 2018) Berlin Reinickendorf
Paul Hettich GmbH & Co. KG Brandenburg
Pharma solutions trade GmbH Sachsen Zeithain
Postendorf Sachsen-Anhalt Halle
Presse-Vertrieb Dresden GmbH & Co KG Sachsen Dresden
PTI Packmitteltechnik GmbH Saarland Saarbrücken
REINZ-Dichtungs-GmbH Baden-Württemberg
Rosenberg Ventilatoren GmbH Sachsen Zeithain
Rügener Insel Brauerei GmbH Mecklenburg-Vorpommern Stralsund
Saarpor Kunststoffe KG Saarland Saarbrücken
Scherdel Marienberg GmbH Sachsen Chemnitz
Seedball Factory (bis März 2022) Brandenburg
Stahls Europe GmbH Saarland Saarbrücken
steep GmbH Berlin Heidering
Suki international GmbH Rheinland-Pfalz Trier
Texflor GmbH Saarland Saarbrücken
Tinti GmbH & Co. KG Baden-Württemberg
Trendbuster GbR Baden-Württemberg
V.D. Ledermann Sachsen Bautzen
VET-Concept GmbH & Co KG Rheinland-Pfalz Trier
Villeroy & Boch Fliesen (V&B Fliesen) Saarland Ottweiler
VION Zucht- u. Nutzvieh GmbH Schleswig-Holstein
Volkswagen AG Bayern, Hessen Kassel, München
Walter AG Baden-Württemberg Rottenburg
Warnow Ladenbau GmbH Mecklenburg-Vorpommern Bützow
Welltec-Wellpappentechnik GmbH Thüringen
WISKA Hoppmann GmbH Schleswig-Holstein
Adolf Würth GmbH & Co. KG Baden-Württemberg Adelsheim (Jugend), Schwäbisch Hall, Ludwigshafen
Zeidler Holzkunst GmbH Sachsen Dresden
MHA Zentgraf GmbH & Co. KG Saarland Saarbrücken
Zickwolff Saarland Saarbrücken

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