Der Informationsbegriff nach den Umweltinformationsgesetzen

von Layla Ansari

A. Einleitung

Der Begriff Umweltinformation ist in § 2 Abs. 3 UIG legaldefiniert, d.h. die Definition des Rechtsbegriffes ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzestext.1 Die Begriffsbestimmung ist wesentlich für den Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, da sie Inhalt und Reichweite des Anspruches nach § 3 Abs. 1 S. 1 UIG festlegt.2

Zwar gilt diese Legaldefinition gemäß § 1 Abs. 2 UIG nur für informationspflichtige Stellen des Bundes und den bundesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts.3 Allerdings enthalten die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen der Bundesländer entweder einen ausdrücklichen Verweis auf § 2 Abs. 3 UIG oder eine gleichlautende Begriffsbestimmung. Daher gelten die folgenden Erwägungen zu § 2 Abs. 3 UIG entsprechend auch auf landesrechtlicher Ebene.

§ 2 Abs. 3 UIG stellt die nahezu wörtliche Umsetzung der europäischen Vorgabe aus Art. 2 Nr. 1 Umweltinformationsrichtlinie4 (UIRL) dar; es wurden lediglich Anpassungen an die nationale Rechtsterminologie vorgenommen. Die Definition des Begriffs Umweltinformation ist wiederum an Art. 2 Nr. 3 der Aarhus-Konvention angelehnt.5

Der Begriff Umweltinformation ist nach ständiger Rechtsprechung6 weit, d.h. bis an die Grenze des möglichen Wortsinns auszulegen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund des Gebots zur völker- und europarechtsfreundlichen Auslegung. § 2 Abs. 3 UIG ist mithin auch im Lichte der Aarhus-Konvention und der UIRL auszulegen und anzuwenden.7

Die Hintergründe für die weite Auslegung finden sich im Entstehungsprozess der aktuellen UIRL. Nach der Vorgängerversion8 dieser Richtlinie galten als Umweltinformationen

alle in Schrift-, Bild-, Ton- oder DV-Form vorliegenden Informationen über den Zustand der Gewässer, der Luft, des Bodens, der Tier- und Pflanzenwelt und der natürlichen Lebensräume sowie über Tätigkeiten (einschließlich solcher, von denen Belästigungen wie beispielsweise Lärm ausgehen) oder Maßnahmen, die diesen Zustand beeinträchtigen oder beeinträchtigen können, und über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz dieser Umweltbereiche einschließlich verwaltungstechnischer Maßnahmen und Programme zum Umweltschutz.

Ähnlich lautete die Definition in der alten Fassung9 des Umweltinformationsgesetzes, (§ 3 Abs. 2 UIG a.F.10). Durch die Unterzeichnung der Aarhus-Konvention verpflichtete sich die Europäische Union zur Umsetzung der durch Konvention vorgegebenen Mindeststandards und damit der dort vereinbarten Definition des Begriffs Umweltinformation. Zwar wies bereits die Vorgängerrichtlinie eine weit gefasste Begriffsbestimmung auf.11 In der Praxis führte dies bei den Mitgliedstaaten dennoch dazu, dass der Begriff eng ausgelegt wurde.12 Um dem entgegenzuwirken, erschien der Europäischen Kommission eine umfassendere und ausdrücklichere Begriffsbestimmung zweckmäßig.13

Allerdings hat auch die weite Auslegung ihre Grenzen. So gewährt das UIG kein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei den Behörden verfügbaren Informationen, die auch nur den geringsten Bezug zu einem Umweltgut haben. Vielmehr müssen die begehrten Informationen zu einer oder mehreren der in § 2 Abs. 3 UIG angegebenen Kategorien gehören.14 Die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 6 UIG aufgezählten Kategorien sind daher – trotz des Gebots der weiten Auslegung – in sich abschließend.15

Generell lässt sich zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen festhalten, dass sie hinsichtlich ihrer genauen Begriffsdefinition in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Grundsatz der weiten Auslegung und den eng gefassten Begriffsverständnissen des fachspezifischen Umweltrechts stehen. Hinzu kommt, dass den verwendeten Begrifflichkeiten in den Normtexten, insbesondere bei den Umweltbestandteilen und den Umweltfaktoren, insgesamt weder ein eindeutig naturwissenschaftliches noch rechtswissenschaftliches Verständnis zugrunde gelegt werden kann. Vor dem Hintergrund, dass das UIG eine breite Öffentlichkeitsbeteiligung bei umweltbezogenen Entscheidungen durch Transparenz bezweckt,16 könnte man den Schluss ziehen, dass den einzelnen Tatbestandsmerkmalen das Verständnis eines „informierten Laien” zugrunde liegt. Denn es wird sich bei den Bürger*innen, die das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen in Anspruch nehmen und mithin Adressat*innen des UIG sind, nicht ausschließlich um Naturwissenschaftler*innen und/oder Jurist*innen handeln.

B. Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen

I. Daten

Der Begriff Umweltinformation wird im Umweltinformationsgesetz des Bundes definiert als Daten über die in den Nummern 1 bis 6 genannten Verhältnisse.17 Es werden alle Daten unabhängig von der Art ihres Speichermediums erfasst.18 Erforderlich ist lediglich, dass die Daten an beliebiger Stelle niedergelegt bzw. gespeichert sind.19 Auch analoge Arten der Speicherung wie etwa Papier oder Lochkarten werden hiervon umfasst.20 Der Gesetzgeber greift hinsichtlich des Begriffs Speichern auf die Definitionen im Datenschutzrecht zurück.21 Angelehnt an § 3 Abs. 4 Nr. 1 BDSG a.F. verstand man hierunter das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren von (personenbezogenen) Daten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung.22 Nach der umfassenden Novellierung des Datenschutzrechts im Jahre 2018 stellt das Speichern nunmehr gemäß Art. 4 Nr. 2 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einen Unterfall der Verarbeitung dar und meint das Aufbewahren (englisch: storage), insbesondere auf einem Datenträger.23 Der Grundsatz der weiten Auslegung gilt nach allgemeiner Auffassung auch für den Begriff der Daten.24

Die UIRL verwendet bei gleicher Bedeutung eine andere Terminologie: Sie knüpft an den Begriff der Information an und nennt in ihrem Art. 2 Nr. 1 dabei beispielhaft verschiedene Formen – schriftlich, visuell, akustisch, elektronisch – in welchen Informationen vorliegen können.25 Der Zusatz „sonstige materielle Form” impliziert, dass die vorgenannte Aufzählung nicht abschließend ist.

Sowohl die deutsche als auch europäische Fassung sind hinsichtlich der Art des Informationsträgers entwicklungsoffen.26

II. Zustand von Umweltbestandteilen (Nr. 1)

Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG sind Umweltinformationen alle Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen sowie die Wechselwirkung zwischen diesen Bestandteilen. Zu den im Gesetzestext beispielhaft aufgezählten Umweltbestandteilen gehören: Luft, Atmosphäre, Wasser, Gewässer, Boden, Land, Landschaft, Natürliche Lebensräume, Artenvielfalt und gentechnisch veränderte Organismen.27 Die Aufzählung ist nicht abschließend.28 Die explizite Erwähnung gentechnisch veränderter Organismen lässt den Rückschluss auf einen erweiterten, über die natürliche Umwelt hinausgehenden, Umweltbegriff zu.29 Daher können die in Nr. 1 genannten Umweltbestandteile durch fach- und bereichsspezifische Terminologien und dazu ergangenen Fachgesetzen konkretisiert werden.30

Der Begriff Zustand impliziert zunächst einen gegenwärtigen Status quo.31 Dies würde jedoch Erkenntnisse über vergangene oder zukünftige Zustände von Umweltbestanteilen vom Zugangsanspruch ausschließen.32 Damit Bürger*innen vom Zugangsanspruch effektiv Gebrauch machen und so wirksam zum Umweltschutz beitragen können, ist auch dieser Begriff weit auszulegen und auf vergangene sowie zukünftige Zustände auszudehnen.33

Neben den Zuständen von Umweltbestandteilen sind auch Informationen über deren Wechselwirkungen untereinander erfasst. Diese Bestimmung erkennt an, dass die Wechselwirkungen zwischen den Umweltbestandteilen ebenso wichtig sind wie die Bestandteile selbst.34

1. Luft und Atmosphäre

Luft und Atmosphäre sind ein Begriffspaar35 und tauchen so auch in der Aarhus-Konvention auf (englisch: ‚air and atmosphere’). Luft bezeichnet im allgemeinen Sprachgebrauch das Gasgemisch der Erdatmosphäre, wobei Luft neben verschiedenen Gasen auch feste und flüssige Teilchen (sog. Aerosole) sowie Staub und biologische Teilchen (z. B. Pollen oder Pilzsporen) enthält.36 Der Begriff Atmosphäre verdeutlicht dabei, dass die gesamte Lufthülle der Erde in ihrer vertikalen Ausrichtung gemeint ist.37 Das heißt, dass alle fünf Atmosphäreschichten – Troposphäre, Stratosphäre, Mesosphäre, Thermosphäre sowie Exosphäre – umfasst sind.38 Meteorologische Daten sowie Daten über das Klima stellen nach dieser Definition Umweltinformationen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG dar.39

Zu der Frage, ob auch die Luft in Innenräumen vom Umweltinformationsbegriff umfasst ist, gibt es mehrere Auffassungen.

Ausgehend vom Wortlaut sowie dem Grundsatz der weiten Auslegung ist dies möglich. Die Aarhus-Konvention lädt insoweit die Vertragsparteien ein, auch die Innenraumluft in die Begriffsbestimmung einzubeziehen.40 Gleichzeitig weist der Aarhus-Convention Implementation Guide darauf hin, dass fach- und bereichsspezifische Definitionen aus internationalen Abkommen für die Auslegung der Begriffe von Bedeutung sein können.41

Die verneinende Ansicht meint, dass die Begriffe im Sinne des Umweltrechts ausgelegt werden müssen, da Zweck des Umweltinformationsrechts der Umweltschutz sei.42 So definiere die Richtlinie 2008/50/EG vom 21.05.2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa in ihrem Art. 2 Nr. 1 Luft als die Außenluft der Troposphäre, mit Ausnahme von Arbeitsplätzen, an denen Bestimmungen für den Gesundheitsschutz gelten.43 Im Umweltverträglichkeitsprüfungs- und Immissionsschutzrecht existieren ebenfalls Begriffsbestimmungen, die die Innenraumluft von ihrem Geltungsbereich ausschließen.44 Zudem spreche der Aarhus-Convention Implementation Guide lediglich von einer „Einladung” an die Konventionsparteien auch die Innenraumluft in die Definition mitaufzunehmen; dieser seien weder der europäische noch der nationale Gesetzgeber gefolgt.45

Die bejahende Ansicht stellt demgegenüber fest, dass das UIG bzw. die UIRL nicht lediglich den Umweltschutz zum Zweck hat. Vielmehr gehe es auch darum – wie § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG verdeutlicht – Transparenz über den Einfluss von Umwelteinflüssen auf die menschliche Gesundheit herzustellen.46 Dass die Zusammensetzung und Qualität der Luft in Innenräumen Einfluss auf die menschliche Gesundheit haben, ist wissenschaftlich erwiesen.47 Weiterhin lassen sich die oben genannten Beispiele nicht widerspruchsfrei in den Wortlaut des UIG bzw. der UIRL integrieren. Die Richtlinie 2008/50/EG verwendet in ihrer englischen Fassung statt ‚air’ den Begriff ‚ambient air’ (deutsch: Außenluft) und definiert diesen als ‚outdoor air excluding workplaces’. Zudem schließe das BImSchG die Innenraumluft zwar aus ihrem Schutzbereich aus, dies allerdings nur, weil § 1 BImSchG insoweit von „Atmosphäre” und nicht von „Luft” spreche.48

2. Wasser und Gewässer

Der Begriff Wasser meint schlicht das Element sowie dessen Bestandteile.49 Unter Gewässer versteht man alle ober- und unterirdischen Teile der Erdoberfläche, die nicht nur vorübergehend mit Wasser bedeckt und in den natürlichen Wasserkreislauf eingebunden sind.50 Die Nennung des Begriffspaars Wasser und Gewässer kann als sprachliches Relikt aus der Zeit vor der rechtlichen Harmonisierung durch die UIRL bezeichnet werden. Denn weder auf internationaler noch auf europäischer Ebene gibt es einen Hinweis darauf, dass zwischen Wasser und Gewässer unterschieden wird: Die Aarhus-Konvention, die UIRL sowie die Vorgängerrichtlinie51 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt verwenden – auch in ihren deutschen Übersetzungen – nur den Begriff Wasser. § 3 Abs. 2 Nr. 1 UIG a.F.52, welche die nationale Umsetzung der Vorgängerrichtlinie darstellt, verwendete dagegen nur den Begriff des Gewässers. Dieser stand stets im Zentrum des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes (WHG), weshalb zur Begriffsbestimmung auf seinen Gewässerbegriff aus § 1 Abs. 1 WHG a.F.53 zurückgegriffen wurde.54 Diese Norm bestimmte, dass die Regelungen des WHG a.F. auf oberirdische Gewässer sowie das Grundwasser anzuwenden seien. Während der Geltung der alten Fassung des UIG war daher streitig, ob der Begriff Gewässer auch Trinkwasser sowie Wasser in Kanalisationen, Abwasserleitungen und -aufbereitungsanlagen meint. Dieser Streit ist durch die Ergänzung um den Begriff Wasser nunmehr obsolet geworden.55

In den Kommentierungen zum UIG wird teilweise immer noch angenommen, dass mit Wasser zunächst die Gewässer im Sinne von § 2 Abs. 1 WHG gemeint sind56, d.h. oberirdische Gewässer, Küstengewässer und Grundwasser. Genau genommen stellt die Norm keine Definition des Begriffs Gewässer dar, sondern legt lediglich fest, auf welche Art von Gewässern das WHG anzuwenden ist.57 Der Begriff Gewässer wird vom WHG im Übrigen weder definiert noch durch die Aufzählung in § 2 Abs. 1 WHG abschließend determiniert.58

Beispiele für Informationen über den Zustand von Wasser und Gewässer:59

  • Lage eines Grundstücks in einer Wasserschutzzone60

  • Niederschriften von Sitzungen einer Grundwasserkommission61

  • Untersuchungen zu Mineralwassern62

Dagegen sind keine Informationen über den Zustand von Wasser und Gewässer:

  • Informationen über die Existenz und Lage von Grundwassermessstellen63

3. Boden, Land, Landschaft, Natürliche Lebensräume

§ 2 Abs. 1 Bundesbodenschutzgesetz (BBodSchG) definiert Boden als die obere Schicht der Erdkruste einschließlich der flüssigen und gasförmigen Bestandteile, unter Ausschluss des Grundwassers und von Gewässerbetten.64 Allerdings ist der Begriff Boden im BBodSchG funktional und nicht räumlich definiert, d.h. man spricht von Boden im Sinne dieses Gesetzes, soweit er Träger von Bodenfunktionen im Sinne von § 2 Abs. 2 BBodSchG ist.65 Da der Boden auch eine Nutzungsfunktion als Rohstofflagerstätte erfüllt (§ 2 Abs. 3 Bst. a BBodSchG), sind vom Bodenbegriff auch Bodenschätze im Sinne von § 3 BbergG umfasst. Im Übrigen dürften aufgrund des Grundsatzes der weiten Auslegung auch Teile der Erdoberfläche umfasst sein, die keine Bodenfunktion im Sinne des BBodSchG erfüllen.66 Beispiele für Informationen über den Zustand von Böden sind:67

  • Messlinien und Messdaten nach § 125 BBergG zur Ermittlung von Bewegungen und Veränderungen an der Tagesoberfläche68

  • Das Grubenbild nach § 63 Abs. 2 BBergG, § 9 Abs. 1 MarkschBergV69

  • Dioxinbelastungen in Tongruben70

  • Belastung von Böden mit Kampfmitteln71

Dagegen sind keine Informationen über den Zustand von Böden:

  • Informationen zur Entwicklung und Veräußerung von Wegeparzellen72

  • Informationen über Eigentumsverhältnisse an Grundstücken73

Landschaft ist ein individuell geprägter, abgrenzbarer Teilraum der Erdoberfläche.74 Informationen über das Aussehen, die Gestaltung der Landschaft sowie Veränderungen des Landschaftsbildes75 fallen unter diesen Begriff.

Der natürliche Lebensraum wird in Art. 1 Bst. b der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie76 (FFH-Richtlinie) definiert als durch geographische, abiotische und biotische Merkmale gekennzeichnete völlig natürliche oder naturnahe terrestrische oder aquatische Gebiete.77 Damit umfasst der Begriff zunächst den Bereich, wo Tier- und Pflanzenarten ohne menschliche Eingriffe vorkommen.78 § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG enthält die Klarstellung, dass hierzu auch Feuchtgebiete sowie Küsten- und Meeresgebiete gehören.79

4. Artenvielfalt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderte Organismen

Im allgemeinen Sprachgebrauch drückt der Begriff Artenvielfalt die Anzahl biologischer Arten innerhalb eines bestimmten Lebensraumes oder eines geographisch begrenzten Gebietes aus.80 Hierbei kann man grob zwischen Flora und Fauna differenzieren.81 In der alten Fassung des UIG82 war noch vom Zustand der Tier- und Pflanzenwelt die Rede (in der englischen Fassung der europäischen Vorgängerrichtlinie83: ‚fauna, flora’). Dem Begriff der Tier- und Pflanzenwelt ist nunmehr der Begriff der Artenvielfalt (englisch: biological diversity) gewichen. Dieser umfasst im Sinne des UIG nach herrschender Meinung nur die Vielfalt wildlebender Pflanzen und Tiere.84 Der Zusatz „ihre Bestandteile” verdeutliche dabei, dass – neben der Vielfalt der Arten – auch Informationen über die wildlebenden Arten an sich umfasst seien.85 Dies schließe begrifflich Haus- und Nutztiere oder auch menschlich gezüchtete Kultur- und Nutzpflanzen aus.86 Informationen zu tierschutzrechtlichen Verstößen bei Nutz- und Schlachttieren sind nach herrschender Meinung daher keine Informationen über den Zustand der Artenvielfalt im Sinne des UIG.87 Dies wird damit begründet, dass Nutz- und Schlachttiere – solange es sich nicht um eine bedrohte Art handele – nicht dem Artenschutz unterfallen, der sich hinter dem Begriff der Artenvielfalt verberge und bei dem es um Erhalt der Biodiversität, insbesondere um den Schutz bedrohter Arten gehe.88 Bei Nutz- und Schlachttieren stehe vielmehr deren wirtschaftliche Nutzung im Vordergrund.89 Die herrschende Meinung geht dabei von einem restriktiven Umweltverständnis aus90: Das Wort „Umwelt” in Umweltinformation meint hiernach nur die natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen, wozu das Wohlergehen eines einzelnen Tieres als fühlendes Wesen nicht gehöre91. Dies werde durch die nachträgliche Ergänzung des Art. 20a GG um den Aspekt des Tierschutzes sowie durch die Differenzierung zwischen Tier- und Umweltschutz in der AEUV deutlich.92

Diesen Ansatz kann man als speziesistisch kritisieren. Ebenso wird er den komplexen Wirkungszusammenhängen zwischen der Tier- und Pflanzenzucht sowie der Biodiversität nicht gerecht.93 Während der Rückgang intakter Ökosysteme auf Landnutzungsänderungen insbesondere durch die intensive Landwirtschaft und Viehzucht zurückzuführen ist, haben nachhaltige landwirtschaftliche und agrarökologische Praktiken sowie Tierhaltungssysteme gleichzeitig das Potenzial, die Biodiversität zu fördern.94 Vor diesem Hintergrund erschöpft sich die nachhaltige Tier- und Pflanzenzucht nicht lediglich in einem wirtschaftlichen Nutzen.

Mit der gleichen Begründung ordnet die Rechtsprechung auch Daten über die Haltungsbedingungen des Großen Tümmlers in einem Zoo als Umweltinformationen ein, da diese Tiere unter Artenschutz stehen und ihre Haltung im Zoo eine Maßnahme darstellt, die im Hinblick auf die rechtliche Aufgabenstellung eines Zoos insbesondere bei gesetzlich geschützten wildlebenden Tierarten von Rechts wegen eine Auswirkung auf die Artenvielfalt hat.95

Nach dem Gesetzeswortlaut gehören im Übrigen auch sämtliche gentechnisch veränderte Organismen, wie sie in § 3 Nr. 1 und Nr. 1 Bst. a Gentechnikgesetz definiert sind, zur Artenvielfalt.96 Hiernach sind gentechnisch veränderte Organismen mit Ausnahme von Menschen solche, deren genetisches Material in einer Weise verändert worden ist, wie sie unter natürlichen Bedingungen durch Kreuzen oder natürliche Rekombination nicht vorkommt. Die wörtliche Nennung gentechnisch veränderter Organismen stellt lediglich eine Klarstellung dar: Vor der umfassenden Neuregelung des Umweltinformationsrechts durch die UIRL haben die Mitgliedstaaten gentechnisch veränderte Organismen aufgrund einer engen Auslegung aus dem Anwendungsbereich des Umweltinformationsbegriffs ausgeschlossen.97

III. Umweltfaktoren (Nr. 2)

Zu den Umweltfaktoren zählen nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG Stoffe, Energie, Lärm und Strahlung, Abfälle aller Art sowie Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt. Die Formulierung „Umweltfaktoren wie […]” deutet darauf hin, dass die Aufzählung der genannten Faktoren beispielhaft und nicht abschließend ist.98 Die einzelnen Faktoren lassen sich wiederum nicht sinnvoll voneinander abgrenzen. Denn zum einen überschneiden sich die Begriffe inhaltlich. Zum anderen werden zur Begriffsbestimmung teilweise umweltrechtliche Definitionen verwendet, teilweise naturwissenschaftliche.

Die – im Folgenden näher erläuterten – Umweltfaktoren müssen sich auf den Zustand eines oder mehrerer Umweltbestandteile im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Ob sich ein Umweltfaktor auf ein oder mehrere Umweltbestandteile auswirkt oder wahrscheinlich auswirkt, ist keine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage. Da es sich bei der Umweltinformation gemäß § 2 Abs. 3 UIG um ein den Zugangsanspruch begründendes Tatbestandsmerkmal handelt, trägt grundsätzlich der/die Antragsteller*in die Darlegungslast für dessen Vorliegen. So tragen Antragsteller*innen auch für die Tatsache des (möglichen) Wirkungszusammenhanges die Darlegungslast. Die Anforderungen hieran sind nicht hoch99, da – wie der Wortlaut verdeutlicht – ein potenzieller Wirkungszusammenhang ausreicht100. Maßstab hierfür ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung der allgemeine ordnungsrechtliche Wahrscheinlichkeitsmaßstab.101 Dieser Maßstab besagt, dass die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts erforderlich ist.102 Für die Umweltfaktoren bedeutet dies, dass ein sicherer Nachweis ihrer nachteiligen Auswirkungen nicht erforderlich ist; es genügt vielmehr die Möglichkeit einer Beeinträchtigung von Umweltbestandteilen. Diese Möglichkeit darf nicht nur eine theoretische sein; eher fernliegende Befürchtungen scheiden daher aus.103

Die Faktoren Lärm, Strahlung, Energie sowie Emissionen finden sich auch im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), genauer in den Begriffsbestimmungen nach § 3 Abs. 2 und Abs. 3 BImSchG, wieder. Das deutsche Immissionsschutzrecht differenziert zwischen Immissionen im Sinne von § 3 Abs. 2 BImSchG und Emissionen im Sinne von § 3 Abs. 3 BImSchG. In beiden Fällen handelt es sich um dieselben Umwelteinwirkungen, nämlich die in § 3 Abs. 2 BImSchG genannten Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Umwelteinwirkungen. Lediglich der Ort der Einwirkung ist ein anderer.104 Emissionen sind anlagenbezogen, d.h. die Umwelteinwirkungen werden an ihrem konkreten Austrittsort gemessen,105 während Immissionen an ihrem Einwirkungsort betrachtet werden106. Die Begriffsbestimmungen zu Immissionen und Emissionen aus dem BImSchG können teilweise im Rahmen der Umweltfaktoren im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG fruchtbar gemacht werden.107

Nach der Gesetzesbegründung108 erfasst der Zugangsanspruch auch die zur Erhebung der Umweltfaktoren angewandten Messverfahren einschließlich der Verfahren zur Analyse, Probenahme und Vorbehandlung der Proben oder die Bezeichnung der angewandten standardisierten Verfahren.109

1. Stoffe

Stoffe sind durch bestimmte chemische und physikalische Eigenschaften gekennzeichnete Substanzen.110 Diese Definition entspricht dem Stoffbegriff in der Chemie111, daher sind auch Reinstoffe und Gemische von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG erfasst.112 Der zu enge Stoffbegriff des Gefahrenstoffrechts, der hierunter gemäß Art. 2 Nr. 7 der CLP-Verordnung113 nur Reinstoffe versteht,114 findet insoweit keine Anwendung.115

2. Energie

Energie ist eine physikalische Größe, die in Joule ausgedrückt wird.116 Zu den Energieformen zählen unter anderem die kinetische Energie, thermische Energie, chemische Energie, elektrische Energie, Strahlungsenergie und die potenzielle Energie.117 In der rechtswissenschaftlichen Terminologie ist der Begriff deutlich enger gefasst.118 So versteht man unter Energie im Sinne von § 3 Nr. 14 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) Elektrizität, Gas und Wasserstoff, soweit sie zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet werden.119 Mithin sind nur bestimmte Formen der Energie vom EnWG umfasst.120 Welche Definition hier für das UIG in Betracht kommt, wird in der Literatur nicht einheitlich beurteilt.121 Rechtsprechung hierzu gibt es noch nicht. Für ein physikalisches Begriffsverständnis spricht der Grundsatz der weiten Auslegung, der auch durch die Formulierung „Faktoren wie […]” zum Tragen kommt. Allerdings kann dieses Begriffsverständnis von Energie wegen seiner Konturlosigkeit zu Abgrenzungsproblemen führen, da letztlich jede Art von Ursache und Wirkung eine Form von Energie voraussetzt. Dagegen erscheint die Begriffsbestimmung aus dem EnWG zu eng: Das zusätzliche Kriterium der Leitungsgebundenheit des Energieträgers schließt nämlich andere Transportsysteme aus.122

3. Lärm

Lärm ist weder eine messbare physikalische Größe noch ein Rechtsbegriff.123 Vielmehr handelt es sich im allgemeinen Sprachgebrauch um eine Bezeichnung für hörbare Schallwellen, die der Mensch als störend empfindet und die mitunter gesundheitsschädlich werden können.124 Wann die Schwelle der Störung bzw. Belästigung erreicht ist, hängt vom subjektiven Empfinden des oder der Betroffenen ab.125

Schallwellen können zum einen über den für den Menschen bewerteten Schalldruckpegel (Lautstärke) in der Einheit dB (A) sowie über die Frequenz (Tonhöhe) in der Maßeinheit Hertz (Hz) ausgedrückt werden.126 Neben hörbaren (Frequenzbereich von 16 Hz bis 20.000 Hz)127 können auch nicht-hörbare tieffrequente Schallwellen vom Menschen als unangenehm empfunden werden128.

Es existieren Regelwerke für verschiedene Anwendungsbereiche, die Grenz- oder Richtwerte für Lärm festlegen, so z. B. die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA-Lärm), das Fluglärmgesetz (FluLärmG), die Sportanlagenlärmschutzverordnung (18. BImSchV) sowie die Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV).129 In der Literatur wird unterschiedlich beurteilt, ob für die Frage des Vorliegens von Lärm im Sinne des UIG auf die Grenz- oder Richtwerte solcher Regelungen zurückgegriffen werden muss130 oder das subjektive Empfinden von Antragsteller*innen ausreicht131.

Beide Ansichten berücksichtigen nicht, dass sich Umweltfaktoren wie Lärm nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG auf einen Umweltbestandteil auswirken müssen, wozu der Mensch nicht zählt.132 Vielmehr stellt der den Menschen störende Lärm einen Faktor dar, der den Zustand der menschlichen Gesundheit oder die Lebensbedingungen des Menschen betrifft bzw. betreffen kann und ist mithin eine Umweltinformation im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG. Im Rahmen von § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG scheint daher ein Rückgriff auf Grenz- und Richtwerte, die sich am Hörvermögen des Menschen ausrichten, nicht angezeigt. So verwenden z.B. die TA-Lärm, das FluLärmG sowie die 18. BImSchV den bewerteten Schalldruckpegel dB (A), der genau genommen keine objektive Messung des Schalldruckpegels darstellt, sondern das Lautstärkeempfinden des Menschen wiedergibt.133 Zudem würde die Prüfung der Einschlägigkeit von Lärm nach den oben genannten Grenz- bzw. Richtwerten den Prüfungsumfang der informationspflichtigen Stelle erheblich erhöhen. Darüber hinaus widerspricht sie dem Grundsatz der weiten Auslegung.134

4. Strahlung

Als Strahlung bezeichnet man in der Physik die Ausbreitung von Energie in Form von Teilchenstrahlung oder elektromagnetischen Wellen.135 Insoweit stellt Strahlung genau genommen einen Unterfall des Umweltfaktors Energie dar. Zu den elektromagnetischen Wellen zählen z. B. Gamma-, Röntgen-, UV-, Infrarot-, Mikrowellen- und Rundfunkstrahlung.136

Zur Teilchenstrahlung zählen z. B. Alpha-, Beta- und Ionenstrahlung.137 Das Begriffsverständnis des BImSchG ist insoweit nicht zugrunde zu legen, da § 2 Abs. 2 S. 1 BImSchG die ionisierende Strahlung aus seinem Anwendungsbereich ausnimmt.138

5. Abfälle aller Art

Abfall ist ein Rechtsbegriff und umfasst im Hinblick auf § 3 Abs. 1 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) alle Stoffe oder Gegenstände, derer sich ihr Besitzer entledigt, entledigen will oder entledigen muss.139 Abfallrechtliche Entsorgungsnachweise und Begleitscheine sind hiernach Umweltinformationen.140

6. Emissionen, Ableitungen und sonstige Freisetzungen von Stoffen in die Umwelt

Unter Emissionen versteht man zunächst die in § 3 Abs. 3 BImSchG genannten Umwelteinwirkungen, die von Anlagen ausgehen.141 Ableiten stellt in der Rechtswissenschaft eine Benutzungsform von Grundwasser dar, § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG. Da diese Definition deutlich zu eng ist, wird auf die Verwendung im allgemeinen Sprachgebrauch zurückgegriffen. Hiernach bezeichnet Ableitung unter anderem das Verbringen von Flüssigkeiten.142 Die Formulierung „sonstige Freisetzungen” deutet darauf hin, dass Emissionen und Ableitungen Fälle des Freisetzens von Stoffen in die Umwelt darstellen.143

Zwar beziehen sich die Freisetzungen nur auf Stoffe, weshalb der Begriff enger erscheint als der Emissionsbegriff nach § 3 Abs. 3 BImSchG, der ebenso Geräusche, Licht, Wärme, Strahlung und ähnliche Umwelteinwirkungen umfasst.144 Allerdings dürfte es sich hierbei um eine terminologische Ungenauigkeit handeln, da dieser Begriff sonst seine Funktion als Auffangtatbestand nicht erfüllen könnte.

Exkurs zum Emissionsbegriff im Rahmen von §§ 8, 9 UIG

Der Begriff Emissionen taucht auch im Rahmen der Ablehnungsgründe auf, genauer in § 8 Abs. 2 S. 2 sowie § 9 Abs. 2 S. 2 UIG. Nach diesen Vorschriften können Anträge auf Umweltinformationen über Emissionen nicht unter Berufung auf die Gründe aus

  • § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UIG (Nachteilige Auswirkung auf die Vertraulichkeit von Beratungen informationspflichtiger Stellen),

  • § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 UIG (Nachteilige Auswirkung auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 und Schutzgütern im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 6)

  • § 9 Abs. 1 Nr. 1 UIG (Offenbarung von personenbezogenen Daten)

  • § 9 Abs. 1 Nr. 3 UIG (Offenbarung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen oder Informationen, die dem Steuer- oder Statistikgeheimnis unterliegen)

  • § 9 Abs. 2 S. 1 UIG (Übermittlung von Informationen an informationspflichtige Stellen durch private Dritte)

abgelehnt werden.145 Das Gesetz enthält insoweit bereits eine Vorrangentscheidung zugunsten des öffentlichen Interesses, sodass keine zusätzliche einzelfallbezogene Abwägung bei der Frage der Ablehnung des Informationsanspruches stattfindet.146 Aufgrund des Ausnahmecharakters, den Umweltinformationen über Emissionen aufweisen, scheint es daher zunächst angezeigt, den Begriff der Emissionen genau zu umreißen und von den Ableitungen und sonstigen Freisetzungen in die Umwelt abzugrenzen.

Tatsächlich weist die Gesetzesbegründung zu § 8 UIG147 für den Begriff der Emissionen auf Art. 2 Nr. 5 der inzwischen aufgehobenen IVU-Richtlinie148 hin. Hiernach bezeichnet Emission die von Punktquellen oder diffusen Quellen der Anlage ausgehende direkte oder indirekte Freisetzung von Stoffen, Erschütterungen, Wärme oder Lärm in die Luft, das Wasser oder den Boden. Diese Definition wurde wortgleich von der Nachfolgerichtlinie149 über Industrieemissionen übernommen. Dieser ausdrückliche Hinweis des Gesetzgebers hat auch das BVerwG dazu bewogen, für das UIG das Begriffsverständnis der Industrieemissionsrichtlinie zugrunde zu legen.150 Im Übrigen findet sich auch im Implementation Guide der Aarhus-Konvention der Hinweis auf die Industrieemissionsrichtlinie.151 Diese Definition entspricht inhaltlich auch dem Emissionsbegriff des § 3 Abs. 3 BImSchG, der ebenfalls einen Anlagenbezug erfordert.152

Trotz dieser sehr eindeutigen Begrenzung des Emissionsbegriffes, hat der EuGH in zwei Entscheidungen153 einer solch engen Auslegung des Emissionsbegriffes eine Absage erteilt.154 Zur Begründung führt er aus, dass eine Begrenzung des Begriffes dem Zweck einer möglichst umfassenden Verbreitung von Umweltinformationen nicht gerecht würde.155 Überdies widerspräche es dem Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 UAbs. 1 Bst. d der Aarhus-Konvention, nur solche Emissionen zu erfassen, die von Industrieanlagen ausgehen.156 Nach dieser Vorschrift sind Informationen über Emissionen, die für den Schutz der Umwelt von Bedeutung sind, stets anzugeben. Eine Abgrenzung zu Ableitungen und Freisetzungen sei auch nicht notwendig, da in diversen EU-Rechtsakten „Emissionen”, „Ableitungen” und „Freisetzungen” gleichgestellt seien.157

Die Entscheidung des EuGH vom 23.11.2016158 bezog sich konkret auf Zulassungsunterlagen eines Pflanzenschutzmittels. Er urteilte, dass das Freisetzen von Pflanzenschutzmitteln oder Biozid-Produkten sowie den in diesen Produkten enthaltenen Stoffen in die Umwelt unter den Begriff „Emissionen in die Umwelt” falle, sofern dieses Freisetzen unter normalen oder realistischen Anwendungsbedingungen tatsächlich stattfinde oder vorhersehbar sei.159 Zudem fielen auch alle Angaben über Art, Zusammensetzung, Menge, Zeitpunkt und Ort der Freisetzung sowie die Daten über Auswirkungen, insbesondere zu Rückständen in der Umwelt nach der Anwendung des Produktes sowie Studien hierzu unter den Begriff „Informationen über Emissionen in die Umwelt”.160

Abstrakt formuliert erfassen Informationen über Emissionen im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 2 sowie § 9 Abs. 2 S. 2 UIG nach der EuGH-Rechtsprechung alle Emissionen von Gas oder anderen Stoffen in die Atmosphäre als auch ein sonstiges Freisetzen oder sonstige Ableitungen wie das Freisetzen von Stoffen, Zubereitungen, Organismen, Mikroorganismen, Erschütterungen, Wärme oder Lärm in die Umwelt, insbesondere in die Luft, das Wasser oder den Boden.161 Dies allerdings mit der Einschränkung, dass die fraglichen Emissionen des Produktes oder Stoffes unter normalen oder realistischen Anwendungsbedingungen tatsächlich vorliegen oder vorhersehbar sind; rein hypothetische Emissionen genügen nicht.162

IV. Maßnahmen oder Tätigkeiten mit Umweltbezug (Nr. 3)

1. Maßnahmen oder Tätigkeiten

Das Begriffspaar Maßnahmen und Tätigkeiten im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG umfasst alle menschlichen Aktivitäten, die Einfluss auf die Umwelt haben und ist weit auszulegen.163

Im Verwaltungsrecht bezeichnet der Begriff Maßnahme eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung.164 Dagegen umfasst der Begriff Tätigkeiten sämtliches menschliches Verhalten (auch Unterlassen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln besteht), unabhängig von Grund, Ursache, Ziel oder Zweck.165 Maßnahmen und Tätigkeiten sind auch solche, die subjektive Einschätzungen und Wertungen enthalten166 oder bereits vergangen sind167.

Beispiele für Maßnahmen oder Tätigkeiten:168

  • Bescheide über die Zuteilung von Emissionsberechtigungen169

  • Genehmigung und Betrieb einer Tierhaltungsanlage170

  • Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen von Ordnungswidrigkeiten171

  • Maßnahmen des Verwaltungszwangs172

  • Stellungnahmen von Beteiligung im Rahmen von Planfeststellungsverfahren173

  • Verkehrsuntersuchungen im Zusammenhang mit einem Straßenbauvorhaben174

2. Auswirkung auf Umweltbestandteile oder Faktoren (Bst. a)

Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 Bst. a UIG muss sich die Maßnahme oder Tätigkeit auf Umweltbestandteile im Sinne von Nr. 1 oder Faktoren im Sinne von Nr. 2 auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Diesbezüglich kann auf den im Rahmen der Umweltfaktoren besprochenen ordnungsrechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab verwiesen werden. Ob sich die Maßnahme oder Tätigkeit unmittelbar oder lediglich mittelbar auswirkt, ist nicht von Belang.175 Keine Umweltinformationen stellen Maßnahmen oder Tätigkeiten dar, die vor ihrer Verwirklichung aufgegeben wurden und sich mithin nicht auf die Umwelt ausgewirkt haben.176

3. Schutz von Umweltbestandteilen (Bst. b)

Alternativ muss die Maßnahme oder Tätigkeit den Schutz von Umweltbestandteilen im Sinne von Nr. 1 bezwecken, d.h. geeignet sein, den Zustand der Umweltbestandteile zu erhalten oder zu verbessern.177 Zu den Maßnahmen zählen nach dem Gesetzeswortlaut auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Umweltvereinbarungen, Pläne und Programme. Ausreichend ist, dass die Maßnahme den Schutz der Umweltbestandteile mittelbar bezweckt.178

Politische Konzepte im Sinne der Vorschrift sind nach dem Wortlaut der Gesetzesbegründung fertige Konzepte, die von einer Leitung der Stelle der öffentlichen Verwaltung gebilligt wurden.179 Noch im Entstehungsprozess befindliche Konzepte sind im Hinblick auf den Ablehnungsgrund aus § 8 Abs. 2 Nr. 4 UIG nicht erfasst.180 Die nationale Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung181 sowie das Aktionsprogramm Umwelt und Gesundheit182 sind Beispiele für politische Konzepte.

Die Rechtsprechung stufte mehrfach Dokumente zum Atomausstieg, die im Vorfeld der 13. Atomgesetz-Novelle entstanden waren, als Umweltinformationen in diesem Sinne ein.183 Das novellierte Atomgesetz sei eine Rechtsvorschrift, die dem Umweltschutz diene. Denn wesentliches Ziel des novellierten Atomgesetzes sei, die Nutzung der Kernenergie aufgrund der damit verbundenen Risiken zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beenden. Das Gesetz diene daher dem Schutz der Umwelt vor den Gefahren radioaktiver Strahlung. Wegen des Grundsatzes der weiten Auslegung seien aber auch Unterlagen, welche im Zusammenhang mit der AtomG Novellierung anfielen, d.h. Dokumente über die Erarbeitung, Beratung und Verabschiedung des Gesetzes, als Umweltinformationen einzustufen.184

Während Abkommen im Allgemeinen eine vertragliche Übereinkunft zwischen internationalen oder nationalen staatlichen Stellen bezeichnet,185 gehen Umweltvereinbarungen etwas weiter und fassen alle Bereiche der kooperativen Absprachen zwischen Behörde und Privatpersonen zusammen186. Beispiele für Letztere sind öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne von §§ 54 f. VwVfG oder freiwillige Selbstverpflichtungen Privater.187

Pläne und Programme sind Instrumente des deutschen Umweltrechts in Form von Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Satzungen, um bestimmte Umweltziele zu erreichen.188 Beispiele hierfür sind Fachpläne der Raumordnung und Landesplanung, des Naturschutzes (Landschaftsprogramme und -rahmenpläne, Landschaftspläne nach §§ 10 und 11 BNatSchG), forstliche Rahmenpläne (§ 7 BWaldG), wasserwirtschaftliche Maßnahmenprogramme und Bewirtschaftungspläne (§§ 82 und 83 WHG), Luftreinhaltepläne (§ 47 BImSchG), Lärmminderungspläne (§ 47a BImSchG), Abfallwirtschaftskonzepte und -pläne (§§ 21, 30, KrWG), Brandschutz- und Katastrophenpläne sowie die Bauleitplanung.189

V. Umweltberichte (Nr. 4)

Berichte zur Umsetzung des Umweltrechts gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 4 UIG sind insbesondere jene, mit denen die Mitgliedstaaten ihren Berichtspflichten nach den europäischen Umweltrichtlinien nachkommen.190 Hierzu gehören zum Beispiel die Berichte nach Art. 17 FFH-Richtlinie, Art. 26 EU-Luftqualitätsrichtlinie, § 47d BImSchG oder § 65 WHG.191 Es handelt sich bei dieser ausdrücklichen Nennung der Umweltberichte lediglich um eine gesetzgeberische Klarstellung, da Umweltberichte bereits von § 2 Abs. 3 Nr. 3 Bst. b UIG erfasst sein dürften.192 Unter Nr. 4 fallen unter anderem Stellungnahmen des Bundesamtes für Naturschutz zu Maßnahmen in einem FFH-Gebiet.193

VI. Kosten-Nutzen-Analysen (Nr. 5)

Unter den Umweltinformationsbegriff fallen nach dem Gesetzeswortlaut auch Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nr. 3 verwendet werden. Kosten-Nutzen-Analysen und andere wirtschaftliche Analysen sind Instrumente zur Bestimmung der wirtschaftlichen Realisierbarkeit von Projekten mit Umweltbezug.194 Da sie den Entscheidungsprozess der öffentlichen Hand wesentlich beeinflussen, haben solche Analysen mittelbar Einfluss auf Maßnahmen und Tätigkeiten im Sinne von Nr. 3.195 Die Pflicht zur Durchführung solcher Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ergibt sich für den Bund aus § 7 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung (BHO).196 Da die Vorschrift Bürger*innen ermöglichen soll, die inhaltliche Richtigkeit einer auf Grundlage der Kosten-Nutzen-Analyse getroffenen Entscheidung zu überprüfen, sind nicht nur die Ergebnisse der Kosten-Nutzen-Analyse Umweltinformationsbegriff erfasst, sondern auch die zugrunde gelegten Faktoren.197

Darüber hinaus fallen unter Nr. 5 auch Informationen zur Finanzierung des Vorhabens oder die Finanzkraft des Vorhabenträgers198 sowie Kosteneinzelberechnungen für Bauprojekte, die dazugehörigen Entwurfshefte mit entsprechenden Bauabschnittsheften, Kostenhefte, Kostenübersichten oder Kostenschätzungen oder Nutzen-Kosten-Untersuchungen für Bahnprojekte, unabhängig davon, ob diese in den Planfeststellungsbeschluss Eingang gefunden haben199.

VII. Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke (Nr. 6)

Nach § 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG unterfallen dem Umweltinformationsbegriff auch alle Daten über den Zustand der menschlichen Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des Menschen sowie Kulturstätten und Bauwerke, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne von Nr. 1 oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nrn. 2 und 3 betroffen sind oder sein können.

Angelehnt an die Definition der WHO ist die menschliche Gesundheit weit zu verstehen und beschreibt einen Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.200

Zu den Daten über die menschliche Sicherheit zählen Informationen über gesundheitsgefährdende Substanzen (z.B. Giftstoffe), Faktoren (z.B. Strahlung) oder andere natürliche oder menschlich erzeugte Bedingungen, die die menschliche Gesundheit durch die Einwirkung auf Umweltgüter beeinträchtigen.201 Hierunter fällt auch die Kontamination der Lebensmittelkette, wie vom Gesetzgeber klargestellt.202 Kontamination ist die Verunreinigung von Lebensmitteln durch unerwünschte oder schädliche Stoffe.203 Lebensmittel sind gemäß Art. 2 der Lebensmittelbasisverordnung204 wiederum Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.205 Im Hinblick auf das Ziel einer Harmonisierung des Lebensmittelrechts auf europäischer Ebene, scheint es angezeigt, die Definition der Lebensmittelbasisverordnung zugrunde zu legen.206 Die Rechtsprechung stufte Angaben über die Dioxinbelastung von Futtermitteln,207 die Belastung von Mineralwasser mit Uran208 sowie Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf Lebensmitteln209 als Kontamination der Lebensmittelkette ein.210

Zu den Lebensbedingungen des Menschen, die weit zu verstehen sind, zählen nach dem Aarhus-Convention Implementation Guide211 die Wasser- und Luftqualität, Wohn- und Arbeitsbedingungen, der relative Wohlstand sowie verschiedene soziale und sozioökonomische Bedingungen.212

Bauwerke sind sämtliche durch Menschenhand geschaffene, künstliche Bauten, während Kulturstätten eine besondere historische, volkskundliche, städtebauliche oder wissenschaftliche Bedeutung für die Allgemeinheit haben.213

Kurzfassung/Abstract

In diesem Kapitel gibt die Autorin einen Überblick über die Tatbestandsmerkmale des Umweltinformationsbegriffs aus § 2 Abs. 3 UIG. Hierzu vermittelt die Autorin die für den Umweltinformationsbegriff geltenden Auslegungsgrundsätze. Anschließend definiert die Autorin die einzelnen Begriffe und vergleicht sie ggf. mit älteren Fassungen des UIG sowie mit parallelen Rechtsvorschriften auf europa- und völkerrechtlicher Ebene. Darüber hinaus stellt die Autorin die einschlägige Rechtsprechung zu den einzelnen Bestandteilen des Umweltinformationsbegriffs dar.

In this chapter, the author gives an overview of the constituent elements of the concept of environmental information according to Section 2 (3) UIG. In addition, she presents the principles of interpretation for the term environmental information. The author then defines the individual technical terms and compares them, if necessary, with older versions of the UIG as well as with parallel legal regulations at the level of European and international law. In addition, the author presents the relevant case law on the individual components of the concept of environmental information.

Keywords

Umweltinformationen, Umweltrecht, Umweltinformationsgesetz, Aarhus-Konvention, Umweltinformationsrichtlinie

Environmental Information, Environmental Law, Environmental Information Act, Aarhus Convention, Environmental Information Directive

Autor*in

Layla Ansari, ORCID-ID: 0009-0008-7003-3373, Universität Bielefeld, Lehrstuhl für öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht, Rechtstheorie, Universitätsstr. 25, 33615 Bielefeld, layla.ansari@uni-bielefeld.de

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