Politik für den MilliardenkonzernWie deutsche Ministerien Tesla hofieren

E-Mails und Dokumente aus deutschen Behörden zeigen, mit welcher Unterwürfigkeit Politiker und ihre Mitarbeiter um die Gunst von Elon Musk und Tesla werben.

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eigene Bearbeitung –

Es wirkt, als hätten deutsche Behörden versucht, Tesla jeden Wunsch zu erfüllen. Egal ob es um einen Termin mit dem Ministerpräsidenten innerhalb von wenigen Stunden geht, um Visa für chinesische Tesla-Mitarbeiter in der Corona-Zeit oder um das Abwimmeln lästiger Journalisten. Gemeinsam mit dem stern haben wir tausende Seiten E-Mails, Briefe, Gesprächsprotokolle, Tischvorlagen aus Ministerien in Brandenburg und Berlin ausgewertet, die wir über das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) angefragt hatten. Die Unterlagen belegen eindrücklich, mit welcher Unterwürfigkeit die Ministerialbeamten den Tesla-Managern begegneten.

Im Januar 2020 diskutieren Brandenburgs Landtagsverwaltung, das Bundeswirtschaftsministerium und Tesla die Idee eines „parlamentarischen Abends“, bei dem sich die Tesla-Führung mit Abgeordneten austauschen könne. Der Landtag schickt Tesla bereits konkrete Terminvorschläge. Schließlich schreibt das Wirtschaftsministerium an Tesla und rät von der Veranstaltung ab. Man habe vom Landtag erfahren, dass man bei dieser Veranstaltung die Presse zulassen müsse. Deshalb rät das Ministerium, man solle lieber bis nach der Werkseröffnung warten.

Klage gegen Ministerpräsident Woidke

Das gute Verhältnis zwischen Tesla und der deutschen Politik scheint dabei nicht zwangsläufig auf Gegenseitigkeit ausgerichtet. Im März 2021 schreibt eine Beamtin aus dem Brandenburgischen Wirtschaftsministerium an einen Mitarbeiter von Tesla. Zu dem Zeitpunkt ist sie seit mehr als einem Jahr regelmäßig mit Tesla in Kontakt, man begrüßt sich beim Vornamen. Sie bittet Tesla um Unterstützung, ob das Unternehmen den Studierenden in Brandenburg mit ein paar Praktikumsplätzen aushelfen könne. Sie hätten es aufgrund der Corona-Pandemie schwer, Stellen für ihre Pflichtpraktika zu finden. Die knappe Antwort, die sie erhält: „Hier das Feedback unserer Recruiting Abteilung: www.tesla.com/careers - dann Stichwort ,internship’ eingeben.“

In einigen Fällen warten wir seit Monaten auf die Unterlagen zu Tesla, die wir über das Infomationsfreiheitsgesetz bei Behörden angefordert haben. 27 mal traf sich bisher die „Task Force Tesla“ in Brandenburgs Staatskanzlei. Dort sollen alle wichtigen Ministerien jeden Monat mit Tesla am Tisch sitzen. Wir haben alle Protokolle der Sitzungen angefordert, erhalten von der Staatskanzlei bisher allerdings nur vertröstende Nachrichten mit der Bitte um Geduld.

Deswegen haben wir Klage gegen Brandenburgs Ministerpräsident Woidke eingereicht. Wir sind der Meinung, dass die Öffentlichkeit das Recht hat, zu wissen, wie ein Milliardenkonzern Einfluss auf das Land nimmt. Zwischenzeitlich forderte auch Sebastian Walter, Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Landtag Brandenburg, die Herausgabe der Akten. Dem stern sagte er: „Wir fordern vollständige Transparenz und Aufklärung über die Vorfälle, es ist Zeit für einen Untersuchungsausschuss.“

„Wir helfen Tesla gern“

Die Unterlagen, die wir jetzt gemeinsam mit dem stern veröffentlichen zeigen, wie auch im Bundeswirtschaftsministerium unter dem damaligen Minister Peter Altmaier mit Nachdruck daran gearbeitet wurde, Tesla zu unterstützen. „Wenn wir als Ministerium um Hilfe gebeten werden, helfen wir dabei gern“, sagt Altmaier 2019. Dieser Ansage folgten sehr offensichtlich auch seine Bediensteten.

Die Dokumente zeigen, dass das Bundeswirtschaftsministerium der maßgebliche Initiator und Treiber für einen Subventionsantrag bei der Europäischen Union war. Tesla sollte 1,135 Milliarden Euro bekommen für sein geplantes Batteriewerk aus dem sogenannten IPCEI-Topf. Das Ministerium will dem Unternehmen helfen, seinen Weg durch das komplizierte Antragswesen der EU zu finden. Der E-Mail-Verlauf zwischen Ministerium und Tesla zeigt, wie umfangreich das Ministerium Tesla unterstützt. Die Beamtinnen helfen dem Konzern beim Ausfüllen der Antragsunterlagen, teilweise formulieren sie Anträge sogar für Tesla. Der Email-Verkehr dazu umfasst mehr als hundert Seiten.

In der Kommunikation nach außen bestimmt Tesla maßgeblich den Kurs. Das Ministerium verspricht dem Konzern, die Fördersumme niemals öffentlich zu machen. Eine Pressemitteilung des Ministeriums wird vorgeschrieben. Jedes Wort nimmt Tesla ab. Die Korrespondenz liest sich zuweilen skurril. „We are happy to use ‘erheblich’“, schreibt ein Mitarbeiter des Ministeriums am 19. Januar 2021. Das Wort „drastisch“ hatte Tesla nicht gefallen.

Tesla diktiert die Fragen

Im November 2020 veranstaltet das Bundeswirtschaftsministerium eine Online-Konferenz zum Thema Batterien, bei der Elon Musk als Star-Gast interviewt werden soll. Tesla diktiert vorab die Fragen, die der Moderator stellen soll: „Here the updated approved questions of which depending on our CEOs preference a couple/all would be answered.” Kurz vor dem Interview fragt ein Tesla-Mitarbeiter erneut nach: „Es bleibt bei den verabredeten Fragen, korrekt?” Antwort des Ministeriums: „Ja, gleiche Fragen in gleicher Reihenfolge.” 

Am 26. November 2021 gibt Tesla überraschend eine Pressemitteilung heraus, dass es auf die Milliardenförderung des IPCEI verzichten wolle. Was tatsächlich hinter dem überraschenden Ausstieg steckt, deuten die von uns veröffentlichten Dokumente an. Bei der Frage, wie der Konzern an die Fördermilliarden kommt, verlässt sich Tesla eher auf das Ministerium. Die Mitarbeiter des Ministeriums klingen teilweise in ihren E-Mails richtig verzweifelt, weil Tesla versprochene Informationen nicht liefert. Am 26. Oktober 2021 schreibt ein Ministerialbeamter an Tesla, der Konzern habe doch nun schon seit 13 Tagen seine Formulierungsvorschläge vorliegen. Tesla müsse nun wirklich antworten und die Vorschläge akzeptieren. Am 2. November schreibt das Wirtschaftsministerium, Teslas Änderungswünsche bei den Projektunterlagen seien leider nicht möglich. Unter diesen Umständen würde der Förderantrag von der EU nicht bewilligt. In den weiteren Nachrichten soll eine gemeinsame Formulierung mit Tesla und Brandenburgs Wirtschaftsministerium gefunden werden, um der Öffentlichkeit zu kommunizieren, warum es doch keine Fördermilliarden für Tesla gibt.

Fast zwei Jahre Arbeit hatte das Bundeswirtschaftsministeriums investiert, damit Tesla an die EU-Gelder kommen sollte. Dem stern antwortete das Ministerium, auf Nachfrage, die Interaktion des Ministeriums mit Tesla habe sich auf „erforderliche Rückfragen im Rahmen der Skizzen- und Antragsprüfung” beschränkt. Die Kosten könne man nicht beziffern.

→ Zur Berichterstattung des stern

→ Zu den Dokumenten

→ Zur Klage gegen Brandenburgs Ministerpräsident Woidke

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