#Zensurheberrecht 2014

FragDenStaat.de veröffentlicht ein staatliches Dokument und das Bundesinnenministerium mahnt uns wegen Urheberrechtsverletzung ab.

Update

Die Open Knowledge Foundation Deutschland hat vor Gericht Recht bekommen. Die Abmahnung des BMIs wurde als nicht rechtmäßig anerkannt.

Nachdem ein Bürger auf FragDenStaat.de eine Aktenauskunft zur Prozenthürde bei der Europawahl beantragt hat, stellte ihm das Innenministerium das Papier - eine Stellungsnahme - zur Verfügung. Gleichzeitig untersagte das Ministerium jedoch unter Berufung auf das Urheberrecht eine Veröffentlichung. Damit wird ein Recht, das zur Förderung von Künstlern und Autoren geschaffen wurde, zum Instrument staatlicher Zensur umfunktioniert. Die Open Knowledge Foundation Deutschland, die FragDenStaat.de betreibt, hat sich deshalb entschlossen, die Abmahnung zurückzuweisen und das Dokument weiterhin öffentlich bereitzustellen.

Die Dokumente

Das Anschreiben

Das Bundesinnenministerium verbietet die Veröffentlichung eines von Hausjuristen erstellten Vermerks.

Die Stellungnahme

Der Vermerk bezieht sich auf das Bundesverassungsurteil zur Prozenthürde bei der Europawahl.

Die Abmahnung

Das Bundesinnenministerium lässt uns von der Kanzlei Redeker Sellner Dahs abmahnen.

Unsere Antwort

Unser Rechtsanwalt Ansgar Koreng von JBB Rechtsanwälte antwortet auf die Abmahnung. Lesenswert!

Gescheiterte Anträge des BMI auf einstweilige Verfügung

Das Innenministerium wollte die Veröffentlichung der Stellungnahme verbieten lassen und scheiterte zweimal.

Unsere Klage gegen das BMI

Wir haben über die JBB Rechtsanwälte negative Feststellungsklage gegen das BMI eingereicht.

BMI erkennt Ansprüche der Klage an

Nach dem fehlgeschlagen Antrag auf einstweilige Verfügung erkennen die Anwälte des Innenministeriums die Ansprüche der Klage an.

Anerkenntnisurteil des Landgerichts Berlin

Das Landgericht bestätigt, dass FragDenStaat.de die Veröffentlichung der BMI-Stellungnahme nicht unterlassen muss. Die Klage ist gewonnen.

Was ist Informationsfreiheit?

Informationsfreiheitsgesetze helfen dabei, Dokumente des Staates für jeden Menschen zugänglich zu machen. Diese Gesetze, die Bürgern das Recht auf Auskunft und Einsicht in Verwaltungsakten einräumen, gibt es in Deutschland auf Bundesebene und in 11 Bundesländern. In zwei weiteren Ländern (Niedersachsen und Baden-Württemberg) ist die Informationsfreiheit im Koalitionsvertrag festgeschrieben.

Viele Bürger wünschen sich einen transparenteren Staat, dessen Entscheidungen nachvollziehbar sind. Informationsgesetze ermöglichen diese Transparenz und Nachvollziehbarkeit, werden aber von Bürgern noch immer viel zu wenig genutzt, da das gesetzliche Verfahren mit Aktenauskunftsantrag und Ausnahmetatbeständen sehr abschreckend wirkt.

Was macht FragDenStaat.de?

Über FragDenStaat.de können Bürgerinnen und Bürger ganz leicht Anfragen nach dem Informationsfreiheitsgesetz stellen. Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt jedem Menschen Zugang zu Dokumenten der Verwaltung. Insgesamt werden mittlerweile rund ein Drittel der IFG-Anfragen auf Bundesebene über FragDenStaat.de gestellt.

Handelt es sich um ein geheimes Dokument?

Nein! Jede Bürgerin und jeder Bürger kann das Dokument über eine Informationsfreiheitsanfrage erhalten. Eine Veröffentlichung des Dokuments scheint daher ein naheliegender Schritt, um viele gleichlautende Anfragen zu vermeiden und Arbeit im Ministerium zu sparen. Das Innenministerium beruft sich auf das Urheberrecht, um eine Veröffentlichung zu verhindern. Wer sich für das Dokument interessiert, kann dieses hier anfragen.

Wie kann ich helfen?

  • Legt euch eine legale Privatkopie des Dokuments an, da wir nicht wissen, wie lange wir das Dokument noch bereitstellen können. Namentliche Veröffentlichungen anderswo im Internet werden sehr wahrscheinlich ebenfalls vom Innenministerium kostenpflichtig abgemahnt.
  • Spendet für FragDenStaat.de!
  • #Zensurheberrecht! Darüber hinaus braucht dieser Fall Öffentlichkeit: Je mehr Menschen sich für den Kampf von Transparenz gegen Urheberrecht interessieren, umso besser.

Zeitliche Abfolge

09.07.2014:
Das Landgericht Berlin spricht ein Anerkenntnisurteil.
03.07.2014:
Das BMI erkennt alle Ansprüche unserer Klage an.
17.06.2014:
Die 28. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten spricht sich gegen das Zurückhalten von Informationen durch Verweis auf das Urheberrecht aus.
08.05.2014:
Open Knowledge Foundation Deutschland reicht beim Landgericht Berlin Klage gegen das Bundesministerium des Innern ein
12.03.2014:
Kammergericht lehnt Beschwerde des BMIs ab – die einstweilige Verfügung gegen FragDenStaat.de ist damit gescheitert.
25.02.2014:
BMI reicht beim Kammergericht Beschwerde gegen Ablehnung ein.
11.02.2014:
Landgericht weist Antrag auf einstweilige Verfügung ab.
06.02.2014:
BMI beantragt einstweilige Verfügung gegen FragDenStaat.de beim Landgericht Berlin.
17.01.2014:
BMI mahnt FragDenStaat.de ab.
27.12.2013:
FragDenStaat.de veröffentlicht die Stellungnahme.
14.11.2013:
BMI gibt Stellungnahme an Antragsteller mit Veröffentlichungsverbot heraus.
14.10.2013:
Stellungnahme wird über FragDenStaat.de angefragt.
09.10.2013:
Gesetzesänderung wird im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und tritt am nächsten Tag in Kraft.
07.10.2013:
Gesetzesänderung wird mit 3-Prozent-Hürde verabschiedet.
12.06.2013:
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses.
10.06.2013:
Anhörung des Innenausschusses zum Thema.
04.06.2013:
Gesetzentwurf zur Änderung des Europawahlgesetzes - mit 3-Prozent-Hürde.
16.11.2011:
Stellungnahme im BMI zu dem Urteil, die sich gegen eine Prozenthürde wendet.
09.11.2011:
Bundesverfassungsgerichtsurteil gegen Sperrklausel im bestehenden Europawahlgesetz.

Pressespiegel zum #zensurheberrecht

#Zensurheberrecht —
Klage für die Informationsfreiheit ist gewonnen!

Angriff der Bundesregierung auf digitale Informationsfreiheit abgewehrt

Berlin, 16.07.2014: Im Rechtsstreit um die Veröffentlichung eines internen Gutachtens zur Zulässigkeit von Sperrklauseln bei der Europawahl hat die Plattform FragDenStaat.de eine negative Feststellungsklage gegen die Abmahnung des Bundesinnenministeriums (BMI) gewonnen. Das BMI hat alle Ansprüche der Klage anerkannt und das Landgericht Berlin ein Anerkenntnisurteil gesprochen.

Die Anwälte der Bundesregierung „Redeker Sellner Dahs“ haben sich auf Grund des vom Landgericht und Kammergericht abgewiesenen Antrags auf einstweilige Verfügung dazu entschieden, es nicht zu einem Prozess kommen zu lassen. Wie sie in ihrer Begründung ausführen, halten sie das Vorgehen gegen FragDenStaat.de weiterhin für richtig und ziehen sich nur aus „prozessökonomischen Gründen“ zurück. Dennoch gesteht die Bundesregierung damit ein, dass für die Abmahnung und die Untersagung der Veröffentlichung der Dokumente auf fragdenstaat.de jegliche Grundlage fehlt.

FragDenStaat.de kann somit seinen ersten Rechtsstreit mit der Bundesregierung im Rahmen der Informationsfreiheit für gewonnen erklären. Leider hat dieser erste juristische Schlagabtausch keine weiterreichende Bedeutung. „Unser eigentliches Ziel war es, feststellen zu lassen, dass urheberrechtlich geschützte Werke der Bundesregierung nach dem IFG angefragt und dann frei verbreitet werden können.“, so Stefan Wehrmeyer, der Projektleiter von FragDenStaat.de. Dieses Ziel wurde unerreichbar, als sowohl das Landgericht sowie das Kammergericht keine Schöpfungshöhe in der Stellungnahme des BMIs sehen konnten und sie als nicht urheberrechtlich geschützt bewertet haben. Das Vorgehen von FragDenStaat.de schafft somit eine gute Grundlage für die kommenden Ausseinandersetzungen im Rahmen der Informationsfreiheit.

Die Bundesregierung ist somit gut beraten, in solchen Fällen erst dann zu einer Abmahnung zu greifen, wenn es sich tatsächlich um ein urheberrechtlich geschüztes Dokument handelt. Ein solches Vorgehen, wie in diesem Fall gegen eine gemeinnützige Organisation, ist und bleibt nach Meinung der Betreiber von FragDenStaat.de inakzeptabel.

Der gemeinnützige Verein hinter FragDenStaat.de – der Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. – hat mit dem Abwehren der Abmahnung und besonders auch mit dem Schritt selber Klage einzureichen, nun erste wertvolle Erfahrungen gesammelt, die uns helfen werden, auch weiterhin konsequent für die Informationsfreiheit für Bürgerinnen und Bürger einzutreten.

Nun gilt es ein nach Meinung der Bundesregierung urheberrechtlich geschütztes Dokument in den Behörden zu finden, das der Bundesregierung im Sinne ihrer Auffasssung von Urheberrecht für eine Veröffentlichung ungeeignet erscheint und es per IFG um endlich absolute Rechtssicherheit im Rahmen der Informationsfreiheit zu erhalten.

Presse-Materialien (Logos)


Archiviert: ursprüngliche Pressemitteilung

Zensurheberrecht —
FragDenStaat.de widersetzt sich der Abmahnung des Innenministeriums: Europawahl-Gutachten bleibt öffentlich

Angriff der Bundesregierung auf digitale Informationsfreiheit

Berlin, 22.01.2014 – Das Bundesministerium des Innern (BMI) hat das Informationsfreiheitsportal FragDenStaat.de der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. wegen der Veröffentlichung einer Stellungnahme abgemahnt, die zuvor vom BMI nach dem Informationsfreiheitsgesetz herausgegeben wurde. Mit diesem Schritt versucht die Bundesregierung das Urheberrecht zu nutzen, um die Berichterstattung über ein brisantes Dokument einzuschränken.

In der fraglichen Stellungnahme raten die Hausjuristen des Innenministeriums bei der Änderung des Europawahlgesetzes von einer Prozenthürde ab, da diese nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2011 verfassungswidrig sei. Entgegen dieser Stellungnahme beschloss der Bundestag im Juni 2013 eine 3%-Hürde für die Europawahl, die im Mai 2014 stattfindet. Die Veröffentlichung dieses Widerspruchs zwischen interner Rechtsauffassung und politischem Handeln möchte das Innenministerium nicht veröffentlicht sehen.

Stefan Wehrmeyer, Projektleiter von FragDenStaat.de, stellt fest:

„Der Bundesregierung geht es nicht um Autorenrechte. Sie nutzt das Urheberrecht willkürlich, um die Veröffentlichung von brisanten, staatlichen Dokumenten zu verhindern. Es entsteht der Eindruck, dass die Bundesregierung die Nachvollziehbarkeit politischen Handelns erschweren will.”

Ansgar Koreng von der Anwaltskanzlei JBB Rechtsanwälte, die FragDenStaat.de in dem Fall vertritt, erklärt:

“Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat erst kürzlich klargestellt, dass in Fällen wie diesem die Meinungsfreiheit schwerer wiegen kann, als das Urheberrecht. In dieser Abmahnung tritt der Konflikt zwischen Meinungsfreiheit und Urheberrecht außergewöhnlich klar zu Tage. Gerade in politischen Angelegenheiten darf das Urheberrecht nicht zur Zensur missliebiger Veröffentlichungen missbraucht werden.“

Das Urheberrecht darf als einfaches Mittel gegen unbequeme Veröffentlichungen von staatlichen Dokumenten keinen Bestand haben, sonst wird journalistische Arbeit und gesellschaftliche Debatten auf Grundlage von Quellmaterial stark erschwert. Ein abgezeichneter Beschluss, der uns vorliegt, zeigt außerdem, dass weitere Veröffentlichungen der Stellungnahme anderswo im Internet auch kostenpflichtig abgemahnt werden sollen.

Hintergrund:

Am 16.11.2011 verfassten zwei Mitarbeiter im BMI eine Stellungnahme zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die 5%-Hürde bei der Europawahl als verfassungswidrig erklärte. Die BMI-Stellungnahme argumentierte, dass nach dem Urteil auch jede andere Prozent-Hürde nicht verfassungskonform sei und somit ganz abgeschafft werden müsste. Entgegen der BMI-internen Einschätzung beschloss der Bundestag letztes Jahr eine 3%-Hürde für die Europawahl.

Die BMI-Stellungnahme wurde von Guido Strack, Gründer des Whistleblower-Netzwerks, mittels des Informationsfreiheitsgesetzes über FragDenStaat.de angefragt. Die Stellungnahme wurde zwar herausgegeben, allerdings mit der Aufforderung die Veröffentlichung zu unterlassen. Um das Recht auf Informationsfreiheit zu stärken und ein Zeichen gegen willkürliche Beschränkungen zu setzen, veröffentlichte FragDenStaat.de das Dokument Ende Dezember. Die Abmahnung des BMI traf am 17.01.2014 per Fax ein mit einer Frist bis zum 21.01.2014.