FormulierungshilfenBundestag übernimmt Gesetzentwürfe der Regierung oft unverändert

Gesetze werden vom Bundestag beschlossen. Eine Analyse von Gesetzesvorhaben zeigt aber: Bundesministerien arbeiten ihnen mit Formulierungshilfen zu – auch wenn die Bundesregierung ihren Entwurf schon abgeschlossen hat.

 

- Sarah Pilz
Ausschuss im Bundestag –

Martin Rulsch, WM Commons, CC BY-SA 4.0

„Die wichtigsten Aufgaben des Bundestages sind die Gesetzgebung und die Kontrolle der Regierungsarbeit“, so steht es auf der Website des Bundestags. Mehr als 700 Abgeordnete beraten, erarbeiten und beschließen ein Gesetz – so die Theorie.

Die gängige Praxis sieht dagegen teilweise anders aus: Gesetze gelangen gerade in besonders dringlichen Gesetzgebungsverfahren nicht über das Bundeskabinett in den Bundestag, sondern werden von Ministerien vorformuliert und anschließend direkt von Bundestagsausschüssen übernommen. Ein Teil der Debatte um Gesetzentwürfe – etwa eine Stellungnahme des Bundesrats – wird auf diese Weise übersprungen. Und auch wenn Gesetze bereits im Bundestag beraten werden, arbeiten Ministerien mit sogenannten Formulierungshilfen zu.

FragDenStaat hat zehn Formulierungshilfen für Gesetze, die in der letzten Legislaturperiode verabschiedet wurden, über das Informationsfreiheitsgesetz angefragt, mit den finalen Gesetzestexten verglichen und veröffentlicht diese jetzt. 

Formulierungshilfen werden kaum angetastet

Ob beim Tierarzneimittelgesetz, der Reform von Direktzahlungen und der Regelung der Konditionalität im Agrarsektor, dem Verpackungsgesetz, der Neuregelung der digitalen Gesundheitsversorgung, der Änderung des E-Government-Gesetzes, dem Mietspiegelreformgesetz, der Änderung des Chemikaliengesetzes, dem Gesetz für eine Frauenquote in Führungspositionen oder dem Klimaschutzgesetz – in jedem der zehn Fälle übernahm der Bundestag die Formulierungshilfen der Ministerien beinahe Wort für Wort. Auch Abschnitte, die in den Beschlussempfehlungen als „Beschlüsse des Ausschusses“ angegeben waren, wurden aus dem jeweiligen Änderungsantrag des Ministeriums oder der Regierungsfraktionen entnommen.

Durch die Formulierungshilfen treffe die Regierung Vorentscheidungen, die „im weiteren Parlamentsverfahren kaum noch rückgängig gemacht werden können“, schreibt der Jurist Ortlieb Fliedner in einem Bericht für die Friedrich-Ebert-Stiftung bereits im Jahr 2001. Die Ministerien hätten eine „fast absolute Herrschaft“ über die Vorbereitung der Gesetze. Auch ihre eigenen Gesetzesänderungen ließen Abgeordnete „weitgehend“ von den Ministerien schreiben. Bei dieser Art der Gesetzgebung werde das Parlament seiner Verantwortung für die Ausgestaltung eines neuen Gesetzes „nicht in vollem Umfang gerecht.“

20 Jahre später ist diese Praxis noch immer politischer Alltag. Joannes Gallon, wissenschaftlicher Mitarbeiter für Europarecht an der Europa-Universität Flensburg, schreibt auf dem Verfassungsblog von einem „informellen, pragmatischen Verfahren“ zwischen Bundesregierung und Bundestag. Gesetzesvorschläge der Regierung würden so schnellstmöglich durch den Gesetzgebungsprozess geschleust werden.

Die FDP wie auch die Linke stellten vergangenes Jahr einen Antrag auf eine transparentere Gesetzgebung und bessere Lesbarkeit von Gesetzesentwürfen. In der Koalitionsvereinbarung einigte sich die Ampel-Koalition darauf, Gesetzgebung künftig transparenter zu machen.

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