Strafanzeige zu taz-KolumneInnenministerium wollte auch gegen Chefredaktion vorgehen

Im Juni diesen Jahres ließ das Bundesinnenministerium die Debatte um eine taz-Kolumne eskalieren, als Minister Horst Seehofer eine Strafanzeige ankündigte. Die interne Kommunikation des Ministeriums, die wir veröffentlichen, zeigt das Chaos, in das der Minister und seine Staatssekretäre die Beamten lenkten.

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Horst Seehofer –

Das Bundesinnenministerium von Horst Seehofer wollte nach der Veröffentlichung einer umstrittenen taz-Kolumne im Juni diesen Jahres zunächst nicht nur gegen Autor_in Hengameh Yaghoobifarah, sondern auch gegen die Chefredakteurinnen Barbara Junge und Katrin Gottschalk eine Strafanzeige stellen.

Das geht aus internen Dokumenten des Ministeriums hervor, die wir nach einer Anfrage (und einem Widerspruch) nach dem Informationsfreiheitsgesetz erhalten haben. Der interne Schriftverkehr in der Behörde zeigt, dass die Beamten zunächst eine Strafanzeige für Seehofer erstellten. Hiervon wurde nach einer rechtlichen Prüfung dann aber schnell Abstand genommen. Der Tagesspiegel hatte, nachdem seine ähnliche Anfrage offenbar schneller als unsere bearbeitet wurde, bereits über die Dokumente berichtet.

Schon drei Tage nach Erscheinen der taz-Kolumne gab Horst Seehofer am 18. Juni dem für Polizei und Strafverfolgung zuständigen Grundsatzreferat den Auftrag, eine Strafanzeige zu erstellen. Auch eine Anzeige gegen die taz-Chefredakteurinnen wurde geprüft.

In der internen Kommunikation des Hauses zeigt sich, dass der Entwurf in der Folge noch etwas verschärft wurde. Die Staatssekretäre Hans-Georg Engelke und Helmut Teichmann ließen noch weitere Passagen zur angeblichen Unzulässigkeit der Kolumne in den Entwurf aufnehmen.

Allerdings erkannten bereits kurze Zeit später auch die eifrigen Beamten, dass eine Strafanzeige möglicherweise nicht erfolgsversprechend sein könnte. Die Idee, die taz-Chefredakteurinnen anzuzeigen, wurde nicht weiter verfolgt, nachdem Staatssekretär Engelke sich dagegen ausgesprochen hatte. Nachdem Seehofer von den Beamten in der Vorbereitung einer Pressekonferenz gefordert hatte, eine „gute, juristisch unanfechtbare“ Begründung für den Straftatbestand der Volksverhetzung zu liefern, reagierten sie zurückhaltend.

„Juristisch unanfechtbar“ sei eine Begründung in keinem Fall, schrieben die Beamten. Selbst wenn das Ministerium der Auffassung sei, dass die taz-Kolumne eine Straftat sei, könne die Staatsanwaltschaft dies anders sehen.

Innenministerium weiß, dass die Kolumne keine Straftat ist

Deutlich zurückhaltender wurde das Ministerium in den darauffolgenden Tagen, nachdem das Grundrechtsreferat des Ministeriums zum Schluss kam, dass die Veröffentlichung der Kolumne von der Meinungsfreiheit gedeckt sei. Die Kolumne sei als Meinungsartikel und Satire stark überspitzt. Zudem komme eine kollektive Beleidigung der Polizei hier kaum in Betracht.

Das Seehofer-Ministerium änderte daraufhin seine Taktik: Die Strafanzeige wanderte in den Papierkorb. Nach außen hin hielt Horst Seehofer jedoch an seiner Auffassung fest, die noch nicht einmal von seinen eigenen Beamten geteilt wurde.

Er ließ verkünden, die Kolumne habe mehrere „Straftatbestände erfüllt“. Angesichts der Prüfung durch das Ministerium steht der Minister, der sich selbst als „Erfahrungsjuristen“ bezeichnet, mit dieser Ansicht alleine. Welche Straftatbestände neben Volksverhetzung überhaupt einschlägig sein sollen, ist unklar. Offiziell traf man die Entscheidung gegen eine Anzeige zum Schutze der Pressefreiheit. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass die fehlenden Erfolgsaussichten den Ausschlag gegeben hatten.

Alleine mit der Ankündigung einer Strafanzeige dürfte Seehofer der Pressefreiheit bereits einen erheblichen Schaden zugefügt haben. Dass ein Bundesinnenminister wegen eines Meinungsartikels Strafanzeigen gegen Autor_innen und deren Chefredakteurinnen prüft, ist in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik einmalig.

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